Ein ganz normaler Urlaub? – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Conrad Krannich (evangelisch), veröffentlicht am 28.6.25 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Herr Krannich flüchtet sich in naiven Apfelbäumchen-Symbolismus, statt sich zum Beispiel mal zur höchst problematischen Rolle von Religion in den gegenwärtigen Kriegen zu äußern.Voll gemein: Die aktuellen geopolitischen Konflikte und Kriege trüben Herrn Krannichs Urlaubs-Vorfreude.
Um sich nicht bei Teilen seines Publikums unbeliebt zu machen, berichtet er in seiner heutigen Realitäts-Anknüpfungs-Anekdote von zwei Gesprächen: Eins mit einem Freund aus Tel Aviv und ein weiteres mit einem Bekannten aus dem Iran.
Beide Gesprächspartner klagen „Conrad“ ihr Leid und berichten, wie sie bzw. ihre Familien die jüngsten Kriegshandlungen zwischen ihren Heimatländern erlebt haben. Und das ausgerechnet jetzt, wo doch in einigen Bundesländern die Ferien beginnen…. Da kann man sowas ja erst recht nicht gebrauchen…
Mir selbst fällt es gerade richtig schwer, das alles zusammenzubringen – und zusammenzuhalten. Die einen warten auf den Urlaub, die anderen auf einen Tag ohne Tod aus der Luft.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Ein ganz normaler Urlaub? – Wort zum Sonntag, verkündigt von Conrad Krannich (evangelisch), veröffentlicht am 28.6.25 von ARD/daserste.de)
Da kommt ein angebliches Lutherzitat gerade recht:
Luthers Apfelbäumchen…?
Martin Luther, der Reformator, hat für solche Momente mal Folgendes vorgeschlagen: „Wenn die Welt morgen untergeht“, soll er gesagt haben, „dann würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Soll er gesagt haben. Hat er aber sehr wahrscheinlich nicht.
Das Zitat stammt in dieser Form ursprünglich vom evangelischen Pfarrer Karl Lotz aus Hersfeld, der es in einem Rundbrief 1944 als „Lutherwort“ bezeichnet hatte. Ein authentisches Original von Luther gibt es dafür allerdings nicht.
Laut des Theologieprofessors und Lutherforschers Martin Schloemann habe sich Luther „tatsächlich aber mehr auf den Weltuntergang gefreut, als ihn zu fürchten.“ (Quelle: Wikipedia)
Schönes Leben bis dato
A propos Vorfreude auf den „Weltuntergang“: Vor einigen Tagen hatte ich das höchst zweifelhafte Vergnügen, mich auf der Facebook-Seite der evangelischen „Nordkirche“ mit einer religiös komplett hirngefickten[1]Für gewöhnlich verwende ich solche Begriffe nicht, aber „verstrahlt“ wäre in diesem Fall der reinste Euphemismus… Person unterhalten zu dürfen.
Die Christin berichtete von ihrer großen Vorfreude auf den 3. Weltkrieg, weil sich damit endlich, endlich die biblische Prophezeiung erfüllen würde und die vom Teufel besessenen Atheisten endlich, endlich für ihre dreckigen Lügen bestraft werden.
Zitat: „Ich freue mich tatsächlich, wenn dieser Spuk hier ein Ende hat, denn was ist daran noch schön, wenn man in einer Welt lebt, so Wahrheit zur Lüge wird, Lüge zur Wahrheit, Recht zu Unrecht, Unrecht zu Recht. Ein Christ kennt die Unterschiede.“
Sie wünschte mir dann noch, Zitat: „Schönes Leben bis dato, denn der Iran wird bald zurückschlagen, dann ist der 3. WK eingeläutet, und darauf folgt GOTTES GERICHT, & ZORN ENDE“
Ganz im Sinne Luthers
Anders als das gefälschte Apfelbäumchen-Zitat gibt es etliche authentische Aussagen von Luther zum Thema Weltuntergang.
Zum Beispiel:
- „Ich hoffe, dass der Tag nahe ist, an dem das Kommen des großen Gottes erscheinen wird.“ (Quelle)
- „Die Welt ist bereit für die Zerstörung, weil alle Hoffnung auf Besserung verschwunden ist; es bleibt nichts als die Erwartung des Jüngsten Tages, und dies erwarte ich mit ganzem Herzen.“ (Quelle)
- „So viel Elend ist auf der Erde, dass wir dieses Lebens überdrüssig werden und laut rufen sollten: Komm, lieber Herr, und erlöse uns!“ (Quelle)
Das klingt zumindest in sich schlüssig. Geisteskrank, aber schlüssig.
