Gedanken zu NACHGEDACHT 197: Das, was andere sagen…, Originalartikel zum Thema Kritik verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 16.10.16 von Osthessennews
[…] „Ein Lehrer hat morgens recht und nachmittags frei.“ – „Ein Lehrer hat mehr Urlaub als Arbeit.“ – etc. – etc.
Ist es nicht sehr unhöflich und anstandslos, wenn man so oberflächlich einfach über den Beruf eines Menschen urteilt?
Sind solche Sprüche nicht so oberflächlich, dass man kaum davon ausgehen sollte, dass sich jemand ernsthaft darüber ärgert? Sicher gibt es einzelne Lehrer, auf deren Verhalten eine solche Beurteilung tatsächlich zutrifft.
So wie es sicher tatsächlich einige gierige Manager, unfähige Politiker, rigorose Ordnungsamt-Mitarbeiter oder zerstreute Professoren gibt. Oder auch geizige Schotten, einfach gestrickte Landwirte, überhebliche Fussballvereine… Es sind Pauschalisierungen, Stereotypen, Verallgemeinerungen.
Gerade, was die Sprüche über den Lehrerberuf angeht, dürfte hier auch einfach eine ordentliche Portion Neid mitschwingen. Und natürlich auch Unkenntnis darüber, dass für die allermeisten Lehrer die Arbeit mit Ende der 6. Stunde eben nicht vorbei ist.
Beleidigt wegen banalen Klischees?
Aber sind es solche Sprüche tatsächlich wert, sich darüber zu ärgern und deswegen persönlich beleidigt zu sein? Gerade wenn es sich um so offensichtlich ironisch überspitzte Vorurteile handelt? Es sollte nicht allzu schwer fallen, bei solch banalen Plattitüden einfach „drüber zu stehen.“
Sind die Vogelsberger ernstlich beleidigt und verärgert, weil sie von den Rhönern mitunter mal als in mancher Hinsicht minderbemittelt angesehen werden? 😉 Oder empfinden sie dies als ernst gemeinte Kritik an ihrem Verhalten?
[…] Warum ärgere ich mich darüber? Es liegt wohl daran, dass ich auf die Meinung der anderen Menschen wert lege.
Längst nicht jede „Meinung“ ist es wert, sich deswegen beleidigt oder persönlich angegriffen zu fühlen. Zum Beispiel, wenn diese Meinung nur aus einem plumpen Klischee besteht.
Und auch eine sachlich vorgetragene, ernst gemeinte Kritik sollte kein Grund für Ärger sein. Im Gegenteil. Konstruktive Kritik kann und sollte man immer nutzen, um den eigenen Standpunkt kritisch zu hinterfragen.
Konstruktive Kritik am Beispiel Religionsunterricht
So halte ich zum Beispiel Religionsunterricht für äußerst kritikwürdig, weil verfassungstechnisch höchst problematisch und verantwortungslos. Statt Kinder mit fragwürdigen Moralismen aus der Bronzezeit zu indoktrinieren, sollte man sie zu selbstständig denkenden, selbstverantwortlich handelnden Menschen erziehen, die sich nichts vormachen lassen.
Statt ihnen einzutrichtern, dass sie unwürdige, sündige, erlösungsbedürftige, vollständig von Gottes Gnade abhängige Kreaturen sind, sollte man Kinder ermutigen und stark machen. Damit sie sich ihrer eigenen Fähigkeiten und Herausforderungen bewusst werden.
Und statt einer unrealistischen Nächstenliebe, die aus christlicher Sicht nur dazu dient, die eigenen Chancen auf eine vermeintliche Belohnung im Jenseits zu erhöhen, sollte Fairness gelehrt werden. Nicht um Gottes-, sondern um des Mitmenschen willen.
Anstatt Kindern eine absurde religiöse Scheinwirklichkeit als real vorzugaukeln, sollte man ihnen beibringen, ihren Blick, ihre Sinne, ihr Denken zu schärfen. Und sie lehren, nichts einfach nur deshalb als wahr anzuerkennen, weil es ihnen jemand als wahr verkauft hat. Was ja bei Religionen der Fall ist.
Mit diesem Beispiel wollte ich den Unterschied zwischen einem platten Klischee und einer differenzierten, kritischen, konstruktiven Meinung demonstrieren.
Selbstbewusst und Spaß dabei
[…] Menschen, die auf sich selbst hören, sind nachweislich glücklicher.
Das ist deswegen logisch, weil niemand als Marionette von anderen gezogen und bestimmt werden möchte.
