Wer spricht mit wem? – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Johanna Vering, veröffentlicht am 16.08.2025 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Diesmal scheitert Frau Vering am Versuch, ihre Kritik am Gespräch zwischen Trump und Putin religiös zu untermauern.Trump, Putin und der heilige Benedikt glaub(t)en an den selben Gott.
Was haben Trump und Putin mit dem heiligen Benedikt zu tun? Leider nichts. Aber ich wünschte, sie hätten.
(Quelle der so als Zitat markierten Abschnitte: Wer spricht mit wem? – Wort zum Sonntag, verkündigt von Johanna Vering, veröffentlicht am 16.08.2025 von ARD/daserste.de)
Also, mir fällt sofort eine Gemeinsamkeit auf: Alle drei gaben bzw. geben an, im Namen und Auftrag des selben Gottes zu handeln – des Gottes aus der biblisch-christlichen Mythologie.
Man fragt sich schon, wie Frau Vering diesen sehr offensichtlichen Zusammenhang übersehen konnte. Zumal sie selbst ihr Geld ja mit dem Vertrieb eben jenes Gottes verdient.
Die Einberufung der Brüder zum Rat
Die Unterschiedlichkeit zwischen dem mittelalterlichen Ordensgründer und den beiden zeitgenössischen Politikern konstruiert sich Frau Vering so zurecht:
Ich bin nämlich auf einen total interessanten Satz aus der Ordensregel des Hl. Benedikt gestoßen. Mein Mann heißt Benedikt und weil sein Namenspatron immer mal wieder Thema war bei uns, habe ich mir irgendwann mal die Ordensregel der Benediktiner angeschaut. Und da gibt es ziemlich am Anfang ein Kapitel mit der Überschrift „Die Einberufung der Brüder zum Rat“. Es geht darum, wie der Abt Entscheidungen für die Gemeinschaft trifft. Benedikt hat in seiner Regel festgelegt: alle Brüder sind zu hören. Und dann sagt er noch explizit: der jüngste Bruder ist zu hören, weil, ich zitiere: „der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist.“ Zitat Ende.
Wenn das nicht leider wie die Faust aufs Auge zu Trump und Putin passt. Da haben die doch die ganze Zeit geplant, dass sie sich treffen, um über mögliche Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu sprechen, ohne dass der Hauptbetroffene Wolodymyr Selenskyj dabei ist. Ich bin immer noch platt, dass so eine Gesprächskonstellation überhaupt in Betracht gezogen wurde.
Nee, Frau Vering. Das passt nicht wie die Faust aufs Auge zu Trump und Putin. Im Gegenteil: Mit Ihrem Versuch, einen Zusammenhang zwischen den Regeln des Benediktiner-Ordens und gegenwärtiger Weltpolitik herzustellen, haben Sie einmal mehr gezeigt, wie wenig Religion zur Wirklichkeit der Erdbevölkerung im 21. Jahrhundert beizutragen hat.
Was genau ist denn nun eigentlich Ihr Argument, Frau Vering?
Weil ein Mönch um 540 für seinen Orden festgelegt hatte, dass der Abt vor Entscheidungen erst alle Brüder hören soll, weil „der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist“, hätte an dem Treffen von Trump und Putin auch Selenskyj teilnehmen müssen?
Allein schon eine Ordensgemeinschaft mit den Anführern von Kriegsparteien gleichzusetzen erscheint mir so absurd, dass sich eine nähere Analyse im Grunde erübrigt.
Das Hopfen und Malz, das hier verloren ist, lässt sich anderweitig besser verwerten…
Wie wenig die von Ihnen zweckdienlich verkürzt dargestellte Ordensregel taugt, zeigt sich bei einem kurzen Blick auf den Kontext, aus dem der von Frau Vering präsentierte Auszug stammt. Hier das entsprechende Kapitel (Hervorhebungen von mir):
Sooft etwas Wichtiges im Kloster zu behandeln ist, soll der Abt die ganze Gemeinschaft zusammenrufen und selbst darlegen, worum es geht. Er soll den Rat der Brüder anhören und dann mit sich selbst zu Rate gehen. Was er für zuträglicher hält, das tue er.
Dass aber alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist.
Die Brüder sollen jedoch in aller Demut und Unterordnung ihren Rat geben. Sie sollen nicht anmaßend und hartnäckig ihre eigenen Ansichten verteidigen. Vielmehr liegt die Entscheidung im Ermessen des Abtes: Was er für heilsamer hält, darin sollen ihm alle gehorchen.
Wie es jedoch den Jüngern zukommt, dem Meister zu gehorchen, muss er seinerseits alles vorausschauend und gerecht ordnen.
Alle sollen in allem der Regel als Lehrmeisterin folgen, und niemand darf leichtfertig von ihrer Weisung abweichen. Keiner darf im Kloster dem Willen seines eigenen Herzens folgen. Niemand maße sich an, mit seinem Abt unverschämt oder gar außerhalb des Klosters zu streiten. Geht aber einer in seiner Anmaßung so weit, dann treffe ihn die von der Regel vorgesehene Strafe.
Der Abt allerdings muss seine Anordnung immer in Gottesfurcht treffen und sich dabei an die Regel halten. Er muss wissen, dass er sich ohne Zweifel für alle seiner Entscheidungen vor Gott, dem gerechten Richter, zu verantworten hat.