Präventives Apfelbäumchen
Da sich Herr Krannich offenbar (noch) keine Erlösung vom irdischen Elend herbeisehnt und er offenbar auch sonst keine bessere Idee hat, bleibt ihm nichts, als sich mit einem Fake-Zitat in Symbolismus zu retten:
In meiner eigenen Verzweiflung über den Krieg im Nahen Osten und die Angst, dass er sich ausweitet, habe ich letzte Woche tatsächlich ein Apfelbäumchen gekauft – als Erinnerung für mich als Christ, zuversichtlich zu bleiben. Malus domestica Elstar, 39,50 Euro im Baumarkt. Der steht jetzt erstmal auf unserem Balkon. Die Welt hat sich ja dieses Mal noch weitergedreht. Aber trotzdem – einpflanzen werde ich ihn. Präventiv. Für dunkle Tage.
Verwenden Christen nicht üblicherweise Todesfolterungs-Nachbauten, um sich daran zu erinnern, zuversichtlich zu bleiben…?
Na, dann kann ja (fast) nichts mehr schief gehen. Und wenns hart auf hart kommt, gibt’s wenigstens noch einen Apfel. Dann endet die biblisch-christliche Mythologie, wie sie begonnen hatte. Auch schön.
A propos biblisch-christlich: In einem Hadith wird der muslimische Prophet Mohammed (570-632) mit diesem Satz [gemeint ist das falsche Luther-Gartenbau-Zitat, Anm. von mir] zitiert.[2]Mahmoud Zakzouk: Eschatologische Vorstellung der Geschichte und ewiges Leben im Islam. In: Peter Koslowski (Hrsg.): Fortschritt, Apokalyptik und Vollendung der Geschichte und Weiterleben des Menschen … Continue reading Da ist zwar nicht vom Apfelbäumchen, sondern von einem Schößling die Rede, die Grundaussage ist aber die Selbe.
Hatte der evangelische Pfarrer Lotz sein Sprüchlein vom Apfelbäumchen vielleicht gar vom Islam abgekupfert…?!
Was Christen glauben
Als Christ glaube ich an das Leben mehr als an den Tod. Und auch mich kostet das manchmal richtig viel Kraft. Da hilft es, etwas dafür zu tun – zum Beispiel etwas zu pflanzen. Wer pflanzt, glaubt an morgen.
Was auf den ersten Blick wie ein Bekenntnis zur Akzeptanz der irdischen Endlichkeit und damit zur natürlichen Realität erscheinen könnte, dürfte bei Licht betrachtet das genaue Gegenteil bedeuten. Denn wenn es schon explizit um eine christliche Auffassung geht, dann ist mit „Leben“ ja nicht nur jenes im Diesseits, sondern auch dieses im Jenseits[3]5 Euro in die Wortspielkasse! gemeint.
Inwiefern Leben und Tod überhaupt eine Glaubensfrage sein soll, verrät Herr Krannich nicht. Glaube im religiösen Sinn braucht es nur, um Unsinn und/oder Fiktionen für wahr halten zu können. Wie etwa die biblisch-christlichen Jenseits-Narrative.
Und wenn man wirklich ehrlich echt daran glaubt, dass den paar irdischen Jahrzehnten im Idealfall ein zeitlich unbegrenztes Leben in himmlischer Herrlichkeit folgt, dann verkommt jede Sorge ums Diesseits zur Heuchelei. Daran ändern auch die bekannten theologischen Winkelzüge nichts, die versuchen, das Gegenteil zurechtzukonstruieren.
So gesehen waren und sind Leute wie Luther oder die oben zitierte radikal-religiöse Fundamentalistin deutlich näher bei der biblisch-christlichen Endzeit-Glaubenslehre als Herr Krannich mit seinem falsch zugeordneten Apfelbäumchen-Spruch.
Was gibt Kraft in diesen Tagen? Und was nicht?
„Was gibt dir denn Kraft in diesen Tagen?“, frage ich meinen israelischen Freund Amir. „Was hilft dir, nicht durchzudrehen?“ Amir sagt: „Dass ich gebraucht werde. Dass ich Menschen um mich herum unterstützen kann – meine Eltern, meine Kinder, meine Nachbarn. Das ist so ein großer Trost. Und was mir auch hilft, ist die Erinnerung: Auch diese Katastrophe wird ein Ende haben. Wenn das alles vorbei ist, werden wir etwas Besseres aufbauen. Der Tag wird kommen.“
Ja, das wird er. Darauf vertraue ich, das glaube ich.
