Lob des Unspektakulären – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 5 Min.

Lob des Unspektakulären – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Wolfgang Beck, veröffentlicht am 26.10.2024 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Dass die Bibel über die ersten 30 Lebensjahre des Gottessohns so gut wie nichts zu berichten weiß, deutet Pfarrer Beck als Zeichen für „eine große Liebe und Wertschätzung für das normale, für das alltägliche und unspektakuläre Leben.“

Der Plauderteil im heutigen „Wort zum Sonntag“ präsentiert sich, passend zum Thema, unspektakulär.

Es mag zunächst banal klingen – weil es banal ist

Gegen Ende konstruiert sich Pfarrer Wolfgang Beck aus seinem vorausgegangenen Lob des Gewöhnlichen, Unspektakulären dann noch einen Zusammenhang mit dem Gottessohn aus der biblisch-christlichen Mythologie:

[…] Es mag zunächst banal klingen. Für mich steckt darin aber eine Wertschätzung für das Kleine, für das Alltägliche. Vieles ereignet sich ja ohnehin, ohne dass Menschen das als etwas Besonderes wahrnehmen. Es ist eben ein bisschen wir bei Jesus, von dem wir auch in der Bibel nur sehr wenig Informationen vorfinden. Erst nach dreißig Lebensjahren nehmen Menschen überhaupt von Jesus Notiz.

Drei Jahrzehnte seines Lebens liegen im Dunkeln, weil er offenbar ohne öffentliches Auftreten und ohne große Reden als normaler, einfacher Mensch gelebt hat. Eigentlich liegt in dieser Zeit, von der wir nicht viel wissen, eine große Liebe und Wertschätzung für das normale, für das alltägliche und unspektakuläre Leben.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Lob des Unspektakulären – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Wolfgang Beck, veröffentlicht am 26.10.2024 von ARD/daserste.de)

…und uneigentlich klingt das für mich wie eine ziemlich faule Ausrede für den Umstand, dass der liebe Gott beim Offenbaren und/oder Inspirieren offensichtlich so zurückhaltend war, was die ersten 30 Lebensjahre seines Stiefsohns betrifft.

Alltäglich und unspektakulär?

Mit seiner Darstellung „Erst nach dreißig Lebensjahren nehmen Menschen überhaupt von Jesus Notiz“ suggeriert Pfarrer Beck eine Historizität, die nicht gegeben ist.

Die Geburtslegende findet sich nur in zwei der vier Evangelien; für Markus und Johannes war die ja äußerst außergewöhnliche Story einschließlich angekündigter göttlicher Geisterbegattung, Stallgeburt, Morgenstern und Dreikönig-Besuch entweder unbekannt oder uninteressant.

Die spärlichen Anekdoten über die weitere Kindheit und Jugend von Jesus, die in der Bibel zu finden sind, sind inhaltlich belanglos und dienen nur dem Zweck, schon mal die Außergewöhnlichkeit, sprich: die Göttlichkeit von Jesus anzuteasern.

Gleiches gilt auch für das überaus unterhaltsame so genannte „Kindheitsevangelium“ nach Thomas. Leider hatte dieses Werk die Kanonisierung nicht überstanden und zählt heute zu den Apokryphen.

Glück gehabt, Herr Beck! So brauchen Sie nicht zu erklären, wie Ihre Einschätzung, die Kinder- und Jugendjahre des Gottessohns seien von Liebe und Wertschätzung für das normale, für das alltägliche und unspektakuläre Leben geprägt gewesen zu diesen wilden Stories passen soll.

Kindheitsevangelium des Thomas: Flegeljahre eines Gottessohns

Die theologisch-rhetorische Akrobatik, die nötig gewesen wäre, um die haarsträubenden Geschichten[1]Quelle: https://de.scribd.com/document/193601519/Das-Kindheitsevangelium-Des-Thomas über Klein-Jesus, der zum Beispiel einen Spielgefährten, über den er sich aus einem läppischen Grund geärgert hatte per Fluch verdorren lässt und einen anderen grundlos ermordet hatte und dessen Angehörige er vor lauter Wut (ganz der Vater!) vorübergehend hatte erblinden lassen, dem Publikum irgendwie halbwegs unverfänglich oder gar bedeutsam darzustellen wäre sicher äußerst unterhaltsam gewesen.

Sowohl die biblischen, als auch die apokryphen Kindheits- und Jugendlegenden des Gottessohns lassen die Absicht der Autoren erkennen: Es ging – genau entgegen der Darstellung von Herrn Beck – darum, die außergewöhnliche übermenschliche Macht, überlegene Weisheit und Göttlichkeit des biblischen Jesus selbst schon in dessen jungen Jahren zu belegen.

