Das Wort zum Wort zum Sonntag: Bestürzung, Trauer, Gebet

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Das Wort zum Wort zum Sonntag: Bestürzung, Trauer, Gebet – im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verkündigt von Kardinal Reinhard Marx, München, veröffentlicht am 23.07.16 von ARD/daserste.de

[…] Wir hoffen und beten, dass die Verwundeten bald wieder nach Haus zurückkehren können.

Herr Marx, Ihre Trauer und Ihr Mitgefühl in allen Ehren. Aber wie stellen Sie sich die Wirksamkeit von Gebeten in der realen Welt vor? Meinen Sie, dass ein allmächtiger, allwissender Gott seine göttlichen Pläne ändert, weil Sie ihn darum bitten? Oder hängt es nicht doch eher von Faktoren wie der Schwere der Verletzung und der medizinischen Versorgung ab, ob Verwundete schnell wieder nach Haus zurückkehren können, was ich ihnen natürlich ebenfalls wünsche.

Als Christ sage ich: Die tiefste Ursache der Sünde, also auch der Gewalt und des Hasses, ist die Angst!

Und was sagen Sie als Mensch? Weiter unten schreiben Sie, dass Sie zum Gott und Vater aller Menschen beten. Wenn Ihr Gott Vater aller Menschen ist, dann ist er auch Vater der Menschen, für die Gewalt und Hass das genaue Gegenteil von Sünde ist. Für die es Sünde wäre, nicht mit Gewalt gegen die vorzugehen, die wiederum sie für Sünder halten. Für die das Verbreiten von Angst das beste ist, was sie für die Errichtung des Reich ihres Gottes auf Erden tun können. Die nicht nur  in ihrem täglichen Gebet ihren sowieso schon allmächtigen Gott darum bitten, dass sein Reich komme, wie im Himmel, so auf Erden.  Sondern die sich selbst dazu berufen fühlen, ihren Gott tatkräftig zu unterstützen.

Ausgerechnet die Angst als tiefste Ursache der Sünde zu bezeichnen, klingt aus dem Mund eines Vertreters der katholischen Kirche reichlich verräterisch. Angst spielt eine zentrale Rolle in der christlichen Lehre: Allem voran die grundlegende, alles bestimmende Angst vor dem Tod.  Die latente Angst vor posthumen ewigen Höllenqualen. Eine diffuse Angst vor Un- und Andersgläubigen. Die ständige Angst davor, kein gottgefälliges Leben zu führen. Eine subtile Angst vor einer eingeredeten Sünde. Angst vor Bestrafungen durch einen unergründlichen, unheimlichen Gott. Aber auch Angst davor, als Arbeitnehmer eines kirchlichen Betriebes seine Meinung zu sagen und sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten…

Eine Ideologie, die selbst und für ihre eigene Zwecke so viel Angst verbreitet, hat ein Interesse an sündigen und damit erlösungsbedürftigen Menschen. Das Christentum liefert beides: Angst, die zu Handlungen führt, die dann als Sünde bezeichnet werden. Und die „Erlösung“ von diesen Sünden gibts dann exklusiv für die Gläubigen gleich dazu. Ein ausgeklügeltes, erschreckend lange erschreckend erfolgreiches Geschäftsmodell.

Angst ist allgegenwärtig im Christentum und nicht etwa nur im radikalen Islamismus. Und in ihrer Kriminalgeschichte hat auch das Christentum für mehr Angst, Schrecken und Trauer gesorgt als kaum etwas anderes, was sich Menschen ausgedacht haben.

Wohingegen ein radikalisierter Fundamentalist sogar völlig frei von Angst ist, wenn er sich im vermeintlichen Auftrag und zur Erlangung einer ebenso vermeintlichen posthumen Belohnung in die Luft sprengt. Wer zur Errichtung des Gottesreiches seinen eigenen Tod nicht nur in Kauf nimmt, sondern ein Selbstmordattentat für das beste hält, was er überhaupt tun kann, hat jede Angst überwunden.

Misstrauen, Vorurteile, Hass und Feindschaft auch zwischen Religionen

Denn Angst führt zu Misstrauen, zu Vorurteilen, zum Hass, zur Feindschaft innerhalb einer Gesellschaft und zwischen den Völkern, auch zwischen den Religionen.

Auch zwischen den Religionen.

Als Christen können und wollen wir es nicht zulassen, dass die Angst unser Leben beherrscht.

Wieso „als Christen“? Wieso nicht „als Menschen“? Sie sprechen hier im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und nicht im Kirchenfunk! Was ist denn mit dem Rest der Menschheit? Sie haben doch gerade geschrieben, dass auch Religionen betroffen sind. Wieso direkt im nächsten Satz dann wieder diese Unterscheidung?

