Kommentar zu „Komplizierte Schwestern“ – Bischof Algermissen zu biblischen Lifestyle-Tipps

Lesezeit: ~ 3 Min.

Kommentar zu: „Komplizierte Schwestern“ – das Wort des Bischofs Heinz Josef Algermissen zum Thema biblische Lifestyle-Tipps, Originalartikel veröffentlicht am 15.07.16 von Osthessennews, Verfasser nicht genannt

Diesmal ging es Bischof Algermissen mal nicht darum, Un- und Andersgläubige als großes Risiko für die Mitwelt zu beschimpfen. Diesmal wurde nur eine biblische Legende so uminterpretiert, dass sie wie ein Lifestyle-Tipp erscheint.

Wir wissen um die Antwort Jesu, wie Lukas sie berichtet: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt.“ (Vers 41).*

Worum geht es in dieser Legende eigentlich? Sicher nicht darum, dass Jesus die Menschheit vor den negativen Auswirkungen von Multitasking warnen wollte. Das „eine“, das laut Jesus „nur notwendig“ sei, ist es, ihm zuzuhören. Er wollte damit nur klar machen, dass seine Message wichtiger ist als Küchenarbeit. Deshalb sagt er auch nicht: „Du sollst nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun“, sondern er sagt: „Maria hat das Bessere gewählt.“

Lifestyle-Tipps aus der Bibel?

Diese Deutung deckt sich auch mit den weiteren Aussagen, die sich in diesem Abschnitt des Lukasevangeliums finden. Jesus ging es nicht um Lifestyle-Tipps. Als Anführer einer apokalyptischen Endzeitsekte predigte er die unmittelbar bevorstehende Ankunft seines Herren. Ihm ging es nur darum, seine Glaubensbrüder und -schwestern auf dieses „Jüngste Gericht“ vorzubereiten. Wie wir heute wissen, hatte er sich mit seiner Prophezeiung gründlich geirrt. Bis heute ist kein Gott tatsächlich in Erscheinung getreten.

Im Gegenteil, aus Sicht von Jesus waren Menschen sowieso böse und somit hatte er gar keinen Grund, ihnen Empfehlungen auszusprechen, wie sie ihr Leben angenehmer gestalten könnten:

  • Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten. (Quelle: Lukas 11,13 EU)

Nein, ihm als streng monotheistisch gläubigem Rabbi ging es ausschließlich um die Ankündigung seines Herrn und um die Aufforderung zu einem gottgefälligen Leben:

  • Als er das sagte, rief eine Frau aus der Menge ihm zu: Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat. Er aber erwiderte: Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen. (Quelle: Lukas 11, 27-28 EU)

Biblisches Rosinenpicken

Eines nur ist von dir gefordert. Und darum kannst du auch nur, wenn du dich auf dieses Eine ganz einlässt, Gott begegnen, der nicht ein Gott der Unruhe und des Vielerlei ist, sondern „ein Gott des Friedens“ (1 Kor 14,33).

Hier durfte es nicht mal ein ganzer Vers sein, den Herr Algermissen gezielt aus dem Kontext herauspickte. Der ganze Vers lautet nämlich pikanterweise (Hervorhebungen von mir):

  • Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens. Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in der Versammlung schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden. Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz es fordert. Wenn sie etwas wissen wollen, dann sollen sie zu Hause ihre Männer fragen; denn es gehört sich nicht für eine Frau, vor der Gemeinde zu reden. (Quelle: 1. Kor 14,33-35 EU)

Andererseits hätte es auch nicht wirklich erstaunt, wenn dieser Satz auch noch im Bischofswort aufgetaucht wäre…

Bei Bedarf liefert die Bibel natürlich auch das genaue Gegenteil. Es liegt einzig beim Leser, ob er in Gott einen Bringer von Ordnung und Friede, oder von Unordnung und Entzweiung sehen möchte (Hervorhebungen von mir):

  • [Jesus sagt:] Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. (Quelle: Mt 10, 34-36 EU)
  • [Gott sagt:] Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse. (Quelle: 1. Mose 3,15 EU)

Zahlreiche weitere biblische Beispiele für den angeblichen „Gott des Friedens“ gibts hier.

Begegnung – mit wem?

Schwestern-Lifestyle
Schwestern-Lifestyle

Die Behauptung, Gott begegnen zu können, wenn man sich ganz auf „dieses Eine“ einlassen würde, wäre erst dann sinnvoll, wenn es erstmal einen Beweis für die Existenz nicht nur irgendeines, sondern speziell dieses Gottes gäbe.

Oder wenigstens eine allgemeinverbindliche Definition, wer oder was „Gott“ eigentlich sein soll. Beides ist bisher nicht der Fall. Wozu eine Begegnung mit einem von Menschen erfundenen Phantasiewesen sinnvoll sein soll, bleibt erwartungsgemäß unklar.

Verhaltensforschung, Psychologie, Soziologie, Neurologie und ähnliche wissenschaftliche Disziplinen können heute begründen, warum man effektiver ist, wenn man sich jeweils auf ein Thema konzentriert.

Es ist nicht erforderlich, vormittelalterliche Mythen, Märchen und Legenden so umzuinterpretieren, dass sie diese Erkenntnisse zu bestätigen scheinen. Und es bringt auch keine neuen Erkenntnisse oder machen diese mehr oder weniger wahr. Nicht, weil man so einem irrealen Phantasiewesen besser begegnen kann, sondern weil das menschliche Gehirn einfach effektiver arbeitet, wenn es Aufgaben sequentiell und nicht parallel verarbeitet, spricht einiges gegen Multitasking.

Im Übrigen widersprechen sich die Aufforderungen, einerseits achtsam und konzentriert auf etwas zu sein und andererseits aber gleichzeitig darin einer Fiktion begegenen zu wollen.

Stellt sich einmal mehr die Frage: Wofür braucht es heute noch einen Bischof mit fürstlichem, vom Staat bezahlten Einkommen? Um solche „Weisheiten“ öffentlich zu verkündigen?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

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