Pilgerferien – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

Pilgerferien – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 13.9.2025 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Wenn Familienurlaub zur religiösen Offenbarung umgedeutet wird – Religiöse Selbstbeweihräucherung als spirituelles Marketing: Eine Kritik zu Alexander Höners „Pilgertour“

Am 13. September 2025 gewährte uns Pfarrer Alexander Höner in seinem „Wort zum Sonntag“ Einblicke in seine Sommererfahrungen. Was er als spirituelle Pilgererfahrung präsentiert, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als banaler Familienurlaub, der nachträglich religiös verklärt wird – ein Paradebeispiel dafür, wie beliebige Alltagserfahrungen durch religiöse Rhetorik zu pseudo-spirituellen Offenbarungen umgedeutet werden.

tl;dr

  1. Willkürliche Sakralisierung: Höner deutet eine normale Familienwanderung nachträglich zu einer spirituellen Pilgererfahrung um, ohne dass dafür objektive Gründe vorliegen.
  2. Banalisierung des Pilgerbegriffs: Echtes Pilgern wird zu einem beliebigen Familienerlebnis trivialisiert – es reicht angeblich, sich „Pilger“ zu nennen.
  3. Pseudo-spirituelle Verklärung: Alltägliche Wandererfahrungen (guter Geschmack von Instantnudeln nach Anstrengung, Dankbarkeit der Kinder) werden zu religiösen Offenbarungen stilisiert.
  4. Vereinnahmung säkularer Phänomene: Menschliche Gastfreundschaft wird als Beweis für die Güte der Kirche gedeutet, obwohl sie nichts mit Religion zu tun hat.
  5. Ignorierung säkularer Erklärungen: Die wissenschaftlich belegten positiven Effekte von Naturerlebnis und körperlicher Betätigung werden durch religiöse Spekulationen ersetzt.
  6. Religiöses Marketing: Die gesamte Erzählung wirkt wie Werbung für religiösen Tourismus, verpackt als spirituelle Botschaft.

Die Konstruktion des „Besonderen“

Höner beginnt seine Erzählung mit dem Gegensatz zwischen seinem üblichen Urlaub („Italien, Kroatien“) und der diesjährigen „Pilgertour“. Diese Dichotomie suggeriert bereits, dass das eine profan, das andere spirituell sei. Doch was folgt, ist die Beschreibung einer ganz normalen Wanderung mit der Familie – inklusive schwerem Rucksack, Verirren und schmerzenden Füßen.

Die einzigen „religiösen“ Elemente sind der gewählte Weg (Lutherweg) und das Ziel (Kloster). Dass eine Wanderroute einen historischen Namen trägt, macht sie nicht automatisch zu einer spirituellen Erfahrung, genau wie ein Besuch im Kloster nicht zwangsläufig zu einer religiösen Offenbarung wird.

Banalisierung des Pilgerbegriffs

Besonders problematisch ist Höners inflationärer Umgang mit dem Begriff „Pilgern“. Historisch bezeichnete eine Pilgerfahrt eine beschwerliche, oft gefährliche Reise zu heiligen Stätten, verbunden mit Buße, Gebet und spiritueller Läuterung. Höners 80-Kilometer-Wanderung durch Sachsen-Anhalt mit Zelt und Familie mag anstrengend gewesen sein, hat aber mit traditionellem Pilgern so viel zu tun wie ein Besuch im Freizeitpark mit einer Wallfahrt nach Santiago de Compostela.

Die Antwort auf die Frage seines Freundes, was denn das Wandern zum Pilgern mache, ist entlarvend:

„Wir wollten nicht wandern, wir wollten pilgern. Wir haben uns extra so genannt, und das – das ist schon mal der erste Schritt.“

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Pilgerferien – Wort zum Sonntag, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 12.9.2025 von ARD/daserste.de)

Dies ist nichts anderes als religiöses Wunschdenken – die Hoffnung, durch bloße Etikettierung profane Aktivitäten zu sakralisieren.

