Etwas Echtes erleben – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 6 Min.

Etwas Echtes erleben – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Alfred Buß (ev.), veröffentlicht am 7. Oktober 2017 von ARD/daserste.de

Der Titel vom heutigen „Wort zum Sonntag“ klingt erstmal vielversprechend: Ist es Herrn Alfred Buß vielleicht als erstem Menschen gelungen, seinen Gott „echt erlebbar“ zu machen?

etwas EchtesAlso nicht etwa nur in Form von angenehmen, subjektiven Gefühlen, die von Gläubigen gerne als „Beweis“ für die Echtheit ihres Gottes angesehen werden? Oder aufgrund von biblischen Mythen und Legenden, die Christen ebenfalls gerne als Beleg dafür nennen, dass ihr Gott „etwas Echtes“ sein soll?

Nein, um einen Gottesbeweis geht’s diesmal nicht. Vielmehr folgt auch das heutige „Wort zum Sonntag“ dem einfachen, wohlbekannten Schema: Beklage dich über einen Missstand, schiebe den „schwarzen Peter“ jemandem zu und bringe irgendwie noch deine Gottesvorstellung unter. Und rücke diesen Gott nach Möglichkeit noch ins „rechte Licht.“

Lebensmittelkunde im Wort zum Sonntag

Diesmal gehts um den Umgang mit Lebensmitteln. Herr Buß beklagt die Situation, dass immer mehr Kinder, aber auch Erwachsene industriell hergestellte Lebensmittel als „etwas Echtes“ erleben. Schuld sei die Lebensmittelindustrie, die die Verbraucher täuscht:

Das Echte verblasst immer mehr. Wir kaufen ein und haben keine Ahnung, was da wirklich drin ist: Ein Becher Erdbeerjoghurt lässt sich spielend herstellen mit nur einer halben Erdbeere: Man nehme dazu einen Schuss Farbstoff für die Optik, ausreichend Zucker für das Süße und Cremige und gebe zwei Tropfen Erdbeeraroma hinzu – und schon schmeckt es, als ob es ein Joghurt mit Erdbeeren wäre. Als ob.

Wie war das mit dem Splitter im Auge des Bruders und dem Balken im eigenen Auge?

Bezogen auf den christlichen Glauben könnte das dann etwa so lauten:

  • Wir glauben etwas und haben keine Ahnung, was da wirklich drin ist: Eine hoffnungsvolle Illusion lässt sich spielend herstellen mit nur einer Mythen- und Legendensammlung aus der Bronzezeit und aus dem Vormittelalter: Man nehme dazu einen Gottessohn für die Optik, ausreichend theologisches Geschwurbel für das Bedeutsame und Hoffnungsvolle und gebe zwei Tropfen heiligen Wohlfühl-Geist hinzu – und schon fühlt es sich an, als ob es etwas Echtes wäre. Als ob.

…und wie war das noch gleich mit der Verwandlung von Backoblaten und Rotwein in menschliches Fleisch und Blut…?

Religiöse Glaubenslehre: Immer nur „Als ob“

Täuschend echt eben. Und schlichte Realität in der hiesigen Lebensmittelindustrie. Täuschend echt, wie so vieles im Alltagserleben: Gefälschte Arzneimittel, unsaubere Abgaswerte, frei erfundene Nachrichten – immer nur „Als ob“.

Täuschend echt war für viele Jahrhunderte auch die Glaubenslehre, die die christlichen Kirchen verbreiten. Dabei zählen auch Götter, Geister und Gottessöhne zur Kategorie „frei erfunden.“ Nichts Echtes – nur von Menschen ausgedacht.

Denn was macht „etwas Echtes“ eigentlich aus? Wikipedia hilft weiter (Hervorhebung von mir):

  • Die Echtheit ist der Grad der Übereinstimmung zwischen einer Tatsache und deren Darstellung. Die Darstellung ist umso echter, je genauer sie die Tatsache widerspiegelt. Bei Gegenständen bezeichnet die Echtheit die Übereinstimmung zwischen Original und Kopie. Daraus bestimmt sich auch der Nutzen als geschichtlicher oder rechtlicher Beweis. In der Philosophie entspricht diesem Konzept die Wahrheit. (Quelle: Wikipedia)

Es ist nur schwer vorstellbar, dass Herr Buß industriell hergestellte Lebensmittel zwar zuverlässig als etwas „nicht Echtes“ entlarven kann, seine Glaubensinhalte aber nicht, wie später noch zu sehen sein wird. Trotzdem scheint genau das der Fall zu sein. Denn Götter stimmen nicht mit den Tatsachen überein. Noch viel weniger, als ein Industriejoghurt mit „echtem“ Joghurt übereinstimmt.