Wenn weniger wichtige Angelegenheiten des Klosters zu behandeln sind, soll er nur die Älteren um Rat fragen, lesen wir doch in der Schrift: (Sir 32,24) „Tu alles mit Rat, dann brauchst du nach der Tat nichts zu bereuen.“
(Quelle: Der Rat der Brüder (3) – Benediktinerinnen und Benediktinern im deutschsprachigen Raum)
Wer ist Ihrer Meinung nach in der gegenwärtigen politischen Situation denn nun der Abt, der erst hören soll, was sein lieber Gott dem jüngsten Mitglied geoffenbart hat, um dann seine Entscheidung in Gottesfurcht zu treffen, in dem Wissen, dass er sich ohne Zweifel für alle seine Entscheidungen vor Gott, dem gerechten Richter, zu verantworten hat“?
Diese Ausführungen sollen genügen, um Brandolinis Gesetz einmal mehr bestätigt zu haben.
…habe als Christin dazu auch was zu sagen
Ja, ich weiß, es ist zu diesem seltsamen und auch irgendwie spannenden Treffen schon ganz vieles gesagt und kommentiert worden. Aber ich habe als Christin dazu auch was zu sagen. Vor allem dazu, wie dieses Gespräch geplant wurde.
Ich habe den Eindruck, wir sind zurückgefallen in, ich weiß auch nicht, vielleicht in die Zeit der Neandertaler, in der direkt die Keule geschwungen wurde. Aber das, was doch dem gesunden Menschenverstand entspricht, dass nämlich im Konfliktfall besser alle Beteiligten miteinander reden als übereinander, das scheint mir irgendwie wieder ganz weit weg zu sein.
Frau Vering, Ihr Appell an den gesunden Menschenverstand wäre wesentlich glaubwürdiger, wenn Sie erstmal Ihre Weltanschauung einigermaßen mit der irdischen Wirklichkeit in Einklang bringen würden.
Solange Sie noch ein Weltbild vertreten, in dem göttliche Offenbarungen eine Rolle zur Entscheidungsfindung spielen sollen und Gottesfurcht als Maßstab für menschliches Handeln gilt, können Sie sich den Rest auch sparen.
Banales Beispiel auf einer ganz anderen Ebene
Mal ein banales Beispiel aus meinem kleinen Alltag: wir sind gerade aus dem Urlaub in England zurück. Da geht die Diskussion auch schon wieder los, wo es denn nächstes Jahr in den Ferien hingeht. Bei fünf Personen gar nicht so einfach, alle Bedürfnisse und Interessen unter einen Hut zu kriegen. Wenn jetzt mein Mann einfach mal eben mit den Kindern abmacht, wo es nächstes Jahr hingeht und ich nicht gefragt werde, also vor vollendete Tatsachen gestellt werde: na, herzlichen Dank für die „schöne“ Überraschung. So funktioniert unser Zusammenleben nicht.
Das ist natürlich eine ganz andere Ebene, als die, auf der sich Trump, Putin und Selenskyj bewegen, aber im Kern geht es doch um das Gleiche: Um die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, wer mit wem worüber redet.
Ganz unabhängig davon, wie man ein Gespräch zwischen Trump und Putin ohne Selenskyj über das Schicksal der Ukraine bewertet: Dass Ihr Beispiel banal ist und auf einer ganz anderen Ebene stattfindet, haben Sie ja schon selbst be- und angemerkt.
Aber wenn man als Christin (und Sie haben ja selbst explizit darauf hingewiesen, als solche etwas dazu zu sagen zu haben) sonst nicht mehr dazu zu sagen hat als das, dann kommt das meines Erachtens einem intellektuellen Offenbarungseid gleich.
Gesunder Menschenverstand vs. Götterglaube
Und damit bin ich wieder bei der Regel des heiligen Benedikt. Die ist im 6. Jahrhundert entstanden und nicht mal eben so vom Himmel gefallen. Sie ist das Ergebnis von Erfahrung im Zusammenleben mit anderen Menschen, von Lebensweisheit. Kurz: sie zeugt von gesundem Menschenverstand. Und sie sagt mir, alle Beteiligten sind zu hören, um das Beste für alle zu erreichen. Miteinander zu sprechen ist also aus christlicher Sicht schon sehr, sehr lange das Gebot der Stunde.
Frau Vering, lesen Sie sich doch bitte nochmal in Ruhe das oben zitierte Kapitel aus den Ordensregeln durch. Und überlegen Sie dann nochmal, inwieweit a) Ihre hier präsentierte Interpretation damit übereinstimmt und inwieweit b) das alles auf die von Ihnen kritisierte gegenwärtige Situation (oder auch nur generell auf die Gegenwart) übertragbar ist.
Und genau das wünsche ich mir in der angespannten politischen Lage, auch ganz unabhängig von irgendwelchen Treffen wichtiger Leute: sprecht nicht übereinander, sprecht miteinander – zum Wohle aller!
Na, dann nehme ich Sie gleich mal beim Wort!
…und lade Sie gleich mal zum Mitsprechen ein – gerne in Form eines Kommentares hier auf der Seite.
Damit können Sie auch gleich den im Raum stehenden Vorwurf entkräften, Ihr Appell, miteinander zu sprechen sei nichts weiter als christliche Heuchelei.
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