Wem für die Ernte danken? – Gedanken zu: Landeserntedankfest: Christen verschiedener Konfessionen glücklich vereint

Lesezeit: ~ 5 Min.

Wem für die Ernte danken? – Gedanken zu: Landeserntedankfest: Christen verschiedener Konfessionen glücklich vereint, Originalbeitrag verfasst von Miriam Rommel, veröffentlicht am 16.10.2017 von osthessennews.de

Rund 400 Gäste aus ganz Hessen, darunter zahlreiche Vertreter aus der Kommunal- und Landespolitik sowie aus den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereichen feierten am Sonntag gemeinsam das Landeserntedankfest mit einem großen ökumenischen Gottesdienst im Hohen Dom zu Fulda.

[…] Die Wintermonate und das Frühjahr waren viel zu trocken, Hagel und Sturmböen richteten in einzelnen Gemarkungen große Schäden an. Unbeständiges Wetter im Juli und August mit heftigen Gewittern und Starkregen führte dazu, dass die Getreideernte immer wieder unterbrochen werden musste. Nicht nur die Qualität des Getreides, sondern auch die Nerven der Landwirte haben darunter gelitten.

Wir halten fest: Die Wetterbedingungen, also das, worauf die Landwirte keinen unmittelbaren Einfluss haben und wovon aber maßgeblich ihr Ernteerfolg abhängt, waren dieses Jahr hierzulande alles andere als optimal.

Dem lieben Herrgott danken – aber wofür eigentlich?

[…] Mit einer Gesamterntemenge bei Getreide von mehr als zwei Millionen Tonnen bewege man sich mengenmäßig auf dem Niveau der letzten Jahre. „Grund genug, dem lieben Herrgott dafür zu danken“, meinte nicht nur Weber.

ErnteWofür genau meinte nicht nur Herr Weber, dem lieben Herrgott danken zu müssen? Wenn es doch den Landwirten zu verdanken ist, dass sie trotz widriger Wetterbedingungen eine zumindest doch noch befriedigende Ernte einfahren konnten? Und wenn gleichzeitig täglich tausende Kinder auf der Welt verhungern?

Wie wäre die Ernte wahrscheinlich ausgefallen, wenn sich die Landwirte tatsächlich auf göttliche Unterstützung verlassen hätten?

Warum sorgt ein angeblich allmächtiger, allgütiger und allwissender Gott nicht einfach für besseres Wetter? Ein Gott, der vor seiner Tätigkeit als „Lieber Gott“ der Christen vermutlich ja sogar mal als Wettergott tätig war, wenn man etlichen Bibelstellen Glauben schenkt? Und der sich demzufolge mit Wetter auskennen müsste?

Schließlich könnten die Vertreter der von ihm bevorzugten Trockennasenaffenart ihn noch viel inbrünstiger verehren, wenn sie sich vorher ordentlich satt gegessen haben…

Konnte er nicht oder wollte er nicht? Dann ist er entweder nicht allmächtig oder nicht allgütig.

Objektiv und rational betrachtet spricht nichts dafür, dass irgendwelche Götter ins irdische Geschehen eingreifen. Jedenfalls lässt sich nichts in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Einfluss irgendwelcher übernatürlicher Wesen bringen. Sowas kann man sich freilich ausdenken, es behaupten und so tun, als ob. Nur: mit der natürlichen Wirklichkeit hat dies nichts zu tun.

Getreide: Ein Geschenk des Himmels?

Die Sitzplätze im Dom waren komplett gefüllt, einige der Gottesdienstbesucher verharrten stehend in den Gängen.

Diese Information darf natürlich nicht fehlen. Nicht dass noch jemand auf die Idee kommt, Hessens Landwirte hätten die hoffnungsvolle Illusion durchschaut… Wobei: 400 Teilnehmer sind für ein Landeserntedankfest freilich auch nicht so wahnsinnig viele, bei knapp 17.000 landwirtschaftlichen Betrieben in Hessen (Stand 2013, Quelle: osthessennews).

