Gedanken zu: Weihnachtsgruß per Video: Generalvikar Stanke mit besonderer Botschaft, veröffentlicht am 24.12.25 von osthessen-news.de
Darum geht es
Alle von Generalvikar Stanke aus Fulda genannten Werte – Gastfreundschaft, Dialog, Brückenbau – stehen auf säkularem Fundament und benötigen keine religiöse Begründung, durch die sie sogar noch geschwächt werden.Eine säkulare Kritik der Weihnachtsansprache von Generalvikar Stanke
Generalvikar Christof Stanke aus Fulda lädt uns in seiner Weihnachtsansprache ein, Brücken zu bauen und Räume zu öffnen. Eine sympathische Botschaft – die jedoch auf einem theologischen Fundament ruht, das einer kritischen Betrachtung nicht standhält.
Die Externalisierung menschlicher Fähigkeiten
Stankes zentrale These lautet: Das Kind in der Krippe „schenkt uns diese Weite“, Gott „schafft diesen Raum für Sie“. Hier zeigt sich wieder das klassische Muster religiöser Argumentation: Menschliche Fähigkeiten werden einem externen, göttlichen Akteur zugeschrieben.
Doch die Wahrheit ist profaner und zugleich ermutigender: Menschen schaffen seit jeher Räume für Begegnung, bauen Brücken zueinander und üben Gastfreundschaft – nicht weil ein angeblich göttliches Kind sie dazu befähigt, sondern weil es in unserer Natur als soziale Wesen liegt. Empathie, Kooperationsbereitschaft und die Fähigkeit zur Perspektivübernahme sind evolutionär gewachsene Eigenschaften, die uns als Spezies erfolgreich gemacht haben.
Wenn wir diese Fähigkeiten einer göttlichen Quelle zuschreiben, entmündigen wir uns selbst und unterschätzen die menschliche Eigenleistung. Schlimmer noch: Wir implizieren, dass Menschen ohne religiösen Glauben diese Räume nicht öffnen könnten – eine Behauptung, die durch die Realität täglich widerlegt wird.
Das Zitat als Etikettenschwindel
Besonders bemerkenswert ist Stankes Verwendung des Zitats von John Henry Nauen über Gastfreundschaft. Nauen war katholischer Priester und Theologe – doch sein Gedanke über Gastfreundschaft ist grundsätzlich säkular formulierbar und bedarf keiner religiösen Begründung.
Die Idee, anderen Menschen Raum zur Entfaltung zu geben statt sie „zurechtzubiegen“, ist ein humanistisches Kernprinzip. Sie entspringt dem Respekt vor der individuellen Autonomie und der Anerkennung der Würde jedes Menschen. Diese Haltung braucht keine Krippe als Legitimation – sie ergibt sich aus der rationalen Einsicht in die Gleichwertigkeit aller Menschen.
Indem Stanke diesen Gedanken religiös rahmt, vereinnahmt er eine universelle ethische Einsicht für seine Weltanschauung. Das ist intellektuell unredlich.
Die Asymmetrie der Brücken
Stanke spricht davon, Gott baue Brücken zu uns und lade uns ein, ebenfalls Brücken zu bauen. Doch worin besteht diese göttliche Brücke konkret? In der mythologischen Erzählung einer Geburt vor über 2000 Jahren? In einem theologischen Konstrukt ohne empirische Grundlage?
Echte Brücken werden von Menschen gebaut: durch Dialog, durch Kompromissbereitschaft, durch die Überwindung von Vorurteilen. Diese Arbeit leisten Menschen täglich – in Familien, in der Nachbarschaft, in der Politik. Sie tun dies aus eigenem Antrieb, aus ethischer Überzeugung, aus dem Wunsch nach friedlichem Zusammenleben.
Die Behauptung, Gott würde die erste Brücke bauen, ist nicht nur unbelegbar – sie ist auch demotivierend. Denn sie suggeriert, menschliche Brückenbau-Bemühungen seien nur Reaktionen auf ein göttliches Vorspiel, nicht eigenständige moralische Leistungen.
„Wir sind anderer Meinung“ – die Grenzen des Brückenbaus
Stanke erwähnt beiläufig „politische Auseinandersetzungen, wo wir spüren und merken, wir sind anderer Meinung“. Hier wird es interessant – und hier zeigt sich die Schwäche seines Ansatzes.
