Kommentar zu NACHGEDACHT 87: Die Qual der Wahl

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Kommentar zu NACHGEDACHT 87: Die Qual der Wahl,verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 7.9.2014 von osthessen-news.de

[…] Als Frau kann ich mittlerweile fast jeden Beruf ergreifen, gar kein Problem.*

Meinen Sie das tatsächlich so sexistisch, wie Sie es schreiben oder sind Sie vielleicht nur erstaunt darüber, dass Sie auch als Frau mittlerweile freie Berufswahl haben, wo doch das Wort Ihres Gottes nahelegt, dass Ihnen als Frau nicht so wirklich viel zugetraut wird:

  • 7 Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz.
    8 Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann.
    9 Und der Mann ist nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen. (1. KOR 11, Luther Bibel 1984)

Merken Sie: Es gibt so viel Auswahl, in jedem Bereich unseres Lebens. Grenzenlosigkeit – Freiheit – das passt dazu. Aber man kann auch sagen: Die Auswahl wird zur Qual.*

Es liegt an den Menschen, ob sie die Auswahl als „Qual“ oder als „Vielfalt“ empfinden.

Was unsere Großeltern nicht in diesem Ausmaß hatten, nämlich alle Wege der Welt einschlagen zu können, wird unserer Generation zunehmend zur Last.*

Ich erlaube mir, mich auch noch Ihrer Generation zugehörig zu fühlen und ich empfinde es nicht als Last, sondern als riesengroßes Glück, dass ich alle Wege der Welt einschlagen kann.

Früher hast du den Hof oder Beruf des Vaters übernommen, heute ist das fast selten. Alle Türen stehen uns offen und manchmal würde man sich wünschen, dass es nur zwei wären, damit man nicht so lange überlegen muss, was jetzt das Richtige ist.*

Da ich auch zu „man“ gehöre, muss ich hier energisch widersprechen. Nur weil Sie sich von Ihrer großen Handlungsfreiheit überfordert fühlen, gilt das nicht automatisch auch für alle anderen Menschen.

Andererseits kann ich diese realitätsfernen, rückwärtsgewandten und engstirnigen Überlegungen auch nachvollziehen, wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass gerade Religionen den Menschen vorgaukeln, es gäbe für jede Situation genau eine „gute“ und eine „böse“ bzw. eine „richtige“ und eine „falsche“ Möglichkeit.

Diese Dualismen mögen manche Entscheidungen vereinfachen, allerdings zu dem hohen Preis, möglicherweise viele Optionen gar nicht erst zur Auswahl zu haben. Die fatalen Parallelen von religiösen und totalitären politischen Ideologien werden hier einmal mehr sehr deutlich.

Ich weiß, die Qual der Wahl zu haben, ist ein Luxusproblem und meckern auf hohem Niveau. Allerdings wird mir immer wieder einmal in Abschnitten meines Lebens bewusst, dass ich gar nicht weiß, wohin es geht, welchen Weg ich betreten soll.*

Und deshalb wünschen Sie sich, es gäbe weniger Auswahl, damit Sie sich einfacher entscheiden könnten? Was würden Sie einem Menschen erzählen, der keinen einzigen Weg zur Auswahl hat (ja, sowas gibts)? Mir fehlen die Worte (und das will was heißen).

Da wünsche ich mir einen Menschen, der die richtige Route sagt, das Licht dafür ausleuchtet.*

Sehr gerne:

  • Tun Sie das, wovon Sie sich die größte Steigerung Ihres persönliches Wohles versprechen,
  • vermeiden Sie das, was Ihr persönliches Wohl beeinträchtigt,
  • jeweils ohne dabei gleichberechtigte Interessen Anderer und Ihrer Umwelt zu beeinträchtigen.

