Festungen der Hoffnung – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

Wenn Sanftmut zur gefährlichen Illusion wird und Religion Terror mit Kuschelrhetorik begegnet: Festungen der Hoffung – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Annette Behnken, veröffentlicht am 6.12.2025 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Die Kirche romantisiert religiös verbrämte „Sanftmut“ als spirituelle Lösung für reale terroristische Bedrohungen, während sie gleichzeitig verschleiert, dass gerade religiöse Ideologien diese Gewalt überhaupt erst hervorbringen – und präsentiert ihre eigene Hilflosigkeit als moralische Überlegenheit.

Annette Behnkens „Wort zum Sonntag“ ist ein Meisterstück theologischer Realitätsverweigerung. In perfekter Verkörperung kirchlicher Selbstgerechtigkeit wird hier eine reale Sicherheitsbedrohung – Terrorismus, durch den Menschen auf Weihnachtsmärkten ermordet werden– zu einer Gelegenheit umgedeutet, für christliche „Sanftmut“ zu werben.

Was als nachdenkliche Adventsbetrachtung getarnt daherkommt, ist bei genauerem Hinsehen eine gefährliche Mischung aus Realitätsflucht, religiöser Selbstbeweihräucherung und intellektueller Unredlichkeit.

Die große Verschleierung: Religion als Problem, nicht als Lösung

Behnken spricht von „realen und gefühlten Bedrohungen“ und den notwendigen Anti-Terror-Pollern. Was sie mit bemerkenswerter Konsequenz verschweigt: Die Bedrohung, gegen die diese Poller schützen sollen, ist zu einem erheblichen Teil religiös motiviert.

Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016, die Attacken in Nizza, Paris, Wien – sie wurden nicht von säkularen Humanisten verübt, sondern von Menschen, die sich auf religiöse Überzeugungen beriefen. Hier zeigt sich die ganze Verlogenheit der kirchlichen Position: Während Religion selbst eine der Hauptursachen für Gewalt, Fanatismus und Terrorismus ist, präsentiert sich die Kirche als moralische Instanz, die mit ihrer „Sanftmut“ die Lösung anbietet.

Die Wahrheit ist: Religiöser Glaube – egal welcher Couleur – bietet die perfekte Rechtfertigung für Gewalt. Wer glaubt, im Besitz absoluter göttlicher Wahrheit zu sein, wer an ein ewiges Leben glaubt und dieses irdische als bloße Durchgangsstation sieht, wer Menschen in Gläubige und Ungläubige einteilt, schafft genau die Voraussetzungen für Fanatismus und Terror. Die Kirchen haben jahrhundertelang selbst Terror ausgeübt – und tun es in vielen Teilen der Welt bis heute.

Sanftmut als spiritueller Bypass für politisches Versagen

Behnken fordert uns auf, „sanftmütig“ zu sein, „seelische Schutzpanzer abzulegen“ und mit „Verletzlichkeit“ durchs Leben zu gehen. Diese Rhetorik ist nicht nur naiv, sie ist gefährlich zynisch.

Was hier als spirituelle Tugend verkauft wird, ist nichts anderes als die Kapitulation vor realen Problemen. Statt konkrete politische Lösungen zu fordern – Bekämpfung religiöser Radikalisierung, konsequente Durchsetzung säkularer Werte, soziale Gerechtigkeit, Bildung, Integration – flüchtet sich Behnken in mystische Innerlichkeit.

Die Botschaft lautet: Ändere dich innerlich, werde sanftmütig, dann wird die Welt besser. Das ist die uralte religiöse Strategie, strukturelle Probleme zu individuellen Seelenfragen umzudeuten. Terrorismus ist kein Problem mangelnder Sanftmut, sondern ein Problem fanatischer religiöser Ideologie, sozialer Ungerechtigkeit und politischer Radikalisierung.

Wenn Behnken sagt „Sanftmut ist der deutlich klügere Weg“, dann ist das blanker Hohn gegenüber den Opfern religiösen Terrors. Nein, Sanftmut gegenüber Terroristen ist nicht klüger. Sie ist tödlich. Was wir brauchen, ist entschiedenes, konsequentes Handeln – nicht spirituelle Selbstverkleinerung.

Die Bibel als moralische Autorität? Eine Farce.

Behnken zitiert: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“ Ausgerechnet die Bibel als Quelle für Gewaltfreiheit zu bemühen, ist von atemberaubender Geschichtsvergessenheit.

Die Bibel ist durchzogen von Gewaltphantasien, Genozid-Befehlen, Sklaverei und der Androhung ewiger Folter für Ungläubige. Der Gott des Alten Testaments befiehlt Völkermord, die Kirche hat im Namen dieses Gottes Kreuzzüge geführt, Frauen verbrannt und Andersdenkende gefoltert. Noch heute werden biblische Texte zur Rechtfertigung von Homophobie, Frauenfeindlichkeit und autoritären Herrschaftsstrukturen herangezogen.

