Halloween 2017: Jaja, Frau Käßmann…

Lesezeit: ~ 5 Min.

Margot Käßmann, Botschafterin der evangelischen Kirche für das Reformationsjubiläum, sagte in der „Rhein-Neckar-Zeitung“ über Halloween:

„Das ist ein reines Kommerzfest. Mir tut das leid, denn Luther wollte uns ja nun gerade von der Angst vor Geistern befreien.“

Käßmann Halloween

Kein Wunder: Sicher fürchtet Frau Käßmann den Verlust der Deutungshoheit über das Halloween-Fest. Das der Religionsethnologe Sir James Frazer in seinem Standardwerk The Golden Bough (in der Ausgabe von 1922) als „altes heidnisches Totenfest mit einer dünnen christlichen Hülle“ (Quelle: Wikipedia) bezeichnete.

Es scheint Frau Käßmann nicht entgangen zu sein, dass ein Gruselfest populärer ist als die Erinnerung an das Lebenswerk Luthers. Der heute gerne zum universellen „Befreier“ von allem Möglichen verklärt wird.

Und das dann auch noch ausgerechnet zum Abschluss der „Lutherdekade“ im Jahr des 500jährigen Reformationsjubiläums: Offenbar haben rund 250 Millionen Euro Steuergelder, mit denen die Promotion des Reformators, Juden-, Frauen- und Bauernhassers Dr. Martin Luther subventioniert worden war nicht gereicht, um diesem und seinem Lebenswerk auch nur ansatzweise die erhoffte Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Nebenbei: Die Kirchen profitieren doch prächtig von der Kommerzialisierung ihrer Feste. Der Geburtstag oder die Hinrichtung des Gottessohnes wären sicher längst in Vergessenheit geraten, gäbe es nicht zeitgleich ganz weltliche Rituale, die auch „U-Boot-Christen“, Un- und Andersgläubige beibehalten. Also sogar auch die, die mit den Inhalten, die das Christentum früheren Festen übergestülpt hatte, kaum noch etwas oder auch gar nichts am Hut haben.

Umgekehrt spielen Feste ohne solche kommerziellen Begleiterscheinungen für weite Teile der Bevölkerung hierzulande heute kaum noch irgendeine Rolle. Wie zum Beispiel Pfingsten.

So why worry now, Frau Käßmann?

Zombies in der Bibel

Dass auch das christliche Weltbild auf einem mythologischen Geisterglauben beruht, könnte man dabei glatt übersehen. Dabei ist dieser auch in der evangelischen Lesart nach wie vor fest verankert (Hervorhebung von mir):

  • Ebenso wird gelehrt, daß Gott, der Sohn, Mensch geworden ist, geboren aus der reinen Jungfrau Maria, und daß die zwei Naturen, die göttliche und die menschliche, also in einer Person untrennbar vereinigt, ein Christus sind, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist, wahrhaftig geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben, daß er ein Opfer nicht allein für die Erbsünde, sondern auch für alle anderen Sünden war und Gottes Zorn versöhnte, ebenso daß dieser Christus hinabgestiegen ist zur Hölle (Unterwelt), am dritten Tage wahrhaftig auferstanden ist von den Toten und aufgefahren ist in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, daß er ewig über alle Geschöpfe herrsche und regiere; daß er alle, die an ihn glauben, durch den Heiligen Geist heilige, reinige, stärke und tröste, ihnen auch Leben und allerlei Gaben und Güter austeile und sie schütze und beschimme gegen den Teufel und die Sünde; daß dieser Herr Christus am Ende öffentlich kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten usw. laut dem Apostolischen Glaubensbekenntnis. (Augsburger Bekenntnis, Art. 3)

Berechtigte Angst vor Geistern, Frau Käßmann?

Und kein Zweifel besteht daran, dass zumindest gottlose Menschen diesen Wüstengott mit seinen drei Persönlichkeiten sehr wohl zu fürchten hätten. Wenn sie denn an ihn glauben würden (Hervorhebung von mir):

  • Auch wird gelehrt, daß unser Herr Jesus Christus am Jüngsten Tag kommen wird, um zu richten und alle Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude zu geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und zur ewigen Strafe verdammen wird. Deshalb werden die verworfen, die lehren, daß die Teufel und die verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden. (Augsburger Bekenntnis, Art. 17)

Hier wimmelt es also nicht nur vor Zombies, von auferweckten Untoten. Obendrein gibts ewige Pein und Qual für alle verdammten Menschen.