Denn nicht jede Meinungsverschiedenheit ist brückenbauwürdig. Wenn die eine Seite für Menschenrechte eintritt und die andere diese ablehnt, ist „Zuhören“ und „Brückenbauen“ keine Tugend, sondern moralische Kapitulation. Wenn demokratische Grundwerte zur Disposition stehen, braucht es keine Räume für „Veränderung“, sondern klare Kante.
Die religiöse Rhetorik der Versöhnung und des Raum-Schaffens verwischt diese notwendigen Unterscheidungen. Sie suggeriert, jeder Konflikt ließe sich durch mehr Verständnis lösen – eine naive Vorstellung, die den Ernst struktureller Ungerechtigkeit und ideologischer Unvereinbarkeit verkennt.
Der fehlende materielle Raum
Stanke spricht von „Räumen“ im übertragenen Sinne – doch was ist mit den realen, materiellen Räumen? Was ist mit bezahlbarem Wohnraum, den immer mehr Menschen fehlt? Mit Begegnungsorten in verödenden Innenstädten? Mit Kindergartenplätzen, Schulräumen, Kultureinrichtungen?
Diese Räume entstehen nicht durch göttliche Einladung, sondern durch politische Entscheidungen, finanzielle Investitionen und gesellschaftliches Engagement. Hier wäre die Kirche als Institution gefragt – nicht mit poetischen Worten, sondern mit der Öffnung ihrer eigenen, oft ungenutzten Räume, mit politischem Einsatz für soziale Gerechtigkeit, mit konkreter Unterstützung für Bedürftige.
Doch stattdessen bleibt es bei der metaphorischen Ebene, bei der Beschwörung innerer Räume und spiritueller Brücken. Das ist bequem – und folgenlos.
„Weihnachten der Tiefe“ vs. lautstarke Realität
Stanke wünscht uns „ein Weihnachten der Tiefe“ statt eines „lautstarken Weihnachten“. Das klingt kultiviert und reflektiert. Doch es ist auch eine typisch religiöse Abwertung des Weltlichen: Das Laute, das Materielle, das Konsum-Weihnachten wird dem stillen, tiefen, spirituellen Weihnachten gegenübergestellt.
Doch warum sollte das eine das andere ausschließen? Warum sollte Freude an Geschenken, an gutem Essen, an festlicher Atmosphäre weniger wertvoll sein als innere Einkehr? Diese falsche Dichotomie dient nur dazu, religiöse Innerlichkeit als überlegen darzustellen.
Menschen brauchen beides: Momente der Reflexion und Momente der Freude, stille Besinnung und ausgelassenes Feiern. Humanistische Ethik erkennt die Vielfalt menschlicher Bedürfnisse an, statt eine Hierarchie zwischen „tief“ und „oberflächlich“ zu konstruieren.
Was bleibt?
Stankes Ansprache ist wohlmeinend formuliert und spricht wichtige Themen an: Gastfreundschaft, Dialog, Brückenbau. Doch all diese Werte stehen auf eigenen Füßen – sie brauchen keine religiöse Begründung, keine Krippe, keinen Gott.
Mehr noch: Die religiöse Rahmung schwächt diese Werte sogar. Sie externalisiert menschliche Fähigkeiten, verwischt notwendige moralische Unterscheidungen und lenkt von konkretem Handeln ab durch metaphorische Rede.
Echte Brücken bauen wir nicht, weil ein göttliches Kind uns dazu einlädt. Wir bauen sie, weil wir die Konsequenzen unseres Handelns für andere Menschen verstehen, weil wir Empathie empfinden, weil wir in einer funktionierenden Gesellschaft leben wollen.
Das ist keine göttliche Gabe – das ist menschliche Würde und Verantwortung.

















Religion zieht seit Jahrtausenden tiefe Gräben.
Es ist eine Grundvoraussetzung um zwischen Gläubigen und Ungläubigen zu unterscheiden. Ohne diese künstlich erzeugten Feindbilder bräuchte es keine Religion, keine Missionierung, keine Kirche, etc.
Man schafft erst das Problem (Gräben) und bietet dann die Lösung (Brücken) an.
Stellt euch mal vor, ne Baufirma würde so agieren, wie ginge die Sache wohl aus?!
Goldene Nase verdient oder eher doch ne zünftige Gerichtsverhandlung inkl. Firmenpleite?