Kommentar zu NACHGEDACHT 150: Woran glauben wir?

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Kommentar zu NACHGEDACHT 150: Woran glauben wir? …. Gedanken von Christina LEINWEBER
Original-Artikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 22.11.2015 von osthessen-news.de

Sehr geehrte Autorin,

zu Ihrem Beitrag „Woran glauben wir?“ vom 22.11.15 auf osthessennews.de habe ich einige Fragen, über deren Beantwortung ich mich freuen würde:

Das Gottesbild, das Sie in diesem Beitrag skizzieren, beschreibt einen Gott, wie er nach modernen, humanistischen Werten tatsächlich „perfekt“ wäre: Liebevoll, barmherzig, vergebend, auf das Wohl der Menschen bedacht. Sie schreiben, er müsse „a priori“ besser sein als alles, was wir uns überhaupt denken können.

Dieses Gottesbild steht dem Gottesbild, das die Bibel liefert, diametral entgegen. Dort ist Gott ein eifersüchtiger, rachsüchtiger und menschenverachtender Gott, der seinen Anhängern befiehlt, alle, die nicht an ihn glauben zu vernichten (die zahlreichen Quellen, die genau dieses Gottesbild beschreiben, finden Sie zuhauf in Ihrer Bibel). Seinen „Segen“ verspricht er nur den Menschen, die an ihn glauben und das auch nicht im Diesseits, sondern im Jenseits, womit dieses Heilsversprechen hinfällig ist (nach aktuellem Stand des Wissens gibt es kein Jenseits in dieser Form).

Wie kann es Ihrer Meinung nach sein, dass sich Ihr Gott so radikal verändert hat? Wo er doch „perfekt“ ist?

Ich habe dafür eine einfache Erklärung: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gibt es Gott nicht. Zumindest ist Gott noch nie in irgendeiner Form – außer in der Phantasie der Menschen – in Erscheinung getreten. Dass Jesus, so er denn gelebt hat (einen angeblichen Sohn Gottes, der von einer Jungfrau geboren und von den Toten auferstanden ist, findet sich in irgendeiner Form in Dutzenden von Religionen), deshalb auch nicht der Sohn Gottes gewesen sein kann, liegt auf der Hand. Ich gehe davon aus, dass es im Universum „mit rechten Dingen“ zugeht, und das schließt die Befruchtung einer Jungfrau durch einen Geist sowie die Auferstehung von den Toten bis zum Beweis des Gegenteils aus.

Selbst wenn wir unterstellen, dass es Jesus tatsächlich gegeben hat (nicht nur in der Phantasie, sondern in „echt“), dann muss es sich dabei also genauso um einen Vertreter der Trockennasenaffenart „Homo sapiens sapiens“ gehandelt haben wie bei allen anderen Menschen auch – nicht mehr und nicht weniger.
Die Existenz Jesu ist kein Beweis für die Existenz eines Gottes, nicht mal für eine solche Annahme. Solange es keinen wissenschaftlich belegten Gottesbeweis gibt, rangiert die Vorstellung eines Gottes unter dem Stichwort „Vorstellung“ oder auch „Illusion.“ Natürlich ist der Mensch in der Lage, sich einen Gott auszudenken, wodurch dieser aber nicht  noch lange nicht real wird, wovon Sie offenbar ausgehen. „Eine Lüge wird nicht dadurch wahr, dass viele an sie glauben, die Wahrheit wird nicht dadurch unwahr, dass sie (noch) keiner kennt.“ Die Erde ist keine Scheibe und die Schwerkraft wirkt auch, wenn niemand an sie glaubt.