Pseudo-spirituelle Verklärung des Alltäglichen

Was Höner als spirituelle Erfahrungen präsentiert, sind alltägliche Phänomene, die jeder Wanderer kennt: Instant-Nudeln schmecken nach einem langen Marschtag besonders gut, Kinder sind dankbar, wenn nichts Schlimmes passiert, und nach 80 Kilometern ist man froh, angekommen zu sein. Diese banalen Erfahrungen zu religiösen Offenbarungen zu stilisieren, zeugt von einer problematischen Tendenz, überall das Wirken Gottes zu sehen.

Die „besondere Kraft“, mit der sich die Familie „durch die Natur verbunden“ fühlte, ist nichts anderes als das wohlbekannte Phänomen, dass körperliche Anstrengung in der Natur entspannend wirkt – eine Erfahrung, die Atheisten genauso machen wie Gläubige, ohne sie religiös deuten zu müssen.

Religiöse Vereinnahmung säkularer Gastfreundschaft

Besonders ärgerlich ist Höners Interpretation der Gastfreundschaft im evangelischen Freizeitenheim. Die Herzlichkeit von Karl-Heinz und Martina wird umstandslos als Beweis dafür genommen, dass „Kirche wirklich meine Heimat“ ist. Dass Menschen gastfreundlich sind, hat aber nichts mit ihrer Religionszugehörigkeit zu tun – freundliche Menschen findet man in Jugendherbergen, Gasthöfen und privaten Unterkünften gleichermaßen.

Die Vereinnahmung menschlicher Güte für die eigene religiöse Agenda ist nicht nur unfair gegenüber nicht-religiösen Menschen, die ebenfalls gastfreundlich sind, sondern auch gegenüber den Gastgebern, deren Freundlichkeit auf ihre Religionszugehörigkeit reduziert wird, nicht auf ihre Persönlichkeit.

Die Willkür religiöser Interpretation

Höners Erzählung zeigt exemplarisch die Willkür religiöser Weltdeutung. Das Nachtgebet eines Kindes („Danke, lieber Gott, für diesen Tag und dass uns nichts passiert ist“) wird als spiritueller Höhepunkt präsentiert, obwohl es sich um einen erlernten religiösen Reflex handelt, nicht um eine spontane Gottesbegegnung. Kinder sprechen nach, was ihnen beigebracht wurde – das ist Konditionierung, nicht Offenbarung.

Ebenso willkürlich ist die Interpretation des stillen Sitzens in der Kirche als religiöse Erfahrung. Meditation und Stille sind wichtige menschliche Bedürfnisse, die in vielen säkularen Kontexten befriedigt werden können. Ein buddhistischer Tempel, ein Konzerthaus oder ein ruhiger Wald können dieselbe Wirkung haben wie eine Kirche.

Säkulare Alternativen ignoriert

Aus humanistischer Sicht ist es bedauerlich, dass Höner die säkularen Aspekte seiner Erfahrung systematisch ausblendet. Die positiven Effekte seiner „Pilgerreise“ – Entschleunigung, Naturerlebnis, Familienzeit, körperliche Betätigung – sind durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt und bedürfen keiner religiösen Erklärung.

Dass regelmäßige Bewegung in der Natur, Verzicht auf technische Ablenkungen und gemeinsame Zeit mit der Familie das Wohlbefinden steigern, ist eine empirische Tatsache, die nichts mit göttlichem Wirken zu tun hat. Höners religiöse Interpretation verschleiert diese rationalen Zusammenhänge und macht seine Erfahrung für Nicht-Gläubige weniger zugänglich.

Marketing-Strategie im religiösen Gewand

Höners gesamte Erzählung liest sich wie eine Werbebroschüre für religiösen Tourismus. Die idyllische Darstellung („zelten unter Apfelbäumen“), die Betonung der Gastfreundschaft und die spirituelle Verklärung alltäglicher Erfahrungen sollen offensichtlich zum Nachahmen animieren. Dies ist religiöses Marketing, verpackt als spirituelle Botschaft.