Gilt die Aufforderung, sich nicht von Angst beherrschen zu lassen, denn speziell nur für Christen und nicht für alle Menschen? Geben Sie vor, was „wir Christen“ können und wollen und was nicht? Woher wissen Sie überhaupt, was „wir Christen“ können und wollen und was nicht?

[…] Dagegen werden wir als Christen aufstehen. Durch das Gebet zum Gott und Vater aller Menschen, durch das Zeugnis für das Evangelium in Wort und Tat, durch unseren Einsatz für alle Bedrängten, unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Hautfarbe.

Und wieder richtet sich der Apell an „uns als Christen.“ Diesmal zumindest teilweise zurecht, denn nur Christen glauben daran, dass Gebete zu einem erfundenen, überirdischen Wesen, hier großspurig und arrogant gar zum „Gott und Vater aller Menschen“ erhoben, irgendetwas bewirken würden. Ist Ihnen wirklich nicht bewusst, dass es schon allein nach einfachster Logik völlig widersinnig ist, ein angeblich allmächtiges, allwissendes Wesen anzubeten?

Sind wir als Christen naiv und unrealistisch mit einer solchen Haltung?

Sie als Christen sind nicht naiv und unrealistisch mit einer Haltung, dass die Menschheit nach wie vor die Chance hat, die Welt als lebenswerten Lebensraum für alle Menschen zu gestalten. Haarsträubend naiv und völlig unrealistisch sind Sie als Christen, wenn Sie Gebete zu einem Kriegsgott aus der Bronzezeit für ein probates Mittel für oder gegen irgendetwas halten.

Trauer und Hoffnung

Nein, denn die die Zukunft gehört nicht der Gewalt, dem Hass und dem Kampf gegeneinander, sondern der Hoffnung, dass die eine Menschheitsfamilie im gemeinsamen Haus der Erde Heimat findet.

Darum bete ich zum Gott und Vater aller Menschen am heutigen Abend.

Merken Sie wirklich nicht, dass Sie hier die Scheinwirklichkeit Ihrer religiösen Wunschwelt und die reale Welt durcheinanderbringen? Wie Sie mit größter Selbstverständlichkeit so tun, als sei Ihr Gott eine reale Größe, jemand, zu dem man sprechen und der einem zuhören würde? Und dem Sie gar noch die Fähigkeit zuschreiben, etwas am Geschehen ändern zu können? Was er aber offensichtlich nicht kann, nicht möchte oder absichtlich nicht macht? Vorausgesetzt, er existiert? Ihre religiösen Wahngedanken in Ehren.  Aber die irdische Wirklichkeit, über die Sie hier sprechen, ist real. Die Toten und Verletzten sind real. Warum hat Ihr lieber Gott trotz Allmacht dieses Leid nicht verhindert? Und auch sonst kein Leid?

Es liegt an der Menschheit, was aus ihr wird. Nicht an Jahwe.

Ihre sicher gut gemeinte Hoffnung bezüglich der Menschheitsfamilie wird zur Farce, wenn Sie dazu Ihren imaginären Freund um Hilfe bitten. Die irdischen Herausforderungen sind real. Ihr Gott Jahwe ist eine menschliche Fiktion aus der Bronzezeit. Bis zum Beweis des Gegenteils ist davon auszugehen, dass Gottheiten nicht existieren. Durch Gebete lösen Sie keine Probleme. Sie verschaffen sich dadurch bestenfalls eine hoffnungsvolle Illusion. Und Sie vernebeln den klaren Blick auf die Wirklichkeit. Egal, wie sich die Menschheit weiterentwickeln wird: Kein Gott hat seine Finger oder was auch immer im Spiel. Es liegt an der Menschheit, was aus ihr wird. Nicht an Jahwe.

Durch Ihre Verkündigung täuschen Sie Menschen und führen sie in die Irre, in dem Sie ihnen vorgaukeln, es gäbe tatsächlich ein überirdisches Wesen, das auf Anfrage seine göttlichen Pläne ändert und ins Geschehen eingreift, wenn es darum gebeten wird. Außer vielleicht in Ihrer Phantasie hat Ihr Gott bis zum Beweis des Gegenteils keinen Einfluss auf der Welten Lauf. Egal, wie sehr Sie ihn darum bitten. Ihre Trauer erscheint in einem seltsamen Licht, wenn Sie die reale Wirklichkeit mit Ihrer religiösen Scheinwelt vermischen.

Wer sich Gedanken über die globale Zukunft machen möchte, sollte die Zeit, in der er fiktive Götter verehrt, besser dazu nutzen, sich mit der realen Welt zu beschäftigen. Trotz vieler Gründe für Trauer gibt es nämlich auch Entwicklungen, die tatsächlich viel positiver sind als von vielen Menschen wahrgenommen. Und nach wie vor besteht die Hoffnung Mensch!**

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
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