Da stimme ich voll zu. Und verweise nochmals auf meine eben formulierte Kritik am Religionsunterricht. Auch wenn sich manche (beiweitem nicht alle) Kirchenvertreter noch so bemühen, die christliche Lehre als etwas für Menschen Positives darzustellen: Die Grundaussage christlichen Glaubens ist und bleibt:
- Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. (Mk 16, 16 EU)
Wer Menschen eine fiktive, jenseitige Belohnung in Aussicht stellt und sie mit ebenso fiktiver Bestrafung erpresst, macht genau das: Er macht Menschen nicht frei und selbstbewusst, sondern unterwürfig und abhängig: „Herr, ich bin nicht würdig,…“ Und er schafft zusätzliche, künstliche Abgrenzung – zwischen Zugehörigen und den Un- und Andersgläubigen.
Immer weniger Menschen fallen auf diese von Menschen erdachten Belohnungs- und Bestrafungsphantasien herein. Immer mehr Menschen durschauen dieses Konzept, bei dem es in Wirklichkeit wahrlich nicht um ihr diesseitiges Wohl geht.
Und deshalb wollen auch immer weniger Menschen als verunsicherte, abhängig gemachte Schafe in der christlichen Herde mittraben.
Kritikfähigkeit lernen
[…] Es ist ein schwieriges und weites Feld, auf dem wir uns bewegen, wenn wir auf das hören, was andere sagen.
Besonders schwierig dürfte der Umgang mit Kritik für Menschen sein, die beigebracht bekommen haben, Dinge ihrerseits ungefragt, kritiklos und sogar gegen besseres Wissen als wahr anzuerkennen.
Diese gar zur frommen Tugend erklärte Kritiklosigkeit kann auch auch die Fähigkeit beeinträchtigen, ein harmloses, wahrscheinlich sogar nur humorig gemeintes Klischee von einer ernstzunehmenden, begründeten Meinung zu unterscheiden.
Wer sein Welt- und Wertebild auf der natürlichen Realität aufbaut statt auf einer religiösen Scheinwirklichkeit, der tut sich auch viel leichter damit, seine eigenen Überzeugungen und Ansichten kritisch zu hinterfragen. Und sie gegebenenfalls zu ändern, sollte es neue Erkenntnisse erforderlich machen.
Die Empfindlichkeit gegenüber Kritik ist gerade bei Menschen mit religiösen Überzeugungen oft besonders stark ausgeprägt. Denn der Glaube an Götter, Geister oder Gottessöhne verträgt nicht mal den leisesten Zweifel. Im Gegenteil. Wer einen Gott für wahr halten möchte, muss wider besseres Wissen so tun, als gäbe es ihn. Egal, ob er Jahwe, Zeus oder Thor genannt wird. Oder Fliegendes Spaghettimonster.
Immunisierung gegen Kritik
Stellt man die bisher unbewiesene und nur behauptete Existenz des jeweils behaupteten Gottes in Frage, fällt das ganze religiöse Kartenhaus in sich zusammen. Deshalb bekommen christlich indoktrinierte Kinder von Klein auf beigebracht, ihre religiösen Scheinwahrheiten gegen Kritik zu immunisieren. Mit fatalen Folgen.
[…] Kritische Meinungen können entweder konstruktiv oder destruktiv sein.
Nicht nur kritische Meinungen, sondern auch eigene Überzeugungen und Gewissheiten können konstruktiv oder destruktiv sein. So kann es vorkommen, dass man eine kritische Meinung als destruktiv empfindet – weil sie womöglich tatsächlich eine bisher als sicher angenommene Überzeugung in Frage stellt.
Kritik: Ad hominem oder sachliches Argument?
Hier empfiehlt sich eine differenzierte Betrachtung: Bezieht sich die geäußerte Kritik auf mich als Person („du bist nicht ok“) oder auf eine von mir vertretene Meinung oder ein von mir gezeigtes Verhalten („das, was du sagst/tust, ist nicht ok“)?
Werde ich gerade persönlich beleidigt („argumentum ad hominem“) oder übt jemand sachliche Kritik an einer von mir aufgestellten Behauptung oder an meinem Verhalten?
So kann man einfacher entscheiden, ob man sich sachlich-argumentativ mit der geäußerten Kritik auseinandersetzt. Oder ob man eine persönliche (oder klischeehaft pauschalisierte) Beleidigung einfach abhakt. Und wer möchte, kann nach christlicher Auffassung auch die andere Wange hinhalten. Oder sich gegen eine Beleidigung wehren.
Wer offen für sachlich vorgebrachte, kritische Argumente ist hat die Chance, den eigenen Standpunkt neu zu überdenken. Wer bei unsachlichen Beleidigungen oder klischeehaften Vorurteilen „drüber steht“, hat die Chance, Zeit und Nerven zu sparen.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
Auch der Kollege unserer drei Bischofsmützen sieht das anders: Kyrill I. hält Putin für "ein Wunder" und findet das mit…