Das erinnert mich an diese kleine Ankedote:

  • Eskimo:** „Wenn ich nichts von Gott und der Sünde wüsste, müsste ich dann in die Hölle gehen?“
  • Missionar: „Nein, wenn Du nichts davon wüsstest, dann nicht.“
  • Eskimo: „Warum erzählst Du es mir dann?“

Die Welt von Geisterangst befreien – und von Juden

Die Welt befreien wollte Luther hingegen nicht nur von Geistern. Sondern zum Beispiel auch von Juden:

  • „Ich will meinen treuen Rat geben. Erstlich, dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich..  Zum andern, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben eben dasselbige darin, was sie in ihren Schulen treiben …“
    (Luther: Handbuch der Judenfrage, S. 233-238)
  • „Wie es unmöglich ist, dass die Aglaster ihr Hüpfen und Getzen lässt, die Schlange ihr Stechen: so wenig lässt der Jüde von seinem Sinn, Christen umzubringen, wo er nur kann.“
    (Tischreden. Erlanger Ausgabe der Werke Luthers, Bd. 62, S. 375)
  • Darum der Juden Maul soll nicht wert gehalten werden bei uns Christen, dass es Gott sollte vor unseren Ohren nennen. Sondern wer es vom Juden hört, dass er´s der Obrigkeit anzeige oder mit Saudreck auf ihn werfe, sofern er ihn sieht und von sich jage. Und sei hierin niemand barmherzig noch gütig, denn es trifft Gottes Ehre und unser aller (der Juden auch) Seligkeit an. (Von den Juden und ihren Lügen, Erstausgabe Wittenberg 1543, S. 99)
  • “Wenn ich einen Juden Taufe, will ich ihn an die Elbbrücken führen, einen Stein um den Hals Hängen, ihn hinabstoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams”.
    (Martin Luther: Tischrede 1795)

Befreiung von Hexen

Luthers fixe Idee, die Menschheit vor der Angst vor weiblichen Geisterkräften rigoros zu befreien, dürfte Frau Käßmann ebenfalls in die Bredouille bringen. Wenn sie das Thema „Luther und die Hexenverfolgung“ nicht einfach unter den Tisch kehren würde (Hervorhebung von mir):

  • „Der Volksmund nennt sie die Weisen Frauen. …Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen … Sie können ein Kind verzaubern … Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird … Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann … Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder … Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“ (Predigt vom 6. Mai 1526, WA 16, 551f.)

Ob Frau Käßmann das gemeint hat, wenn sie behauptet, Luther habe uns vor der Angst vor Geistern befreien wollen?

Katholische Kirche in Polen warnt eindringlich vor Halloween

Während sich Frau Käßmann eher Sorgen um die Relevanz ihres Reformationstages macht, hat die katholische Fraktion des Christentums mit Halloween offenbar ein richtig handfestes Problem. Katholische polnische Exorzisten entblöden sich nicht, eindringlich vor Halloween zu warnen, was katholisch.de für eine berichtenswerte Nachricht zu halten scheint:

  • Polnische Exorzisten betonten, Halloween sei „kein unschuldiger, sorgloser Spaß“. Es bestehe die Gefahr, dass so „böse Geister“ einzögen. „Der Teufel ist nicht lustig“, mahnten sie. (Quelle: katholisch.de)

Falls diese Zeilen irgendwann in ferner Zukunft mal einem menschheitsgeschichtlich interessierten Wesen in die Hand fallen sollten: Dieser Satz war tatsächlich am 30. Oktober 2017 online im Internet veröffentlicht worden. Kein Witz (vermutlich).

*Quelle des Bildzitates von Frau Käßmann im Meme: Spiegel Online

**Eskimo ist die Sammelbezeichnung für die indigenen Völker im nördlichen Polargebiet, deren Siedlungsgebiet sich von Nordostsibirien über die Beringstraße und die arktischen Regionen Alaskas und Kanadas bis nach Grönland erstreckt. Ähnlich wie Bezeichnungen wie „Indianer“ oder „Neger“ hat auch die Bezeichnung „Eskimo“ heute eine abwertende Konnotation; der Begriff „Eskimo“ ist hier nicht abwertend gemeint, sondern verwendet, um die Anekdote in ihrer ursprünglichen Formulierung wiederzugeben.

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1 Gedanke zu „Halloween 2017: Jaja, Frau Käßmann…“

  1. Wieder einmal treffen Sie ins Schwarze, lieber Herr Niedermeier. Wenn im Jahr 2017 die Vertreterin einer der größeren christlichen Kirchen in Deutschland den Trend zur Kommerzialisierung kritisiert, dann ist das so angebracht und glaubwürdig wie eine Beschwerde der Münchner Oktoberfestwirte, dass auf der Wiesn zu viel gesoffen würde.

    Übrigens: Von katholischer Seite wurde bereits mehrfach in aller Schärfe und Eindringlichkeit vor den Büchern um Harry Potter gewarnt ….

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