Gedanken zu NACHGEDACHT 190: Die bedeutenden Dinge in unserem Leben – über Erinnerungsstücke

Lesezeit: ~ 3 Min.

Gedanken zu NACHGEDACHT 190: Die bedeutenden Dinge in unserem Leben, Originalartikel über Erinnerungsstücke verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 28.08.16 von Osthessennews

ACHTUNG: Dieser Beitrag enthält Darstellungen, die auf nicht religiös indoktrinierte Menschen abstoßend und verstörend wirken dürften.

[…] Natürlich sollten wir jetzt nicht sämtliche Gegenstände als heilige Erinnerungsstücke horten, bis die Wohnung platzt. Aber diejenigen Dinge, die uns wirklich etwas bedeuten und uns das erinnern erleichtern, sollten wir womöglich in Ehren halten.*

Mit anderen Worten: Das kann jeder machen, wie es beliebt. Sowohl was das Verschenken angeht, als auch das Aufheben. Denn Erinnerungsstücke sind eine individuelle, persönliche Angelegenheit.

Bizarre Erinnerungsstücke

Zum Thema „heilige Erinnerungsstücke“ fällt mir eine Entdeckung ein, die ich vor einigen Wochen in mehreren unterfränkischen Kirchen machte. Dort werden nämlich ganz spezielle „heilige Erinnerungsstücke“ aufbewahrt und zur Verehrung ausgestellt: Menschliche Knochenfragmente. Reich verziert und fein säuberlich mit den Namen der (angeblichen) früheren Besitzer beschriftet.

Neben menschlichen Schädeln und großen Beinknochen gibts da auch Schaukästen mit ganzen Sammlungen von Wirbeln und kleineren Knöchelchen aller Art:

Wie diese Zurschaustellung und Verehrung von menschlichen Skelettteilen wohl auf Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften oder auf religionsfreie Menschen wirken dürfte?

Warum nur Knochen? Und nicht ganze Leichen?

Und umgekehrt: Wie würden Christen zum Beispiel wohl die Rituale ihrer madegassischen Glaubensbrüder und -schwestern einschätzen? Die meisten Angehörigen des größten Volksstammes Madagaskars, die Merina, sind ebenfalls Christen und betreiben ebenfalls einen Ahnenkult.

Ihre heiligen Erinnerungsstücke sind aber nicht nur kleine Knochenteile. Sondern die Leichen ihrer Vorfahren. Die werden einmal jährlich aus ihren Gräbern geholt. Dann feiert man gemeinsam ein rauschendes Fest. Und erzählt sich das Neueste – also diejenigen der Gesellschaft, die dazu noch in der Lage sind. Und die Toten hören gespannt zu, dann gehts zurück ins Grab. Bis zur nächsten Feier.

Warum dürfte dieser Totenkult einem durchschnittlich aufgeklärten Nordwesteuropäer wahrscheinlich bizarr und absurd erscheinen, während die Verehrung von menschlichen Knochenteilen und anderen (echten oder gefälschten) Reliquien auch noch im Jahr 2016 in katholischen Kirchen hierzulande wie selbstverständlich praktiziert wird? Oder auch bei Umzügen, wenn menschliche Schädel und Knochen feierlich durch die Landschaft getragen werden?

Und hier noch eine interessante Parallele zwischen religiöser und politischer Ideologie: In beiden war und ist das Aufbewahren der Leichen von Anführern und hohen Würdenträgern gängige Praxis. Dass es sich dabei um einen Zufall handelt, halte ich für unwahrscheinlich.

Weitere Erinnerungsstücke

Wer sich in nordbayerischen katholischen Kirchen umschaut, findet dort noch weitere heilige Erinnerungsstücke. Ausstellungsstücke, die sich nur schwer mit einer angeblich frohen Botschaft in Einklang bringen lassen. Und nicht nur einige wenige, sondern alle katholische Kirchen haben Darstellungen von gequälten und gefolterten Menschen zu bieten. Aber nicht nur Jesus, der gerade am Kreuz zu Tode gefoltert wird, ist in Kirchen anzutreffen.

Denn fast überall gibts auch Statuen und Bilder von „Heiligen“, also um Menschen, die mindestens zwei Wunder vollbracht haben müssen und die nicht selten wegen ihres Glaubens hingerichtet wurden. Üblicherweise werden diese Menschen so dargestellt, wie sie ihrer Legende entsprechend zu Tode gekommen waren. Und so sieht das dann zum Beispiel aus:

Noch in keiner Kirche habe ich bis jetzt auch nur eine Darstellung als Erinnerung an die Millionen von Menschen gefunden, die nicht wegen ihres Glaubens, sondern wegen ihres Un- oder Andersglaubens von Christen gefoltert und ermordet worden waren.

Erinnerung an die Bösen Mächte

Erinnerung an... was genau?
Erinnerung an… was genau?

Im Gegenteil: Wenn andere als „Heilige“ in kirchlichen Darstellungen gequält werden, dann verkörpern diese immer „das Böse.“ Wobei „böse“ aus christlicher Sicht in erster Linie Un- und Andersglaube bedeutet. Wie auf auf den letzten beiden Bildern zu sehen.

Und die Darstellung (letztes Bild) des Menschen mit dunkler Hautfarbe, der sich gerade im Todeskampf krümmt, weil ein weißer Engel mit Schwert und Schild in der Hand auf ihm steht (Aufschrift: Wer ist wie Gott?) sei nicht unbedingt gleich rassistisch zu verstehen, meinte ein Angestellter der katholischen Kirche lapidar auf die Frage, ob das nicht vielleicht auch auf ihn schon irgendwie befremdlich wirken würde.

Denn christliche Nächsten- oder gar Feindesliebe endet spätestens dort, wo jemand oder etwas aus christlicher Sicht als „böse“ identifiziert wurde. Ein Meister im Erkennen von „Bösen Mächten“ ist Herr Algermissen aus Fulda.

Eine Institution, die solche Erinnerungsstücke öffentlich zugänglich zur Schau stellt, halte ich für äußerst fragwürdig. Was ist von einer Institution zu halten, in deren Außendarstellung (und nicht nur dort) Qual, Leid und Tod im Mittelpunkt stehen? Und nicht zum Beispiel die Lebensfreude? Oder die Freiheit und die Würde des Menschen?

Was ist die Aussage, was der tiefere Sinn von solchen wie den oben gezeigten Erinnerungsstücken für die heutige Zeit?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.
**Und wir haben auch diesmal wieder haben keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.

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