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Besonders perfide ist die implizite Botschaft, dass nur religiöse Menschen solche „besonderen“ Erfahrungen machen können. Wer nicht glaubt, wandert nur – wer glaubt, pilgert und hat dadurch Zugang zu höheren Wahrheiten. Diese Exklusivität ist nicht nur arrogant, sondern auch faktisch falsch.

Die Banalisierung des Heiligen

Paradoxerweise schadet Höners Ansatz auch der Religion selbst. Indem er banale Urlaubserlebnisse zu spirituellen Offenbarungen stilisiert, banalisiert er das, was Gläubige als heilig betrachten. Wenn jede Instant-Nudelsuppe zu einer religiösen Erfahrung wird, verliert das wirklich Heilige an Bedeutung.

Traditionelle religiöse Praktiken – echtes Fasten, Meditation, Gebet – erfordern Disziplin und Hingabe. Höners „Pilgern light“ reduziert Spiritualität auf Wellness und macht Religion zu einer Lifestyle-Entscheidung ohne tiefere Verbindlichkeit.

Fazit: Ehrlichkeit statt religiöser Verklärung

Alexander Höners „Wort zum Sonntag“ ist ein Lehrstück dafür, wie religiöse Rhetorik verwendet wird, um alltägliche Erfahrungen künstlich zu erhöhen. Seine Wanderung war sicher schön und erholsam – das sind Wanderungen normalerweise. Sie zur spirituellen Pilgererfahrung zu stilisieren, ist jedoch unehrlich und manipulativ.

Eine aufgeklärte Gesellschaft braucht keine religiöse Verklärung des Alltäglichen. Sie braucht ehrliche Reflexion über menschliche Bedürfnisse und rationale Erklärungen für positive Erfahrungen. Dass Bewegung in der Natur, Familienzeit und Gastfreundschaft guttun, ist eine wunderbare Erkenntnis – sie wird nicht dadurch besser, dass man Gott dafür verantwortlich macht.

Höners Erzählung mag harmlos erscheinen, aber sie steht für eine problematische Tendenz, säkulare Phänomene religiös zu vereinnahmen und dadurch eine Weltsicht zu propagieren, die rationale Erklärungen durch spirituelle Spekulationen ersetzt. Das ist nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern auch unfair gegenüber all jenen, die ähnliche positive Erfahrungen machen, ohne sie religiös zu deuten.

Text mit KI bearbeitet

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4 Gedanken zu „Pilgerferien – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Cool, ich geh an heissen Tagen jetzt nicht mehr im Fluss spazieren.
    Ich geh jetzt „Wasserwandeln“, das klingt gleich viel erhabener und spiritueller, soll angeblich auch von nem jüdischen Sektenguru genauso praktiziert worden sein…

    Antworten
  2. Eigentlich „pilgert“ man ja, fromme Menschen jedenfalls, zu einem sogenannten „Heiligen Ort“, gewöhnlich Wallfahrtsort genannt. Die Hochleistungspilgerer mit Vorliebe nach Satiago de Compostella. Vielleicht ist es H. Höner aber entgangen, dass auch ganz unfromme Menschen umgangsprachlich schon längst zu ganz profanen Orten „pilgern“, wie z.B. zum Stadion ihres Fußballvereins oder zum Strand. Blasphemie, Blasphemie !!!

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  3. «Dass eine Wanderroute einen historischen Namen trägt, macht sie nicht automatisch zu einer spirituellen Erfahrung, genau wie ein Besuch im Kloster nicht zwangsläufig zu einer religiösen Offenbarung wird.»
    Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht.
    © Albert Schweitzer (1875 – 1965)

    Hier werden wieder einmal Ungläubige Verhönert.
    Jedes noch so unbedeutende Ereignis wird religiös verklärt.
    Ich denke hierbei gleich an einen Cartoon von Perscheid, wo der Toilettengang zum spirituellen Ereignis wird (der Stuhl sieht nach dem Toilettengang aus wie das Konterfei von Jesus).

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