Kommentar zu NACHGEDACHT 89: Was du heute kannst…

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Kommentar zu NACHGEDACHT 89: Was du heute kannst…, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 21.09.2014 von osthessen-news.de

„Was du heute kannst …“- viele Leser verdrehen jetzt vielleicht die Augen und fragen sich: „Warum kommt Sie jetzt mit solch einem abgedroschenen Zitat?“ […] Heute soll es darum gehen, dass man nicht aus Faulheit eine Sache nicht erledigt, sondern weil man sie schlichtweg nicht mehr erledigen kann.

Die Basilika Sagrada Familia in Barcelona ist bis heute unvollendet. Aber nicht weil ihr Bauherr Antoni Gaudi sie nicht fertig bauen wollte, sondern weil er nicht mehr konnte: Er wurde vom Bus überfahren. Tragisch und traurig zugleich. Seine Kirche steht seitdem so wie damals: Unvollendet. Das Wort passt sehr gut: ohne ein volles Ende. Die Sache ist nicht mehr abgeschlossen worden. Gaudis großer Traum bleibt unvollkommen.*

Natürlich hätte er sich bestimmt gefreut, wenn er sein angefangenes Bauwerk noch hätte vollenden können, das wärs aber auch schon gewesen. Da ist es doch zumindest tröstlich zu wissen, dass man nach aktuellem Stand der Wissenschaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass zumindest ihn es jetzt in keinster Weise mehr belastet, dass er sein Gebäude nicht mehr fertiggestellt erlebt hat.

Das soll uns doch eine Lehre sein.*

Zum Beispiel kann es uns lehren, dass manchmal Dinge geschehen, bei denen man versucht ist, einen wie auch immer gearteten Kausalzusammenhang in dem, was geschieht, erkennen zu wollen, einen Zusammenhang, den es aber objektiv betrachtet nicht gibt. Durch solche Fehlschlüsse bekommen dann Dinge oder Ereignisse eine Bedeutung, die sie objektiv betrachtet nicht haben, wie zum Beispiel die irrige Annahme, Gebete würden von einem Gott erhört.

Außerdem kann es uns die relative Bedeutungslosigkeit der menschlichen Existenz lehren: Es ist nicht davon auszugehen, dass es von irgendeiner größeren Bedeutung für der Welten Lauf gewesen wäre, wenn Antoni Gaudí die Basilika noch selbst hätte fertigstellen können. Wäre es ihm gelungen, hätte sich das natürlich auch wieder in irgendeiner Art und Weise auf andere Dinge ausgewirkt, aber dass ausgerechnet dieser Umstand eine für die Nachwelt wichtige oder gar entscheidende Rolle gespielt hätte, scheint eher unwahrscheinlich.

Auf einer größeren Skala betrachtet, sind die paar Sekunden (verglichen mit der bisherigen Erdgeschichte) Existenz der gesamten Menschheit, in einem noch etwas weiter gefassten Rahmen auch die Existenz allen Lebens und im noch weiteren Sinn die Existenz des Universums selbst absolut bedeutungslos (wem sollte sie auch etwas bedeuten?). Diese (aus menschlicher Alltagssicht langfristige) Bedeutungslosigkeit hindert uns aber natürlich nicht daran, das für uns individuell Beste aus unserem Leben zu machen (idealerweise, ohne uns dabei unfair zu verhalten).

[…] Fragen wir uns einmal: Was ist in unserem Leben aufgeschoben? Was haben wir uns noch nie getraut?*

Fragen wir uns besser noch konkreter und ganz selbstbewusst: Was macht mich glücklich? Was kann ich tun, um mein Wohl (im Diesseits) zu steigern, ohne dabei gleichberechtigte Interessen anderer zu beeinträchtigen? DAS sind die Fragen, die man sich stellen sollte, um herauszufinden, womit man am besten direkt anfangen und was man besser sein lassen sollte.

Wenn jemand etwas aufgeschoben hat, dann hat es einen oder mehrere Gründe, zum Beispiel, weil etwas anderes dann doch wichtiger war. Wenn wir uns etwas noch nie getraut haben, dann hat das ebenfalls einen oder mehrere Gründe, zum Beispiel den Wunsch, sich nicht durch waghalsige Aktionen in Lebensgefahr zu bringen, auch wenn das bedeutet, sich manches vielleicht einfach „nicht getraut“ zu haben. Wie auch immer der persönliche Weg zum persönlichen Glück aussehen mag, ist jedermanns und -fraus Sache.

[…] Die Frage, wie viel Zeit wir noch für all das haben, was wir noch vorhaben, beantwortet uns niemand. Also tun wir es doch lieber gleich, besorgen wir doch alles lieber heute als morgen.*

Da uns, wenn wir ehrlich sind, schnell klar wird, dass es unrealistisch ist, bis zu unserem Tod noch „alles“ „besorgen“ zu können (egal, wie lange wir leben), ist es umso wichtiger zu wissen, wie man die verbleibende Zeit bis zum Tod (also das Leben) für sich am besten gestaltet und sich bei der Gelegenheit auch fragt, was im Leben vielleicht Zeit raubt, in der man sich besser um sein Wohl kümmern könnte.

Wer jetzt meint, das sei ein Aufruf zum Egoismus, der irrt gewaltig und sollte nochmal genau die beiden Fragen lesen, um die es geht:

  • Was macht mich glücklich? Was kann ich tun, um mein Wohl (im Diesseits) zu steigern, ohne dabei gleichberechtigte Interessen anderer zu beeinträchtigen?

Ethisch korrekt verhält sich, wer tut, was er will, ohne dabei unfair zu anderen oder zur Umwelt sein, während dem Egoist die möglicherweise negativen Auswirkungen seines Verhaltens auf andere oder auf die Umwelt herzlich egal sind.

Was mich an Ihren Ausführungen erstaunt ist die Tatsache, dass Sie das Heilsversprechen Ihrer Religion mit keinem Wort erwähnen. Wenn man diesem Glauben schenkt, ist mit dem Tod ja noch lange nicht alles vorbei und gläubige Menschen erwartet nach dem Ableben die Erlösung und der Eintritt ins Himmelreich (wenn es nicht erst noch Restschuld im Fegefeuer zu büßen gibt).

Wenn man die Realität um diese Fiktion erweitert, dann dürfte das doch auch das Verhältnis zur eigenen Lebenszeit verändern, oder? Ehrlicher, weil viel wahrscheinliche ist es, sich auf das Diesseits zu konzentrieren, statt das Jenseits in seine „Zeitplanung“ miteinzubeziehen, was Sie ja tun müssten, wenn Sie den Lehren Ihres Glaubens folgen.

*Das Online-Portal Osthessennews fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle Zitate stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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