Lächeln als religiöse Haltung – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Wolfgang Beck, veröffentlicht am 26.04.2025 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Wenn Pfarrer Beck vom Lächeln des verstorbenen Papstes schwärmt, könnte man glatt übersehen, dass das Christentum alles andere als lustig ist.Zum Einstieg verstärkt Pfarrer Beck erstmal das Bild, das die Medien gerade auf allen Kanälen vom gerade verstorbenen Papst Franziskus präsentieren.
Fasziniert habe er, viele Menschen angesprochen und selbst die Wahl seines Begräbnisortes sei nochmal Ausdruck seiner jetzt schon als legendär dargestellten bescheidenen Lebensführung gewesen.
Probleme wegschmunzeln
[…] Da gibt es aber ein unscheinbares Detail, das ich bemerkenswert finde: Da war ein Mensch, der es verstand mit seinem Lächeln zu gewinnen und Situationen zu retten. Eine große Zugewandtheit gegenüber den Gesprächspartner:innen und auch in Austausch mit großen Gruppen.
Der wahnsinnigen Größe des Amtes und den riesigen Themen, der permanenten Beobachtung und der weltweiten Krisen konnte Papst Franziskus mit einem Schmunzeln die Schwere nehmen.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Lächeln als religiöse Haltung – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Wolfgang Beck, veröffentlicht am 26.04.2025 von ARD/daserste.de)
So kann man es natürlich auch interpretieren.
Ein anderer, mir mindestens genauso plausibel erscheinender Grund für die zur Schau gestellte Heiterkeit könnte allerdings auch gewesen sein, dass Herrn Bergoglio bewusst gewesen sein dürfte, dass ein lächelnder Papst heute besser ankommt als einer, der mit seiner Mimik mit der des gerade gekreuzigten Halbgottes aus der biblisch-christlichen Mythologie konkurriert.
Auf den „Austausch mit großen Gruppen“ werden wir gleich nochmal im Zusammenhang mit dem „Synodalen Weg“ zu sprechen kommen.
…geringe Bereitschaft zu konkreten Entscheidungen…
Mit einer kleinen Prise Kritik versucht Herr Beck nun, potentiellen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen:
Wenn in der zurückliegenden Woche in den Kommentaren der neue Leitungsstil dieses Papstes gelobt und zugleich immer wieder die geringe Bereitschaft zu konkreten Entscheidungen kritisiert wurde, dann trifft vermutlich beides einen richtigen Punkt.

Allerdings erschöpft sich die Kritik an Papst Franziskus ja keineswegs in seiner zu geringen Bereitschaft zu konkreten Entscheidungen.
An dieser Stelle sollen Verweise auf drei Artikel genügen, in denen es nicht um Legendenbildung, sondern um einen kritischen Blick hinter die freundlich lächelnde Fassade geht:
Kaum war er tot, wurde der argentinische Papst von Staatsführern weltweit als „Anwalt der Menschlichkeit“ gepriesen. Der Vorsitzende der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, wirft einen anderen Blick auf das Pontifikat des Mannes, der am 17. Dezember 1936 als Jorge Mario Bergoglio in Buenos Aires geboren wurde und am gestrigen Ostermontag als Papst Franziskus in der Vatikanstadt starb.
Michael Schmidt-Salomon via hpd.de: Interview zum Tod von Papst Franziskus – „Ein Wolf im Schafspelz“
Artikel auf hpd.de lesen…
Der als modern geltende Papst Franziskus war tief im Teufelsglauben befangen. Gastautor Volker Brokop meint hingegen, dass es nicht der Teufel sei, der in den Köpfen der Menschen herumspukt, sondern längst veraltete Menschenbilder. Für ihn habe Religion in der geistlichen Vermittlung Wichtigeres zu tun als diese alten Denk- und Glaubensmuster ewig wiederzukäuen.
Volker Brokop via hpd.de: Papst Franziskus – Eine Anti-Würdigung
Artikel auf hpd.de lesen…
Mit dem Tod von Papst Franziskus endet für die katholische Welt eine Ära, die von großen Erwartungen begleitet, aber ebenso von tiefgreifenden Enttäuschungen geprägt war. Als Jorge Mario Bergoglio 2013 zum Papst gewählt wurde, galt er vielen als Hoffnungsträger. Ein einfacher Mann, Jesuit, mit einem Faible für Bescheidenheit – der Reformer, der die katholische Kirche in eine neue Zeit führen sollte. Doch der Rückblick auf sein Pontifikat ist ernüchternd: Es blieb bei vielen Zeichen, bei Gesten und Worten – doch echte, nachhaltige und notwendige Veränderungen fanden nicht statt.