Denn den industriell hergestellten Joghurt gibt’s immerhin. Trotz Geschmacksverstärker und künstlichen Aromen handelt sich dabei also um etwas viel mehr „Echtes“ als bei dem von Herrn Buß verkündeten Gott.

Exkurs: Echtes Essen erkennen

Abgesehen davon: Der Trend zu gesunder und bewusster Ernährung hat in den letzten Jahren hierzulande stärker zugenommen als je zuvor. So haben etwa vegetarische und vegane Produkte längst Einzug in die Lebensmittelsortimente aller Händler gehalten.

Auch die Zahl der verkauften Kochbücher mit vegetarischen und veganen Gerichten ist ebenso stark gestiegen wie die der Restaurants, die solches Essen anbieten. Und auch die Zahl derer, die auf gesunde Ernährung achten.

Der Naturkostfachhandel boomt ebenso wie die Nachfrage nach Bioprodukten. Eine Übersicht mit vielen Fakten und aktuellen Zahlen zu diesem Thema gibts in dieser PDF-Broschüre, veröffentlicht vom „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.“

Kunden können sich heute über die Inhaltsstoffe anhand der aufgedruckten Tabellen informieren. Erst kürzlich war hier nachgebessert worden:

  • Schon seit Mitte Dezember [2016] müssen Hersteller bei verpackten Lebensmitteln besser über die Nährwerte informieren. Mit wenigen Ausnahmen müssen auf allen Produktverpackungen die Angaben Brennwert, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salzgehalt stehen. […] (Quelle: augsburger-allgemeine.de)

Wer über die Grundlagen der gesunden Ernährung aufgeklärt wurde, kann also inzwischen schon während des Einkaufes prüfen, was in seinen Lebensmitteln drinsteckt. Und wer sich wirklich gesund ernähren möchte, sollte besonders kritisch prüfen, was er zu sich nimmt. Denn noch können Hersteller die Inhaltsstoffe für eine beliebig von ihnen festgelegte Menge („Portion“) angegeben. Das macht einen Vergleich nicht gerade einfacher…

Auch von bestimmten Formulierungen sollte man sich nicht in die Irre führen lassen: Zum Beispiel bedeutet „fettarm“ nicht automatisch auch „gesund.“ Besonders in fettarmen Produkten steckt häufig extra viel Zucker.

Das dürfte sich in Zukunft sogar noch verschlimmern, weil zum 1. Oktober 2017 fast unbemerkt von der öffentlichen Wahrnehmung die Zuckerquote abgeschafft worden war. Dadurch wird der Zuckerpreis noch weiter sinken, was zur Folge haben wird, dass noch mehr Zucker in Lebensmitteln landet.

Ein Ampelsystem, das besonders ungesunde Lebensmittel noch leichter erkennbar machen würde, konnte die durch ihre Politiker vertretene Lobby bislang noch erfolgreich verhindern.

Bezug zum wirklichen Leben

Aber zurück zum Wort zum Sonntag:

Wenn aber ein Mensch nicht mehr weiß, was echt ist und was Täuschung, verliert er den Bezug zum wirklichen Leben.

Stimmt, Herr Buß! Denn das ist einer der Hauptgründe für Glaubenskritik: Glauben im religiösen Sinne heißt, Dinge für wahr zu halten, die objektiv betrachtet nicht wahr sind. Je kritikloser jemand bereit ist, diese erfundenen Behauptungen für wahr zu halten, umso frommer und tugendhafter gilt er aus religiöser Sicht.

Religiöser Glaube korrumpiert das klare, kritische Denken. Und trotzdem ist es natürlich jedem selbst überlassen, wie er sich seine persönliche Wirklichkeit gestaltet.

Wer sich aber wie Herr Buß beschwert, dass manche Lebensmittel heute nichts mehr „Echtes“ seien, dann sollte er doch diese Echtheitsprüfung auch mal auf das anwenden, was er als Pfarrer den Menschen so erzählt.

Deshalb war ich richtig froh, als ich jetzt die „Kleinen Ackerdemiker“ traf. Im Februar/März haben sie im Unterricht viel übers Säen und Pflanzen gelernt. Und dann den Acker bestellt. Und im Laufe des Sommers erfahren, wie viel eingehende Pflege Gemüse braucht. […] Ja, sie bekamen sogar eine Vorstellung davon, wie es einem Tomatenbauer in Spanien zumute sein könnte.

Was Herr Buß hier beschreibt, ist eine sehr praxisnahe Auseinandersetzung mit der irdischen, natürlichen Wirklichkeit. In diesen Vorgängen haben keine Götter ihre Finger oder was auch immer im Spiel.

