Durcheinanderbringen – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Durcheinander

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Durcheinanderbringen – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Durcheinander, gesprochen von Benedikt Welter, veröffentlicht am 21.10.2017 von ARD/daserste.de

Sie wissen schon: die Sache mit dem Apfel. Der eigentlich keiner war. Von einer „Frucht“ – so steht es in der Bibel – , die nicht gegessen werden sollte. Es kam dann anders. Die Schlange redete mit Eva, Eva pflückte die Frucht und Adam biss hinein. Und dann war Schluss mit Paradies. Und es begann das große Durcheinander.*

Ob das, was in der christlichen Lehre als „Sündenfall“ bezeichnet wird, tatsächlich ein Durcheinander zur Folge hatte, ist eine Frage des Standpunktes. Geht man von der biblischen Sage aus, dann dürfte die Geschichte mit dem Apfel den Beginn der Bewusstwerdung des Menschen beschreiben.

Bis dahin verhielten sich die beiden Menschen (bzw. drei, wenn man Lilith berücksichtigt, von der wir im Talmud erfahren, dass sie keine Lust hatte, sich Adam unterzuordnen, weswegen eine devote und sündige Eva erschafft werden musste) so, wie man damals wohl vermutete, dass sich Tiere verhalten: rein instinktiv. Denn die ersten Menschen kannten keine Scham. Und sie stellten wohl auch keine Fragen.

Obstdelikt als Beginn von Durcheinander?

ObstdeliktWenn das Obstdelikt der Beginn von Durcheinander sein soll, dann würde das ja bedeuten, dass vorher Ordnung geherrscht hatte. Nur: Wie sollten Menschen auf die Idee kommen, Gott zu verehren, wenn sie gar nicht in der Lage sind, selbständig zu denken?

Und die Geschichte hat noch einen gewaltigen logischen Haken. Denn wenn die Menschen zunächst noch nicht zwischen „gut“ und „böse“ unterscheiden konnten, wie hätten sie dann wissen sollen, dass es böse ist, das göttliche Verbot zu missachten?

Das wäre ja an sich nicht weiter schlimm. Wen juckt es schon, wenn in einer grotesken Legende (oder, wenn man die Schlange berücksichtigt: Fabel) grobe logische Schnitzer zu finden sind? Doch in diesem Fall waren und sind die Folgen dramatisch. Denn dieses Ereignis war die Grundlage für die Erfindung der „Erbsünde.“ Ein perfides Gedankenkonstrukt, mit dem Menschen bis heute eingeredet wird, sie seien von Geburt an schuldig. Und dementsprechend quasi zwangsläufig Kunden für das christliche Erlösungsangebot.

Wir halten also fest: Solange die Menschen noch ohne Bewusstsein umherwandelten, sich vielleicht über ihren Bauchnabel wunderten und Gott einen lieben Mann sein ließen, war alles in bester Ordnung. Erst durch die streng untersagte Erlangung des (Selbst-)bewusstseins und die Entwicklung von so etwas wie ersten kulturellen Standards kam alles durcheinander.

Paradieslegende: Höchst unlogisch

Freilich entstehen im Zusammenhang mit der Paradiesgeschichte noch viele weitere Fragen, die sich nicht befriedigend beantworten lassen: Wenn Gott alles erschaffen hat, dann ja auch die Schlange.

Wenn Gott allmächtig ist, dann muss auch diese ganze Geschichte Teil seines Allmachtsplanes sein. Wobei Gott gerade im Alten Testament noch nicht wirklich den Eindruck erweckt, auch nur ansatzweise allmächtig zu sein. Von Allgüte und Allwissenheit ganz zu schweigen.

Immer wieder verhält sich der alttestamentarische Gott wie ein schizophrener, rach- und streitsüchtiger Psychopath mit einer Vorliebe für brutalste Gewalt.

Natürlich haben Theologen seit jeher Strategien entwickelt, um diese Absurditäten zu bewältigen. Und versucht, diese Geschichten irgendwie so hinzubiegen, dass sie irgendeine sinnvolle Bedeutung bekommen. Oder zumindest nicht mehr von jedem halbwegs klar denkenden Menschen als blanker Unsinn angesehen werden.

Kurios: Ein Theologe redet von „nebeligen Worten“

Und damit zurück zum Thema:

[…] In Berlin haben die Sondierungen für eine mögliche Regierung begonnen – auch begleitet von eher nebeligen als aufklärenden Worten.

Diese Worte aus dem Mund eines Mannes, der nebulöses Formulieren in Form eines Theologiestudiums von der Pike auf erlernt hat und der eine Weltsicht vertritt, die durch Aufklärung wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, entbehren nicht einer gewissen Komik.

Das Unglück fing vor dem Essen an. Damit, dass die Schlange die Worte Gottes verdreht hat. „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“ Hat er doch gar nicht: „Von dem einen Baum sollt ihr nicht essen“. Das hat er gesagt. Listig, wie die Schlange durch Wortverdrehung Unheil auslöst; die Bibel nimmt das als Bild, um unsere Lage als Menschen zu beschreiben.

Das Unglück hatte doch schon viel früher angefangen. Nämlich damit, dass Gott aus irgendwelchen Gründen seiner bevorzugten Trockennasenaffenart Homo verboten hatte, sich zu sapiens weiterzuentwickeln.

Und als Allmächtigem könnte, ja müsste man ihm wie schon angedeutet ja jederzeit auch Absicht unterstellen. Demzufolge musste die Schlange diese Frage stellen.