Die Bergpredigt mit ihrer Sanftmuts-Rhetorik ist nicht die Essenz des Christentums, sondern ein kleiner, weitgehend ignorierter Textabschnitt in einem ansonsten von Gewalt triefenden religiösen Korpus. Behnken tut so, als sei „Sanftmut“ die christliche Kernbotschaft – dabei war das Christentum historisch eine der gewalttätigsten Ideologien überhaupt.

Das Weihnachtsmärchen: Gott als wehrloses Baby

Besonders grotesk wird es am Ende: „Dass Gott nicht brachial, sondern verletzlich und zart daherkommt, als schutzloser kleiner Mensch.“

Diese Erzählung ist so verlogen wie absurd. Derselbe Gott, der angeblich als wehrloses Baby in die Welt kommt, ist derselbe, der laut biblischer Lehre die gesamte Menschheit in ewigen Höllenqualen schmoren lässt, wenn sie nicht an ihn glaubt. Das ist keine Sanftmut, das ist spirituelle Erpressung in ihrer extremsten Form.

Die Weihnachtsgeschichte ist keine Botschaft von Verletzlichkeit, sondern eine PR-Kampagne für ein autoritäres Herrschaftssystem: Der allmächtige Gott gibt sich kurzzeitig menschlich, um dann als Richter über Leben und Tod, Himmel und Hölle zu walten. Das Baby in der Krippe ist nur die Maske für den kosmischen Diktator dahinter.

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Was wir wirklich brauchen: Aufklärung statt Sanftmut

Behnken hat recht: Die Welt ist bedroht. Aber nicht durch zu wenig Sanftmut, sondern durch zu viel Religion und durch Ideologien nach religiösem Vorbild.

Was wir brauchen, ist nicht spirituelle Innerlichkeit, sondern:

  • Konsequente Säkularisierung: Religion muss Privatsache bleiben. Religiöse Indoktrination von Kindern muss beendet werden.
  • Aufklärung und Bildung: Kritisches Denken, wissenschaftliche Methoden, Medienkompetenz gegen religiöse und ideologische Manipulation.
  • Soziale Gerechtigkeit: Bekämpfung der Ursachen von Radikalisierung – Armut, Perspektivlosigkeit, Diskriminierung.
  • Durchsetzung universeller Menschenrechte: Gegen alle religiösen Sonderrechte und Ausnahmen.
  • Wehrhaftigkeit: Entschiedenes Vorgehen gegen jede Form von Extremismus, ob religiös oder politisch.

Sanftmut ist keine Tugend, wenn sie bedeutet, die Augen vor realen Bedrohungen zu verschließen. Sanftmut ist Feigheit, wenn sie bedeutet, aus Angst vor Unbequemlichkeit die wahren Ursachen von Gewalt nicht zu benennen.

Die Kirche als Teil des Problems

Behnken steht exemplarisch für eine Institution, die ihre gesellschaftliche Irrelevanz spürt und verzweifelt nach Relevanz sucht. Die Kirche bietet keine Lösungen mehr – sie bietet nur noch Stimmungen, Gefühle, Innerlichkeit. Das „Wort zum Sonntag“ ist zur Karikatur einer Moralinstanz geworden, die mit Kuschelrhetorik versucht, sich ins Gespräch zu bringen.

Die Kirche hat nichts beizutragen zur Lösung der drängenden Probleme unserer Zeit. Nicht zum Klimawandel, nicht zur sozialen Ungerechtigkeit, nicht zur Bekämpfung von Extremismus. Ihr einziges Produkt ist religiöse Gefühligkeit – und die ist nicht nur nutzlos, sondern gefährlich.

Fazit: Sanftmut als Kapitulation

Behnkens „Wort zum Sonntag“ ist ein Dokument der Kapitulation. Statt die religiösen Wurzeln der Gewalt zu benennen, flüchtet sie sich in spirituelle Allgemeinplätze. Statt konkrete Lösungen zu fordern, predigt sie Innerlichkeit. Statt Verantwortung zu übernehmen für die Rolle, die Religion bei der Produktion von Fanatismus spielt, inszeniert sie sich als moralische Autorität.

Was wir an diesem zweiten Advent brauchen, ist keine Sanftmut, sondern Klarheit: Klarheit über die Ursachen von Gewalt. Klarheit über die Rolle von Religion. Und den Mut, religiöse Ideologien als das zu benennen, was sie sind: nicht die Lösung, sondern ein zentraler Teil des Problems.

In diesem Sinne: Einen aufgeklärten zweiten Advent. Ohne Götter, aber mit Verstand.

KI

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