Ralf Nestmeyer via hpd.de: Der gescheiterte Reformer – zum Tod von Papst Franziskus
Artikel auf hpd.de lesen…
Synodaler Holzweg endet in Rom
A propos geringe Bereitschaft zu konkreten Entscheidungen: Herr Bergoglio hatte schon auch recht konkrete Entscheidungen getroffen, die allerdings selbst bei einigen der eigenen Schäfchen nicht gut angekommen waren.
Als eines von vielen Beispielen sei das päpstliche Nein zum „Synodalen Weg“ erwähnt.
Zumindest jenen Bischöfen, die sich für diese Reform stark gemacht hatten, muss ja von vorneherein klar gewesen sein, dass die katholische Kirche als absolutistische Wahlmonarchie nicht basisdemokratisch, sondern top-down organisiert ist. Mit ihrem Engagement konnten die Bischöfe ihren Schäfchen nur signalisieren: „Wir haben es zumindest versucht…“
In Anbetracht der Wachstumsraten, die die katholische Kirche weltweit zu verzeichnen hat, dürfte dem Papst die Entscheidung nicht schwer gefallen sein, aus dem Synodalen Holzweg eine Sackgasse zu machen.
Denn global betrachtet ist das Erfolgsgeheimnis der katholischen Kirche natürlich das Festhalten an ihren Dogmen und anachronistischen Ansichten – und eben nicht das Aufweichen und Abschaffen derselben.
Dass der Verrat der eigenen Glaubensgrundlagen zu Beliebigkeit und in der Folge zu Bedeutungslosigkeit führt, konnte und kann man ja bei den Glaubensbrüdern und -schwestern aus dem evangelischen Mainstream beobachten.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Im weiteren Monolog von Pfarrer Dr. Beck geht es jetzt um die banale Frage, zu welchen Gelegenheiten Schmunzeln angemessen ist und wann man lieber ernste Mine zum traurigen Spiel machen sollte. Fazit sinngemäß: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Irgendwelche erhellende Erkenntnisse sucht man hier vergebens. Die vier Sendeminuten wollen halt auch gefüllt sein…
Deshalb finde ich die Beobachtung so wertvoll, dass Papst Franziskus Menschen anlächeln und schmunzeln konnte. Dass er mit seinem Lächeln ausdrückte: Wir finden gemeinsam einen guten Weg. Vielleicht ist das auch für manche politische Krise hilfreich. Vielleicht auch für manche Krise im eigenen Leben.
Ausgerechnet im Zusammenhang mit diesem Papst und in Anbetracht seiner gerade schon erwähnten Reaktion auf den Synodalen Weg wirkt die Metapher vom guten Weg, den er lächelnd gemeinsam finden möchte besonders deplatziert . Oder, je nach Intention, zynisch.
A propos deplatziert:
Ob Krisen im eigenen Leben, politische Krisen oder einfach nur die übliche christliche Ignoranz und/oder Arroganz die Gründe dafür waren, dass sich die beiden evangelischen Glaubensbrüder Bundespräsident Steinmeier und Ministerpräsident Markus Söder mit einem (vor?-)freudigen Lächel-Selfie von der Papst-Beisetzung in den sozialen Medien zur Schau stellten, lässt sich nicht sagen.
Vielleicht hatten die beiden Spaßvögel vor ihrem gemeinsamen Weg ja aber auch einfach nur das „Wort zum Sonntag“ gesehen und wollten das mit dem Lächeln gleich mal in die Tat umsetzen.
Immerhin hatte es für einen mittelmäßigen Shitstorm, auf jeden Fall aber für einige mediale Aufmerksamkeit gesorgt – und um nichts anderes geht es ja schließlich.