Dazu kommt noch, dass es sogar erforderlich war, auch noch die Anhänger der evangelischen Abspaltung dazuzunehmen, um den Dom vollzubekommen. Was vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre, wird heute stets als bemerkenswerte Leistung der Ökumene verkauft.  Man brüstet sich gerne jedes Mal damit, wenn man die Schafe mal über den Graben springen lässt, den man selbst gegraben hat.

Nachdem Weihbischof Professor Dr. Karlheinz Diez alle Anwesenden begrüßte, erinnerte Propst Bernd Böttner daran, dass Brot beziehungsweise Getreide ein Geschenk des Himmels sei. „Brot ist eine Frucht der Erde und ein Erzeugnis des Menschen.“

Warum kommt dann im Satz „Brot ist eine Frucht der Erde und ein Erzeugnis des Menschen“ das Wort „Himmel“ gar nicht vor? Wenn ein Propst der katholischen Kirche solches äußert, dann meint er mit „Himmel“ vermutlich nicht die Stratosphäre, durch die Regen und Sonnenschein auf die Erde gelangt. Vielmehr soll damit wohl der Eindruck erweckt werden, Gott habe seine Finger oder was auch immer im Spiel.

Eigentlich scheint ers zu wissen…

Erst durch das Zusammenspiel zwischen Erde und Leben, Sonne und Luft wachse das Korn Richtung Licht.

Offensichtlich scheint Herr Böttner also doch zu wissen, wie das mit dem Leben auf der Erde tatsächlich funktioniert. Mit Nichtwissen kann man es also nicht entschuldigen, dass er göttliches Wirken ins Spiel bringen muss – weil er es ja besser weiß. Ansonsten hätte man ihm zugute halten können, dass er es sich vielleicht einfach nicht anders erklären kann, warum das Getreide wächst, wenn man als Landwirt alles richtig macht. Und wenn man vor gravierenden Wetterkatastrophen verschont bleibt.

Damit wäre eigentlich alles gesagt. Aber irgendwie muss jetzt freilich noch Gott ins Spiel kommen. Schließlich wäre es ja auch seltsam, wenn sich Menschen im Gotteshaus versammeln um ihrem Gott für etwas zu danken, mit dem er gar nichts zu tun hat. Das scheint auch Herrn Böttner bewusst zu sein. Und so verkündet er wider besseres Wissen:

[…] „Gott schenkt uns, was wir zum Leben brauchen.“

Wäre Herr Böttner nun kein katholischer Propst im 21. Jahrhundert, sondern zum Beispiel ein aztekischer Hilfspriester im 15. Jahrhundert, dann wäre eine solche Aussage durchaus nachvollziehbar. Damals wussten es die Leute einfach noch nicht besser. Und deshalb war die Annahme, Lebensmittel seien Geschenke von Göttern, einfach die plausibelste Erklärung für ansonsten unerklärliche Vorgänge.

Opfern für eine reiche Ernte

Der Mechanismus ist einfach zu durchschauen: Man opferte Göttern mit der Bitte, für eine reiche Ernte zu sorgen. Fiel die Ernte dann gut aus, sah man darin eine Bestätigung, dass das Opfer gewirkt hätte. Eine Missernte wurde als Zeichen dafür gedeutet, dass vermutlich nicht genug geopfert worden war. Oder dass die Götter damit ein sonstiges Fehlverhalten bestrafen würden.

Dass sich auch 2017 noch 400 Menschen im Fuldaer Dom versammeln, die diesen wahrlich nicht schwer zu durchschauenden Selbstbetrug immernoch für bedeutsam halten, ist für mich nur schwer nachvollziehbar.