Der Aspekt, welche fatale Rolle Religion bei den gegenwärtigen Konflikten und Kriegen im Allgemeinen und im Nahost-Konflikt im Besonderen spielt, wird vom Mann des Glaubens selbstverständlich mit keinem Wort erwähnt.
Der flüchtet sich lieber in geklauten, naiven Apfelbäumchen-Symbolismus.
Statt mal ehrlich und selbstkritisch zu überdenken, ob das wirklich so eine gute Idee ist, hauptberuflich noch mehr Religion zu verbreiten. Was auch in Krannichs weichgespülter Light-Version ja auch immer denen zugute kommt, die sich gerade von ihren jeweils geglaubten Göttern dazu berufen fühlen, die Welt von ihren willfährigen Untertanen in Schutt und Asche legen zu lassen. Gott will es!
Hoffnung Mensch. Nicht Gott.
Besonders fragwürdig finde ich, dass Gott ja offenbar sowieso überhaupt keine Rolle mehr spielt: Um an das Leben (im Sinne der diesseitigen Existenz von Lebewesen) zu glauben (im Sinne von: Nicht lebensmüde sein), braucht es keinen Gott. [4]Da Apologeten meist bewusst unklare und vieldeutige Formulierungen verwenden, lässt sich freilich nicht sagen, ob Herr Krannich tatsächlich das gemeint hat. Oder vielleicht auch etwas ganz … Continue reading
Unseren Überlebensinstinkt haben wir keinen Göttern zu verdanken. Sondern der Evolution. Die Vorfahren, die diesen nicht hatten, sind längst ausgestorben.
Auch in der Schilderung des Freundes aus Tel Aviv kommt kein Gott vor: Die Hoffnung, die „Amir“ beschreibt, ist die Hoffnung Mensch. Nicht die Hoffnung Gott.
Wozu also noch eine monotheistische Religion künstlich am Leben erhalten, die bis heute täglich beweist, wie groß das Gefahrenpotential solcher Religionen ist, solange sie noch die dafür erforderliche (weltliche) Macht besitzt?
Was muss eigentlich noch passieren, bis auch ein Herr Krannich einsieht, dass nicht mehr, sondern weniger Religion zumindest ein Schritt in Richtung einer friedlicheren und faireren Welt ist?
Je stärker Menschen davon überzeugt sind, sie würden mit ihren Kriegshandlungen den Willen ihrer Götter erfüllen und je weniger sie dies in Frage stellen, desto schwieriger gestaltet sich der Weg zu einer friedlichen Lösung. Denn dafür müssten sie ja nicht nur eigene Interessen zurückschrauben, sondern auch noch den angeblichen Willen ihrer Götter missachten, in deren vermeintlichem Namen und Auftrag sie Menschen in den Krieg geschickt hatten.
Religion ist nicht Teil der Lösung. Sondern ein verdammt großer Teil des Problems.
Nachtrag
Ob Herr Krannich dank seiner Pflanzaktion seinen Urlaub jetzt entspannter genießen kann als ohne, davon wird er vielleicht in einer seiner nächsten Sendungen berichten. Oder auch nicht.
Fußnoten
↑1 | Für gewöhnlich verwende ich solche Begriffe nicht, aber „verstrahlt“ wäre in diesem Fall der reinste Euphemismus… |
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↑2 | Mahmoud Zakzouk: Eschatologische Vorstellung der Geschichte und ewiges Leben im Islam. In: Peter Koslowski (Hrsg.): Fortschritt, Apokalyptik und Vollendung der Geschichte und Weiterleben des Menschen nach dem Tode in den Weltreligionen. Wilhelm Fink, München 2002 S. 115–129, hier S. 128., Zit. n. https://de.wikipedia.org/wiki/Luthers_Apfelb%C3%A4umchen |
↑3 | 5 Euro in die Wortspielkasse! |
↑4 | Da Apologeten meist bewusst unklare und vieldeutige Formulierungen verwenden, lässt sich freilich nicht sagen, ob Herr Krannich tatsächlich das gemeint hat. Oder vielleicht auch etwas ganz anderes. Selber schuld. |
„Besonders fragwürdig finde ich, dass Gott ja offenbar sowieso überhaupt keine Rolle mehr spielt“
So ist es. Beim katholischen Konkurrenten auch nicht. vaticannews titelte kürzlich „Papst fordert Ende aller bewaffneten Konflikte“. Von wem denn bitte schön ? Der Einzige, der das leisten könnte wäre doch sein Lieber Gott, der von Kirchenfürsten auch schon mal als König des Friedens verkauft wird. Den meint er aber sicher nicht; von dem darf man ja „um Gottes willen“ nichts fordern, sondern höchstens demütig bitten. Also wird es wieder einmal DER MENSCH sein, von dem er das fordert.