- BR: Politiker erweisen Franziskus die letzte Ehre – Kritik an Söder, 26. April 2025
- Gala: Heftige Kritik für Selfie – kurz vor Trauerfeier von Papst Franziskus, 26. April 2025
- Süddeutsche Zeitung: Trauerfeier für Papst Franziskus: Kritik an Söder nach Selfie aus Rom, 26. April 202
- 5taz: Kritik an Söder-Selfies. Ich und der Papst, 27. April 2025
- Welt: Kritik an Söder – „Beerdigungs-Reiseselfies haben doch etwas recht Würdeloses”, 26. April 2025
Aus aktuellem Anlass und um zu zeigen, dass der Kirchenaustritt auch für Politiker und auch noch im fortgeschrittenen Alter jederzeit möglich ist, sei an dieser Stelle der frühere SPD-Chef Franz Müntefering genannt.
Mehreren Meldungen (z. B. hier, hier, hier, hier) zufolge hatte der ehemalige Katholik unlängst in einer Talkshow auf Nachfrage gesagt, ein Jahr nach einer entsprechenden Ankündigung aus der katholischen Kirche ausgetreten zu sein. Mangels Glaube. Und mangels Vertrauen, dass die katholische Kirche ihrer Verantwortung der Gesellschaft gegenüber gerecht werden könne.
Und damit zurück zum Wort zum Sonntag:
Gesucht: Schmunzel-Papst
Den Kardinälen würde ich gerne für das Konklave und die Wahl des neuen Papstes sagen: „Wählt bloß einen, der lächeln oder wenigsten herzlich schmunzeln kann – über sich selbst und das Leben.“
Es erscheint mir aus Sicht der Kirche ein guter Rat zu sein, die Verkommenheit, die Verbrechen und die Unmenschlichkeit der katholischen Kirche und ihrer rückwärtsgewandten, magisch-mythologisch basierten Ideologie weiterhin hinter einer freundlich dreinblickenden Fassade zu verstecken.
Viel mehr bleibt ihnen ja auch nicht übrig, als sich zumeist mild-lächelnd und verständnisvoll schmunzelnd zu präsentieren, wenn sie es sich mit ihren Geldgebern (zumindest mit denen aus dem katholischen Mainstream) nicht verscherzen wollen.
Lächeln überwindet den Tod?
Denn darin liegt vermutlich die beste Form, den christlichen Glauben auszudrücken: Das Lächeln überwindet den Tod. Dafür danke, lieber Papst Francesco.
Das einzige Lächeln, das ich einem Christen als Ausdruck seines christlichen Glaubens abnehme, ist entweder ein arrogantes Lächeln. Oder eins aus Verlegenheit.
Wie Pfarrer Beck auf das schmale Brett kommt, Lächeln würde den Tod überwinden, verrät er leider nicht.
In der irdischen Realität kann man eine solche Aussage nicht anders bezeichnen als Bullshit. Aber würde man den Fernsehpfarrer mit diesem Vorwurf konfrontieren, käme vermutlich irgendwas eine Ausflucht im Sinne von „…gemeint war natürlich unsere Erinnerung an das Lächeln des Verstorbenen zu dessen Lebzeiten…“ oder Ähnliches zur Antwort.
Und auch innerhalb der biblisch-christlichen Mythologie war, soweit ich weiß, kein Lächeln, sondern eine (wenn auch nur vorübergehende) innerfamiliäre, qualvolle Todesfolterung durch Kreuzigung erforderlich, bei der vermutlich niemand zum Lächeln zumute war… Außer vielleicht dem lieben Gott, der sich ja über sein selbst veranlasstes Menschenopfer zu seiner eigenen Befriedigung gefreut haben dürfte.
Fazit
Vielleicht hat sich Herr Beck diese Erkenntnis beim Papst abgeschaut: Ein Lächeln verkauft sich heute – zumindest hierzulande und im Mainstream-Christentum – einfach besser als Todesfolterungen und Höllendrohungen.
Und faktisch macht es sowieso keinen Unterschied, ob nun ein Lächeln oder eine Hinrichtung den Tod überwunden haben soll. Der Bullshit-Faktor bleibt gleich. Der unmoralische und absurde Todeskult ist nur schwerer zu erkennen, wenn er von lächelnden Vertretern in einer harmlos und unverfänglich dargestellten Version verbreitet wird.
Weder die biblisch-christliche Lehre, noch die katholische Kirche haben irgendetwas zu bieten, was einem ein ehrliches Lächeln ins Gesicht zaubern könnte. Im Gegenteil.
Deshalb halte ich Lächeln eben nicht für eine religiöse, sondern für eine menschliche Haltung.
Der Hofnarr ist tot, lang lebe der (neue) Hofnarr!