Am 24. September 2025 veröffentlichte Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda bei osthessennews.de einen spirituellen „Impuls“ über Nikolaus von Flüeli, besser bekannt als „Bruder Klaus“.
Was als religiöse Inspiration gedacht ist, offenbart bei genauerer Betrachtung die problematischen Aspekte einer Weltanschauung, die Realitätsflucht als höchste Tugend verklärt.
tl;dr: Hauptkritikpunkte
- Die Romantisierung von Verantwortungsflucht
- Die unkritische Übernahme hagiographischer Legenden
- Die Problematik der Weltflucht als spirituelles Ideal
- Die Gefahr passiver Neutralität gegenüber Ungerechtigkeit
Die Verklärung der Verantwortungsflucht
Buß preist Nikolaus als jemanden, der „auf jede menschliche Sicherheit verzichtete“ und sich „einzig in die Hände Gottes legte“.
Was hier als spirituelle Hingabe romantisiert wird, war in der Realität ein Mann, der seine Verantwortung als Familienvater aufgab. Zehn Kinder und eine Ehefrau zurückzulassen, um sich in einer Schlucht der Meditation zu widmen, mag aus religiöser Sicht als „Berufung“ gelten – aus humanistischer Perspektive ist es schlicht Verantwortungsflucht.
Die Tatsache, dass Nikolaus zuvor als „Bauer, Ratsherr, Richter, Soldat, Ehemann und Vater“ aktiv war, macht seinen Rückzug nicht edler, sondern umso fragwürdiger. Er kannte die Realität des Lebens und entschied sich bewusst dagegen – zulasten derer, die auf ihn angewiesen waren.
Das Märchen vom lebenden Gebet
Besonders problematisch ist Buß‘ Behauptung, Nikolaus habe „von der Eucharistie und vom Gebet“ gelebt. Diese hagiographische Übertreibung ignoriert schlicht die Biologie: Kein Mensch kann über zwei Jahrzehnte ohne Nahrung überleben, auch nicht mit noch so intensivem Beten. Solche Behauptungen zu verbreiten bedeutet, mittelalterliche Legenden als historische Fakten zu verkaufen und damit kritisches Denken zu untergraben.
Die Instrumentalisierung der Einsamkeit
Während Buß die „Stille“ als „Notwendigkeit“ propagiert, übersieht er die sozialen und psychologischen Kosten extremer Isolation. Dass Menschen zu Nikolaus kamen, um Rat zu suchen, mag stimmen – aber dies macht seine selbstgewählte Isolation nicht zu einem gesellschaftlichen Vorbild. Im Gegenteil: Es zeigt, wie religiöse Autoritätsfiguren ihre Position nutzen können, auch ohne aktive Teilnahme am Gemeinwesen.
„Mischt euch nicht in fremde Händel“ – Problematische Neutralität
Buß interpretiert Nikolaus‘ berühmten Ausspruch als „Mahnung zum Frieden“. Doch diese passive Haltung ist alles andere als friedensstiftend. In einer Zeit, in der Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Gewalt um sich greifen, ist Wegschauen keine Tugend. Die Maxime „Mischt euch nicht ein“ mag bequem sein, aber sie macht letztendlich zu Komplizen von Unrecht.
Wahre Friedensarbeit erfordert aktives Engagement, nicht spirituelle Abkopplung von den Problemen der Welt.
Die Gefahr der Weltflucht-Romantik
Buß‘ Fazit, dass „es im Herzen des Lebens um Gott geht“ und „alles andere zweitrangig“ sei, offenbart eine gefährliche Prioritätensetzung. Aus humanistischer Sicht geht es im Leben um Menschen, um Mitgefühl, um rationale Problemlösung und um die Verbesserung der Lebensbedingungen für alle. Wer das als „zweitrangig“ abtut, entzieht sich seiner Verantwortung als soziales Wesen.
Ein säkularer Gegenentwurf
Statt einen mittelalterlichen Eremiten zu glorifizieren, sollten wir Menschen würdigen, die ihr Leben tatsächlich der Verbesserung der Welt widmen: Wissenschaftlerinnen, die Krankheiten bekämpfen, Aktivistinnen, die für Gerechtigkeit kämpfen, Pädagogen, die kritisches Denken fördern, oder ganz einfach Menschen, die täglich ihre familiären und gesellschaftlichen Verpflichtungen erfüllen.
Diese Menschen brauchen keine göttliche Legitimation für ihr Handeln – ihre Motivation entspringt der Erkenntnis, dass wir nur diese eine Welt haben und nur durch gemeinsame Anstrengung und rationales Handeln die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können.
Fazit: Realität statt Romantisierung
Stefan Buß‘ spiritueller Impuls mag für Gläubige inspirierend sein – aus rationaler Sicht ist er ein Paradebeispiel dafür, wie Religion dazu genutzt wird, Realitätsflucht als höchste Tugend zu verkaufen. Statt mittelalterliche Eremiten zu verehren, sollten wir uns lieber fragen: Wie können wir konkret und rational zu einer besseren Welt beitragen, ohne dabei unsere Verantwortung gegenüber Familie und Gesellschaft aufzugeben?
Die Antwort liegt nicht in göttlicher Hingabe, sondern in menschlicher Vernunft und aktivem Engagement für eine aufgeklärte, gerechte Gesellschaft.
Text mit KI bearbeitet
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