Klar muss immer der (Zank-)Apfel, die Frucht der Spaltung, für solche wirren Litaneien herhalten (Eris lässt grüssen).
Man stelle sich vor, Eva hätte damals von ner Bananenstaude genascht, was hätte das wohl mit dieser Religion angestellt?!
Irgendwie hab ich grade Bock auf nen „Banana-Split“… Split?… Verdammt, schon wieder Spaltung!… 😉
„Als Christ glaube ich mehr an das Leben als an den Tod.“
Das ist der Kernsatz der Predigt des Herrn Krannich und irreführend und verlogen noch dazu.
Herr Krannich gehört einer religiösen Denomination an, die den Todeskult weit mehr als jede Voodoo- oder Satanistensekte auf die Spitze getrieben hat.
Darum wird ja eine der gruseligsten Säulenheiligen – nicht nur der RKK – auch so abgöttisch verehrt. Das ist eine Frau – und wir kennen sie alle -, die nicht umsonst den treffenden Beinamen „der Todesengel von Kalkutta“ angehängt bekommen hat.
Aber Herr Krannich tut so, als wenn das alles ganz anders wäre.
Jedenfalls kann man seinen Spruch so verstehen. Aber er formuliert so, dass es nicht ganz klar wird. Das ist wieder so eine alte Masche, die Prediger des liberalen Christentums anwenden, um nicht festgelegt werden zu können – nach dem Motto: Allen wohl, und keinem wehe. Denn sie sind sich der Widersprüchlichkeit ihrer Aussagen meistens sehr wohl bewusst.
Im Grunde müsste er eigentlich ganz locker sein, denn es ist ja alles göttliches Schicksal, was ihm schon vor seiner Geburt zugedacht worden ist und er nur brav auf sein irdisches Ende warten müsste, um dann mit Pauken und Trompeten ins ewige Leben einzugehen.
Nur kann man sowas heutzutage einem ständig gottloser werdendem Publikum nicht mehr so einfach weissmachen. Das glauben nur noch stumpfe Fundamentalisten.
Und das kommt dann dabei heraus:
Apfelbäumchen gegen den Atomtod! Amen!
Und noch eins zum Schluss und am Rande: Warum gibt es immer weniger Priester-, Ordens- und Pfarrernachwuchs?
Eine Antwort ist die: Auch wenn wir bei Pisa nicht immer sonderlich gut abschneiden: Wer will denn diese unerträglichen Männerphantasien aus der Bibel heutzutage noch unters Volk bringen, um sich dann noch der Gefahr der Lächerlichkeit auszusetzen?
Um das zu vermeiden, dafür reicht unsere Bildung glücklicherweise noch.
Und dass es in afrikanischen, besonders in den armen Ländern, mit dem Priestermangel etc. noch nicht so dramatisch aussieht, hat einen wichtigen Grund darin, dass viele diese Berufe als relativ krisensicher und vergleichsweise gut bezahlt ansehen, und es darüber hinaus mit der sexuellen Abstinenz (kath.) bzw. ehelichen Treue (evgl.) inoffiziell nicht so genau genommen wird.
1. Ich pflanze gerade Katzengras an für Wuzzl und Mauzl. 🐈⬛🐈 Funktioniert das auch?
2. Lieber Marc, falls Du eine Gebrauchsanweisung für Diskussionen mit Hirnamputierten brauchen solltest: Ring me up, I am a professional! 😎
Hurra Herr Krannich, Mord und Totschlag auf der Welt, die Butter auf das Brot, die Sahne auf der Torte der Religionsverkäufer.
Frei nach dem Motto, je schlechter die Welt um so schöner der Glaube.
Oh mein Gott,
wenn es einen gerechten Gott geben sollte, kommen solch christliche Schwätzer, die ihre Religion derart auf dem Amboss der Unredlichkeit zurecht Hämmern, sicher in die Hölle.
Also Herr Krannich, immer schön vorsichtig mit der Gottesreichserwartung.