Wie aber kommt es nun, dass sich Ihr Gottesbild so drastisch zu dem Gottesbild unterscheidet, das in Ihrem „Wort Gottes“ beschrieben wird? Ganz einfach, weil es sich dabei eben nicht um das „Wort Gottes“, sondern um Worte von Menschen handelt, die diese Worte „ihrem“ Gott in den Mund gelegt haben und bis heute legen. Da sich kein Gott jemals selbst geäußert hat, bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig, hat aber für sie (und auch für Sie) den enormen Vorteil, dass sie/Sie sich ihren/Ihren Gott genau nach ihren/Ihren Vorstellungen beliebig gestalten konnten/können.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mit der Bibel lässt sich sowohl Ihr Gottesbild, aber auch Gewalt und Mord bis hin zum Genozid – im Namen Gottes – problemlos rechtfertigen. Wurden noch vor wenigen Jahrzehnten Juden im Auftrag Ihres Gottes in den Ofen geworfen (Auftrag aus der Bibel), wünschen sich die Christen von heute, dass ihr Gott ein liebevoller Gott sein möge. In diesem Zusammenhang ist oft von „christlichen Werten“ die Rede. In Wirklichkeit handelt es sich bei diesen Werten um Werte, die die Säkularisierung und der Humanismus über Jahrhunderte gegen den erbitterten Widerstand eben dieser Religion über Jahrhunderte mühevoll durchgesetzt haben und für die nicht wenige Menschen gerade von Anhängern dieser Religion ermordet wurden.

Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass es gegen die Illusion eines liebevollen Gottes doch nichts einzuwenden gäbe, aber dem ist nicht so. Nur, weil Sie aufgrund der Aufklärung und der sozio-kulturellen Evolution der Menschheit Ihren Gott jetzt als menschenfreundlich definieren, kann dieser nach wie vor kein Maßstab für aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts sein, genausowenig, wie ein anderer Gott als Rechtfertigung für Attentate, Vertreibung und Gewalt jeder Art hergenommen werden darf. Eine Ethik muss für alle Menschen unabhängig von Glaube, Hautfarbe, Wohnort, Geschlecht und Weltsicht gelten. Schon allein, weil Religionen auf einem Gut-Böse-Dualismus basieren, wird eine Religion niemals eine verbindliche Ethik für alle Menschen vorgeben können.

Indem Sie in Ihrer Veröffentlichung so tun, als handle es sich bei Gott um eine real existierende Größe, suggerieren Sie den Lesern, dass das wirklich so sei. Das finde ich heuchlerisch, weil Sie Gott so darstellen, als könne man irgendetwas von ihm erwarten (wenn man denn an ihn glaubt). Ihr Gott ist genauso real wie das Fliegende Spaghettimonster, Zeus, Anubis oder Thor. Natürlich bleibt es Ihnen unbenommen, sich einen solchen Gott auszudenken und sich etwas von ihm zu erhoffen. Dass Sie diese Gedanken aber öffentlich so darstellen, als handle es sich dabei um Tatsachen, halte ich für bedenklich, weil verantwortungslos und trügerisch. Statt Menschen aufzufordern, selbst zu denken und Verantwortung zu übernehmen, berufen Sie sich auf einen (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht existierenden) Gott, der angeblich „weiß“, wie sich „seine“ Menschen verhalten sollen und der das sogar in irgendeiner Form mitgeteilt habe, was nun mal nicht der Fall ist.

Wenn Leser darauf hereinfallen und ebenfalls an Ihre Illusion glauben, haben Sie aktiv dazu beigetragen, dass der Gut-Böse-Dualismus (der auf der irrigen Annahme basiert, der Mensch könnte sich aus freiem Willen für Gut oder Böse entscheiden, wobei es von der jeweils gültigen und vorherrschenden Weltsicht abhängt, was genau denn überhaupt Gut und Böse ist – die Attentäter von Paris waren sicher auch vollkommen überzeugt, das Beste überhaupt getan zu haben, was sie tun konnten) weiter in den Köpfen der Menschen verankert und erhalten bleibt und dass es vermutlich noch länger dauert, bis auch die letzten Menschen noch ihre religöse Indoktrination, die ich als eine der Hauptursachen für Leid auf der Welt halte, überwunden haben werden.

Das Online-Portal osthessennews.de fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit  „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf.

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