…kaum wahrzunehmen

Dieser Liebe zum Unscheinbaren, die in den dreißig Lebensjahren Jesu liegt, folgen auch Männer und Frauen, die sich als „Kleine Schwestern Jesu“ und „Kleine Brüder Jesu“ verstehen. Es ist eine Ordensgemeinschaft, die kaum wahrzunehmen ist.

Kaum wahrnehmbare Glaubensgemeinschaften erscheinen zumindest schon mal sympathischer als Kirchen, die, wie die christlichen hierzulande, alle Mittel und Wege nutzen, die ihnen die staatliche Sonderprivilegierung bietet, um auf alle Menschen in allen Lebensphasen Einfluss zu nehmen.

Oder auch angenehmer als jene, die wie die katholische Kirche ihr überwiegend zusammengeraubtes Vermögen zur Schau stellt, dass jede Verbindung von Christentum und Bescheidenheit zur Farce wird.

Aber nochmal kurz zurück zu den Kleinen Brüdern und Schwestern Jesu:

ChatGPT: Kritik am Orden der Kleinen Brüder und Kleinen Schwestern Jesu

Der Orden der Kleinen Brüder und Kleinen Schwestern Jesu, inspiriert vom Leben und den Schriften von Charles de Foucauld, hat eine besondere Spiritualität, die auf Einfachheit, Armut und Nähe zu den sozial Benachteiligten und Marginalisierten abzielt. Die Kritik an diesem Orden oder an ähnlichen Gemeinschaften betrifft oft einige wiederkehrende Aspekte:

  1. Abgeschiedenheit und Relevanz: Da die Mitglieder oft sehr zurückgezogen leben und ein Leben der Stille und Armut anstreben, wird gelegentlich kritisiert, dass sie sich zu sehr von der breiten Gesellschaft isolieren. Kritiker argumentieren, dass diese Abgeschiedenheit dazu führen kann, dass der Orden gesellschaftliche Entwicklungen oder soziale Herausforderungen nicht ausreichend aufgreift oder mitgestaltet.
  2. Radikales Armutsideal: Die Verpflichtung zu einem Leben in Armut wird als zentraler Wert des Ordens angesehen, was für manche Anhänger eines moderneren Ansatzes als zu restriktiv oder unrealistisch gilt. In modernen Gesellschaften, in denen finanzielle Sicherheit oft eng mit Gesundheitsvorsorge und sozialer Absicherung verbunden ist, wirkt das Ideal der Armut für manche Menschen abschreckend oder nicht praktikabel.
  3. Kritik an der Nähe zu sozial Schwachen: Auch wenn die Nähe zu Armen und Ausgegrenzten grundsätzlich positiv bewertet wird, haben einige Kritiker festgestellt, dass diese Praxis zu einer Romantisierung des Leidens führen kann. Anstatt die Ursachen von Armut und sozialer Ungerechtigkeit zu bekämpfen, könnten sich die Ordensmitglieder darauf beschränken, solidarisch an der Seite der Leidenden zu stehen, ohne aktiv etwas an den strukturellen Problemen zu verändern.
  4. Schwierigkeiten bei der Nachwuchsgewinnung: Ähnlich wie andere kontemplative oder auf Einfachheit ausgerichtete Orden kämpft auch dieser Orden mit einem Rückgang an Berufungen. Das einfache und enthaltsame Leben, das in einer oft sehr abgeschiedenen Umgebung geführt wird, spricht immer weniger junge Menschen an, die in einer stärker vernetzten und technologiegeprägten Welt aufwachsen.
  5. Integration und Anpassung: Die Integration und Anpassung an moderne kirchliche und gesellschaftliche Strukturen ist ein wiederkehrendes Thema. Einige Kritiker bemängeln, dass der Orden an traditionellen und möglicherweise überholten Formen der Spiritualität und Lebensweise festhält, die auf jüngere Generationen weniger ansprechend wirken.

Trotz dieser Kritikpunkte wird der Orden von vielen auch für seine spirituelle Tiefe und sein Engagement für die ärmeren und benachteiligten Menschen sehr geschätzt.

Gläubige, die sich einbilden, den Willen ihres Gottes zu erfüllen, indem sie anderen Menschen helfen, sind natürlich erstmal gesellschaftlich verträglicher als Gläubige, die aus dem gleichen Grund Angriffskriege führen.

Und dass es bei den Orden primär um Glaubensgedöns geht, daran habe ich keinen Zweifel – auch wenn ich mich nur oberflächlich mit diesen exotischen Glaubensgemeinschaften befasst habe.