Irgendwo muss Gott noch rein

Auch wenn Herr Buß seinen Gott diesmal erst ganz am Ende in seine Verkündigung hineingeschmuggelt hat: Das ist das, worauf er eigentlich hinauswill. Denn das „Wort zum Sonntag“ ist immernoch eine religiöse Verkündigungssendung. Und keine Ernährungsberatung.

[…] Wenn ein Mensch unterscheiden kann, was echt ist und was täuscht, kommt ihm auch wieder nah, was das Leben trägt. Und wer.

Wenn ein Mensch unterscheiden kann, was echt ist und was täuscht, dann wird er auch erkennen, was das Leben nicht trägt. Und wer nicht.

Hier haben wir ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie religiöse Verkündiger versuchen, mit einer möglichst nebulösen Sprache und verunklarenden, verklärenden Formulierungen das zu umschreiben, was bei Lichte betrachtet nichts „Echtes“ ist: „Es gibt meinen Gott und er spielt eine wichtige Rolle.“

Weil eine solche Aussage heute von den meisten Menschen aber unschwer als frei erfunden erkannt werden würde, gilt es, die Message möglichst unverfänglich zu umschreiben. Oder, um im Bild zu bleiben, sie möglichst leicht verdaulich zuzubereiten.

Viele Theologen haben es längst aufgegeben, Glaubensgewissheiten noch als etwas auszugeben, das verstandesmäßig erfass- und somit als etwas Echtes erkennbar wäre.

Herr Buß sieht das offenbar anders. Und meint wohl allen Ernstes, man könne Gott mit den Mitteln des rationalen, skeptischen Denkens in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem irdischen Geschehen bringen.

Das kann allerdings nur gelingen, wenn man zumindest in der Frage nach der Existenz Gottes auf die sonst überall bestens bewährte Unterscheidung zwischen Echt und Täuschung verzichtet.

Kinder vor absurder religiöser Mythologie verschonen

So feierten wir mit den Kindern Erntedank. Und hörten den alten Psalm vor dem Hintergrund ihrer Acker-Erfahrungen: „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel. Du hast sie alle weise geordnet. Und die Erde ist voll deiner Güter.“ Das war echtes Erleben.

Da hat sich der gemeinnützige Verein „Ackerdemia“ einen ganzen Sommer lang bemüht, den Kindern nahezubringen, wie „echtes“ Gemüse wächst und wie es schmeckt. Und dann kommt Herr Buß und erzählt, dass die Erde „voll deiner Güter“ sei, die Gott „alle weise geordnet“ habe.

Wie oben schon angedeutet: Selbstverständlich ist es Herrn Buß‘ höchstpersönliche Privatangelegenheit, was er für „Echtes“ hält und was nicht. Wenn ihm der offensichtliche, tiefe, redlicherweise unüberwindbare Graben zwischen natürlicher, beobachtbarer Wirklichkeit und orientalischer Mythologie keine Schmerzen bereitet – warum nicht.

Doch Kindern solche Absurditäten zu verkünden, halte ich für höchst frag- und kritikwürdig. Noch dazu, dass vier Zeilen unter der hier zitierten Bibelstelle das hier zu lesen ist:

  • Die Sünder sollen ein Ende nehmen auf Erden / und die Gottlosen nicht mehr sein. Lobe den HERRN, meine Seele! Halleluja! (Psalm 104, 35 LUT)

Suchen auch Sie das Echte!

Bitteschön:

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
**Wir haben keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.

FacebooktwitterredditpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterredditpinterestlinkedintumblrmail

Deine Gedanken dazu?

Fragen, Lob, Kritik, Ergänzungen, Korrekturen: Trage mit deinen Gedanken zu diesem Artikel mit einem Kommentar bei!

Wenn dir der Artikel gefallen hat, freuen wir uns über eine kleine Spende in die Kaffeekasse.

Bitte beachte beim Kommentieren:

  • Vermeide bitte vulgäre Ausdrücke und persönliche Beleidigungen (auch wenns manchmal schwer fällt...).
  • Kennzeichne Zitate bitte als solche und gib die Quelle/n an.
  • Wir behalten uns vor, rechtlich bedenkliche oder anstößige Kommentare nicht zu veröffentlichen.

1 Gedanke zu „Etwas Echtes erleben – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Ach ja: Der Leib Christi lässt sich spielend herstellen mit nur einer Oblate … Beruhigend, dass es in einer Welt voller Mogelpackungen echte Dinge wie Religion gibt. Was würden wir ohne derartige Realitätsanker nur machen? 😜

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Ressourcen

Gastbeiträge geben die Meinung der Gastautoren wieder.

Wikipedia-Zitate werden unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike veröffentlicht.

AWQ unterstützen

Jetzt einfach, schnell und sicher online bezahlen – mit PayPal.

Wir haben, wenn nicht anders angegeben, keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.

Neuester Kommentar