Es ist viel einfacher, als Sie vielleicht denken (bzw. glauben). Seien Sie ehrlich zu sich selbst und verlassen Sie sich auf Ihre Fähigkeiten, Ihr Selbstwertgefühl und Ihren Verstand (alles jeweils Natur- und nicht Gottgegeben). Wenn Sie dieses völlig natürliche und legitime Ziel Ihres eigenen Wohlergehens verfolgen, dann werden Sie sehr schnell merken, ob Ihr gerade eingeschlagener Weg Sie in Richtung dieses Ziels führt oder nicht.

Letzte Woche musste ich nach Lauterbach fahren, Umleitung.*

In den Vogelsberg!! 🙂

Und ich sprach zu meinem Handy – Wahnsinn – mittlerweile geht so etwas: „Bringe mich nach Lauterbach.“ Die nette Damenstimme sagte sofort zu mir: „Die Route nach Lauterbach, Hessen, wird gesucht.“ Zwei Sekunden später hat sie mich mit klarer, sicherer Stimme dorthin geleitet.*

Immer wieder faszinierend, was die Evolution schon alles bewirkt hat. An dieser Stelle sollte man sich besonders als Christin in Erinnerung rufen, dass die eigene Religion viele geniale Menschen, die schon viele hundert Jahre vor der Erfindung von GPS-Navigationssystemen die Grundlagen der dafür erforderlichen Erkenntnisse auf wissenschaftlichem Weg erreicht hatten, denunziert, verleumdet, unterdrückt und natürlich auch zum Schweigen gebracht (also ermordet) hat, weil sie in diesen Erkenntnissen einen Angriff auf ihre heiligen Dogmen befürchtete. Daran sollte man als Christ jedes Mal denken, wenn man ein Handy in die Hand nimmt, das Licht anschaltet, eine Kopfschmerztablette nimmt, wenn man sich ins Auto setzt oder wenn man einen Computer benutzt. Jedes einzelne Mal.

Wie gern würde ich genau solche Fragen wie „Welchen Job soll ich verfolgen“, „Wo will ich leben“ an jemandem richten, der es mir so klar sagt.*

Fragen Sie – genau wie bei Ihrem Navi – nicht zuerst nach dem Weg, sondern fragen Sie sich erstmal ganz ehrlich und möglichst frei von religiösen Dogmen nach Ihrem persönlichen Ziel! Was macht Sie glücklich? Was steigert Ihr Wohl? Wenn Sie das wissen, können Sie sich Ihre anderen Fragen ganz einfach selbst beantworten. Und wenn sich Ihre Ziele einmal ändern sollten, dann ist das natürlich auch kein Problem, solange Sie es bemerken und Ihr Verhalten entsprechend ändern und die oben genannten drei grundlegenden Anweisungen beachten.

Allerdings weiß ich, dass tief im Innern die Antworten ruhen.*

Das sehe ich genauso. Deshalb ist es auch so wichtig, diese wichtigen Fragen wirklich sich selbst zu stellen. Nicht: Was verlangt Gott von mir, was ich tun und wie ich leben soll? Sondern: Was möchte ich tun, wer will ich sein, wie werde ich glücklich?

Man muss sich die Fragen nur oft genug stellen, irgendwann wird man mit einer eigenen, festen, sicheren Stimme darauf die Antwort wissen.*

Nicht „oft genug“, sondern vielleicht nur einmal, aber dann wirklich ehrlich zu sich selbst.

Aus einem Meer an Möglichkeiten wird dann ein kleiner Lebensfluss.*

Das Bild eines Flusses finde ich zu passiv – ein Fluss ändert nicht seine Richtung, weil er jetzt mal in ein anderes Meer münden möchte als bisher. Diese Freiheit haben wir.

Nachbemerkung: Meine hier geäußerten Gedanken sind nicht als persönliche Beratung der Autorin gedacht, sondern greifen den Stil der ich-Perspektive auf, den die Autorin für ihren Beitrag gewählt hat.

*Das Online-Portal Osthessennews fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle Zitate stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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