Kommentar zu „Wir beten für Dich“ Gebetspostkartenaktion: Zur Fastenzeit Barmherzigkeit

Lesezeit: ~ 3 Min.

Kommentar zu „Wir beten für Dich“ Gebetspostkartenaktion: Zur Fastenzeit Barmherzigkeit, veröffentlicht am 01.03.16 von Osthessennews, Verfasser des Originalartikels nicht genannt

[Mitorganisator Marius Hübner:] „[…] Ich durfte selbst die Erfahrung machen, dass Gott uns nicht alleine lässt, sondern auf unser Beten hört. […]“*

Sehr geehrter Herr Hübner, wie genau stellen Sie sich das konkret vor, dass „Gott uns nicht alleine lässt, sondern auf unser Beten hört“? Meinen Sie ernsthaft, dass es nicht nur ein übernatürliches Wesen gibt, das alles, was wir sagen oder auch nur denken, weiß, sondern auch, dass dieses Wesen daraufhin ins Geschehen eingreift und den Lauf der Dinge verändert? So richtig ernsthaft?

Wenn diese Aussage auf Ihrer eigener Erfahrung beruht, dann können Sie den Kausalzusammenhang zwischen einem Gebet und einer tatsächlichen Reaktion eines überirdischen Wesens ja bestimmt auch wissenschaftlich seriös belegen, oder? Dieser Beweis wäre sicher für alle Menschen sehr interessant – ohne einen solchen Beweis ist eine persönliche Erfahrung kein ernstzunehmendes Argument für die Wirksamkeit von Gebeten.

Auf Ihrer Webseite stellen Sie Gebete jedenfalls als wirksam dar in dem Sinne, dass sie von Ihrem Gott erhört werden. Ohne einen seriösen Beleg, dass Ihr Gott überhaupt existiert, sind alle Aussagen über ihn, seine angeblichen Eigenschaften und Aktionen heuchlerisch, trügerisch, unredlich und deshalb scharf zu kritisieren.

Besonders perfide finde ich den Vergleich eines „Gespräches“ mit einem imaginären Freund mit dem Gespräch mit einem realen Freund; so wird der Eindruck erweckt, Gott reagiere tatsächlich auf Gebete, wie man es von einem wirklich existierenden Freund ja zurecht erwarten kann.

Ganz abgesehen davon ist es bei den mindestens 3000 erdachten Göttern schon allein mathematisch gesehen äußerst unwahrscheinlich, dass ein Gebet überhaupt an den richtigen Gott geschickt wurde. Dazu kommt, dass gerade Gottheiten mit monotheistischem Anspruch auf die Verehrung falscher Götter äußerst sensibel reagieren:

  • Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; (Quelle: EX20,9 Einheitsübersetzung).

Auch darauf wird mit keinem Wort hingewiesen, genausowenig wie auf die Tatsache, dass Gebete selbst nach religiöser „Logik“ völlig unnütz sind.

Es ist schon bedenklich genug, wenn erwachsene, geistig gesunde und eigentlich aufgeklärte Menschen im 21. Jahrhundert noch privat in einer solchen Scheinwelt leben.

Richtig bedenklich ist es, wenn anderen Menschen öffentlich suggeriert wird, es handle sich bei Gott um eine reale Größe, von der man irgendeinen tatsächlichen Einfluss auf unsere natürliche Wirklichkeit erwarten könnte (oder befürchten müsste, je nach Sichtweise).

Leichtgläubige Menschen könnten dieser Suggestion auf den Leim gehen und glauben, der Zauberer hätte die Jungfrau wirklich zersägt, oder in diesem Fall: Gebete würden tatsächlich von Gott erhört.

Auf Ihrer Webseite erklären Sie, dass das System „ganz einfach“ sei: „Du schreibst. Wir beten. Gott hört.“  Was Sie sich offenbar nicht getraut haben zu schreiben (nämlich, dass Gott nicht nur hört, sondern auch daraufhin handelt), ergänzt Herr Algermissen:

Bischof Heinz Josef Algermissen […] wünscht „allen Betern und all jenen, die ihnen ihre persönlichen Anliegen anvertrauen, dass sie in diesem Heiligen Jahr in besonderer Weise von Gottes Barmherzigkeit beschenkt werden.“

Dadurch entsteht der Eindruck, Gebete zu Ihrem Gott könnten mehr bewirken als zum Beispiel Gebete an den Gestiefelten Kater oder an irgendeine andere menschliche Fiktion. Wie können Sie das mit Ihrem guten Gewissen vereinbaren?

Egal, für wie heilig Menschen ein Jahr auch erklären mögen: Auch in diesem Jahr wird wieder niemand von Göttern beschenkt werden, völlig unabhängig vom Glauben oder vom Gebetsaufkommen.

Es werden mit Sicherheit wieder Dinge als Folge von anderen, natürlichen Ereignissen geschehen, in denen die Menschen das Walten eines gütigen Gottes erkennen werden wollen und andere Dinge, die dann entweder ignoriert oder als Prüfung des unergründlichen Gottes umgedeutet werden müssen.

Denn eins ist (bis zum seriösen Beweis des Gegenteils) ausgeschlossen: Dass irgendwelche überirdische Götter, Elfen, Feen, Kobolde oder Einhörner tatsächlich und nachweisbar Einfluss auf das reale Weltgeschehen nehmen. Daran ändert sich nicht mal dann etwas, wenn es sich ein Fuldaer Bischof wünscht.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel von Osthessennews.

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