[…] Somit sei das Brot auch ein Zeichen der Gemeinschaft, die Freude, Anerkennung und auch Trost spende. „Gott schenkt uns was unser Leben trägt. Nahrung, Hoffnung, Freude, Mut, Zuversicht und so vieles mehr, was unser Herz erwärmt.“

Beten
Quelle: Facebook

Eine solche Behauptung ist nicht nur bar jeder Vernunft. Sie erscheint auch höchst arrogant und ignorant, wenn man bedenkt, wie viele Menschen auf der Erde täglich beobachtbar eben nicht von diesem Gott beschenkt werden. Und zwar unabhängig davon, ob und wenn ja an welche Götter sie glauben.

Ganz offensichtlich beschenkt Gott zufälligerweise nur die Menschen, denen es gelingt, trotz schwieriger klimatischer oder sonstig misslicher Bedingungen Lebensmittel zu produzieren.

Also die, denen zumindest ausreichend fruchtbarer Boden, gutes Saatgut, Dünger, die Gerätschaften und das Fachwissen zur Verfügung steht, das man braucht, um eine reiche Ernte einzufahren.

Wer zum Beispiel in der Sahelzone oder in der Antarktis lebt und vielleicht sogar noch viel stärker auf denselben Gott vertraut als ein hessischer Landwirt: Seine Ernte wird sicher nicht so reichhaltig ausfallen wie die in den gemäßigten Breiten Mitteleuropas.

Massiver Realitätsverlust

Kaum vorstellbar, wie ein erwachsener, ansonsten vermutlich aufgeklärt denkender Mensch im 21. Jahrhundert zwar einerseits zu wissen scheint, dass es die Gemeinschaft ist, die Freude, Anerkennung und auch Trost spenden kann.

Um einen Satz später zu behaupten, es handle sich dabei um das Geschenk eines bestimmten Wüstengottes, den sich die Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten und dessen angebliche Existenz lediglich auf Behauptungen in einer absurden Mythen- und Legendensammlung eines nomadischen Hirtenvolkes aus dem Orient beruht.

Danke, Jesus...
Quelle: Facebook

Es wäre interessant zu erfahren, was die Landwirte oder Bäcker, die mit der Herstellung von Lebensmitteln ihr Geld verdienen dazu sagen würden, wenn ein Vertreter irgendeiner anderen Religion behaupten würde, ihre Lebensmittel seien ein Geschenk ihres Gottes. Und wie sie diese Leute davon überzeugen würden, dass es in Wirklichkeit ihr Gott war, der die Spendierhosen anhat.

Ganz abgesehen davon ist es sowieso völlig unlogisch und widersinnig, ein angeblich allmächtiges, allgütiges und allwissendes Wesen um irgendetwas zu bitten oder ihm für irgendetwas zu danken. Entweder ist eine reiche Ernte Teil des göttlichen Allmachtsplanes. Oder eben der Ernteausfall.

Würde ein allmächtiger Gott den Ernteerfolg davon abhängig machen, ob und wie sehr ihm dafür gedankt wird, wäre er ein selbstsüchtiger Sadist.

Man kann auch im Zusammenhang mit der Ernte jegliche Gottesvorstellung ersatz- und folgenlos streichen. Und stattdessen den Menschen danken, die Lebensmittel produzieren und denen, die sich für den Klimaschutz und für gerechte Verteilung einsetzen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag von Osthessennews.
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1 Gedanke zu „Wem für die Ernte danken? – Gedanken zu: Landeserntedankfest: Christen verschiedener Konfessionen glücklich vereint“

  1. Vielleicht steckt folgendes System dahinter:
    – Keine besonderen Vorkommnisse bzw. nur moderate Ärgernisse: Dankgottesdienst.
    – Naturkatastrophe, Nachbardorf kaputt, eigenes Dorf intakt: Dankgottesdienst.
    – Naturkatastrophe, eigenes Dorf kaputt: Bußgottesdienst.
    – Grundsätzlich 1 Jahr danach: Gedenkgottesdienst.

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