Ganz unspektakulär!

Denn diese Frauen und Männer leben ganz bescheiden und einfach. Sie sind nicht an ihrer Kleidung zu erkennen. Sie gehen normal arbeiten, in einfachen Berufen. Und sie kümmern sich – ganz unspektakulär! – um die Menschen in ihrer Nachbarschaft. Für mich: sehr beeindruckend! Weil sie so einfach und bescheiden leben. Da ist wenig Spektakuläres. Aber viel Zuwendung zu den Menschen in der Nachbarschaft. Klar, dazu muss man nicht zu einer Ordensgemeinschaft gehören. Egal ob Ordensleute oder nicht: Solche Menschen sind etwas Besonderes, gerade weil sie nichts Besonderes sein müssen.

Wieso Herr Beck von hilfsbereiten Menschen offenbar mehr beeindruckt ist, wenn diese einen unspektakulären Lebensstil pflegen als beispielsweise von altruistischen Multimilliardären oder auch von sehr spektakulären Persönlichkeiten, die einen Großteil ihres Vermögens bzw. ihres Engagements für wohltätige Zwecke zur Verfügung stellen, erschließt sich mir nicht.

Auch wenn wir vom heutigen „Wort zum Sonntag“ die Erkenntnis mitnehmen können, dass sich das christliche Glaubenskonstrukt dank seiner riesigen Bandbreite für praktisch jedes beliebige – und mit viel Phantasie und Weglassung auch für mitmenschliches – Verhalten instrumentalisieren lässt, so stellt sich doch die Frage, warum ausgerechnet an diesem Ende der Skala so wenige Christen anzutreffen sind:

Weltweit sind es nur noch rund 200 Kleine Brüder (Quelle), während sich den Kleinen Schwestern immerhin rund 1400 „Zeuginnen der Zärtlichkeit Gottes“ angehörig fühlen (Quelle).

Zum Vergleich: Laut Deutscher Bischofskonferenz (in Klammern: DBK) zählt die katholische Kirche weltweit 1,4 Milliarden Schäfchen (Quelle).

So überzeugend scheinen die Argumente der Kleinen Brüder und Schwester, sich ihren Orden anzuschließen also offenbar nicht zu sein.

Ergänzung: Lob des Unspektakulären in der Bibel

Die Anweisungen in Matthäus 6 gehören zu den Bibelstellen, die aus irgendwelchen Gründen zu denen zu gehören scheinen, die speziell die hauptberuflichen Christen heute geflissentlich ignorieren (Hervorhebung von mir):

»Auch wenn ihr betet, sollt ihr es nicht wie die Heuchler machen; denn sie stellen sich gern in den Synagogen und an den Straßenecken auf und beten dort, um den Leuten in die Augen zu fallen; wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin. Du aber, wenn du beten willst, so geh in deine Kammer, schließe deine Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; dein Vater aber, der auch ins Verborgene hineinsieht, wird es dir alsdann vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden; denn sie meinen, Erhörung zu finden, wenn sie viele Worte machen. Darum macht es nicht wie sie; euer Vater weiß ja, was ihr bedürft, ehe ihr ihn bittet.

Matthäus 6, Verse 5-8
Quelle: facebook.com/datheisten

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2 Gedanken zu „Lob des Unspektakulären – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. (Sollte er tatsächlich existiert haben)

    Vielleicht war (J)esus oder besser Yeshuah für 30 Jahre ein ganz normaler Typ, bis er dann anfing, Stimmen zu hören, psychotisch zu werden und Grössenwahn gepaart mit schizophrenen Anfällen voll reingekickt haben…
    …Oder warens in Wahrheit einfach nur ein paar verirrte Dämonen auf der Suche nach nem neuen Zuhause?!

    Ich denke mal, für Jesus selbst wäre nur die 2. Option die einzig plausible gewesen!

    Man stelle sich vor, wie er auf einem Schwein reitend über die Klippe gallopiert, dem Sonnenuntergang entgegen…

    Welch glorreicher Selbst-Exorzismus! 😉

    Antworten
    • Ich bin derselben Meinung wie Heinz Werner Kubitza. Jesus ist als ganz normaler Jude aufgewachsen und ist dann mit 30 Jahren einem Verrückten, nämlich Johannes dem Täufer, in die Hände gefallen und ist diesem Geisteskranken eine Zeit lang gefolgt. Dann hat er dessen wilde und verrückte Endzeit- und Gottesreichsphantasien übernommen, die ihm letztendlich das Leben gekostet haben.
      Genau dies dürfte der Grund gewesen sein, warum man die ersten 30 Jahre nichts von ihm gehört hat.

      Antworten

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