Und auch hier wieder: Erfolgreiche religiöse Verkünder sind wahre Meister in der Disziplin „Suggestion“. Suggestivfragen zählen da noch zu den harmloseren Tricks. Denn religiöse Fiktionen werden meist gar nicht als Frage, sondern gleich als Behauptung formuliert.

Teufel als Entschuldigung für Gott

Nämlich dass wir immer wieder solchem teuflischen Handeln ausgesetzt sind. Unser Begriff „Teufel“, aus dem griechischen „Diabolos“ abgeleitet, heißt wörtlich: der Durcheinanderbringer.

Klar: Auch schon zu der Zeit, in der diese Mythen entstanden waren (bei der biblischen Variante handelt es sich nur um ein Plagiat früherer, praktisch gleichlautender Geschichten), war die Welt alles andere als „in Ordnung.“ Dieses Durcheinander konnte man ja schlecht einem allgnädigen Gott zuschreiben.

So bekam der Teufel die Rolle dessen, der für das Durcheinander zuständig war. Und fertig war der Gut-Böse-Dualismus, der bis heute eine grundlegende, fatale Eigenschaft des Christentums, aber auch anderer monotheistischer Religionen ist.

Und solches Durcheinanderbringen scheint alltäglich geworden zu sein in unserer gesellschaftlichen Betriebsamkeit. „Hat Gott wirklich gesagt, ihr müsst alle Fremden aufnehmen?“ „Hat Gott wirklich gesagt, ihr müsst eure Heimat aufgeben, wenn ihr hier leben wollt?“ – das sind so Schlangenfragen heute.

Wer fragt denn heute noch, was Götter gesagt haben sollen? Orientalische Wüstenmythologie hat mit der gegenwärtigen irdischen Wirklichkeit ungefähr noch so viel zu tun wie die Ilias, die Edda oder das Nibelungenlied.

Genauer Nachfragen konnte schon früher lebensgefährlich sein

Und wo jemand sich von solchen Verdrehungen nicht durcheinanderbringen lassen will, sondern genauer nachfragt und verstehen will, da passiert dann so etwas wie die Ermordung von Daphne Caruana Galizia, der Journalistin aus Malta.

Ermordung von Menschen, die genauer nachfragen und verstehen wollen? Das erinnert stark an das Christentum. Jedenfalls an die Zeit, zu der es noch die Macht dazu hatte, Leute, die genauer nachgefragt hatten und verstehen wollten, bevorzugterweise einer Lebend-Feuerbestattung zuzuführen. Detailliert nachzulesen in der 10bändigen Kriminalgeschichte des Christentums.

Und wenn der Großteil des Christentums dank Aufklärung und Säkularisierung heute von der Ermordung von Kritikern und Zweiflern zum Glück zumeist absieht, so reagieren viele Kirchendiener und Funktionäre auch heute noch mitunter allergisch auf kritische Nachfragen.

Gegen die Durcheinanderbringer und deren verführerische Wortverdrehungen hilft meines Erachtens nur Widerstand. Ein Widerstand mit klarem Verstand und in der unumstößlichen Hoffnung, dass es Möglichkeiten gibt, den und die Durcheinanderbringer und ihre destruktiven Methoden zu entlarven.

Jemand, der Menschen mit einem wunschgemäß uminterpretierten fiktiven Belohnungs-Bestrafungskonzept in die Irre führt, appelliert zu Widerstand mit klarem Verstand gegen verfüherirsche Wortverdrehungen. Mehr Durcheinander geht ja eigentlich nicht.

Warnung von einem, der es wissen muss

Dem Zerstörerischen nicht auf den Leim gehen!

Und auch nicht denen, die eine bestenfalls hoffnungsvolle Illusion als übergeordnete Wahrheit verkaufen! Die aus ihrer biblischen Grundlage nur das herauspicken, was ihnen in den Kram passt. Und den Rest als „auch anwendbar für jemanden, der ganz gut ohne Gott zurecht kommt“ darstellen:

Ein Instrument dafür beschreibt der Hl. Apostel Paulus so: „Schließlich: Was immer wahrhaft, edel und recht ist, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht!“ (Phil 4, 8). Der Satz ist übrigens auch anwendbar für jemanden, der ganz gut ohne Gott zurecht kommt.

Denn aus diesem Appell geht nicht hervor, was Paulus unter „Wahrheit“ versteht. Das steht einen Satz vor der herausgepickten Stelle:

  • Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren. (Phi 4,7 LUT)

Die hier als wahrhafte, edle und rechte, lautere, liebenswerte, ansprechende, tugendhafte und lobenswerte gepriesene Wahrheit ist also in Wahrheit keine Wahrheit. Vielmehr ruft Paulus dazu auf, Dinge für wahr zu halten, die redlicher- und vernünftigerweise nicht als wahr zu bezeichnen sind.

Weder innerhalb der biblischen Mythologie, geschweigedenn in der wirklichen Welt existiert ein „Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft.“ Und um diesen Gott geht es hier.

Damit kann die Frucht, von der zu Essen sich nicht lohnen wird, getrost hängen bleiben.

Um nicht ein Durcheinander religiöser Gefühle zu verursachen, greife ich jetzt das „…kann getrost hängen bleiben“ nicht für meine blasphemische These auf, die mir spontan dazu einfällt. Sondern schlage stattdessen vor:

Damit kann das christliche Heilsversprechen, an das zu glauben sich nicht lohnen wird, getrost vergessen werden.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag zum Thema Durcheinander.
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