Gedanken zu: Impuls Stefan Buß: Weihnachtsbaum – Zeichen des Lebens und der Hoffnung, verkündigt von Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda, veröffentlich am 27.12.25 von osthessen-news.de
Worum geht es?
Stadtpfarrer Buß vereinnahmt einen vorchristlichen Brauch durch nachträgliche theologische Umdeutung und übersieht dabei, dass der Weihnachtsbaum seine Bedeutung auch ohne übernatürliche Heilsversprechen aus zutiefst menschlichen Bedürfnissen nach Licht, Leben und Gemeinschaft in der dunkelsten Jahreszeit bezieht.Der Weihnachtsbaum als „Zeichen des Lebens und der Hoffnung“ – so betitelt Stadtpfarrer Stefan Buß seinen jüngsten Impuls. Was folgt, ist ein Paradebeispiel nachträglicher christlicher Vereinnahmung eines ursprünglich vorchristlichen Brauches, gewürzt mit theologischer Umdeutung und einem Schuss heilsgeschichtlicher Zwangssymbolik.
Die vergessene Geschichte
Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Der Weihnachtsbaum ist keine christliche Erfindung.
Die Verehrung immergrüner Pflanzen zur Wintersonnenwende wurzelt tief in vorchristlichen Traditionen. Germanen, Kelten und Römer schmückten bereits ihre Häuser mit grünen Zweigen, um die wiederkehrende Sonne zu feiern und böse Geister fernzuhalten. Der geschmückte Tannenbaum, wie wir ihn kennen, etablierte sich erst im 16. Jahrhundert im deutschen Raum – also über 1500 Jahre nach der angeblichen Geburt Christi.
Diese historischen Fakten verschweigt Buß elegant. Stattdessen präsentiert er den Baum als genuin christliches Symbol und untermauert dies mit einem Jeremia-Zitat über einen am Wasser gepflanzten Baum. Die exegetische Akrobatik ist bemerkenswert: Ein biblischer Text über Vertrauen wird kurzerhand zum Beweis für die christliche Bedeutung eines Symbols, das zur Entstehungszeit des Textes in dieser Form überhaupt nicht existierte.
Theologische Überdehnung
Besonders gewagt wird es, wenn Buß im Weihnachtsbaum bereits „das Holz des Kreuzes“ erkennen will. Diese Vorausdeutung von Krippe auf Kreuz mag theologisch reizvoll sein, ist aber letztlich ein Musterbeispiel nachträglicher Sinnstiftung. Ein gefällter Nadelbaum wird zum christologischen Bedeutungsträger erklärt, weil beide – Baum und Kreuz – aus Holz bestehen. Mit derselben Logik könnte man jeden Holzstuhl, jeden Dachstuhl und jeden Bleistift zum Symbol der Erlösung erklären.
Was hier geschieht, ist keine Analyse der tatsächlichen Bedeutung eines Symbols, sondern dessen christliche Überschreibung. Der Weihnachtsbaum wird zum leeren Gefäß, in das beliebige theologische Inhalte eingegossen werden können.
Die naturalistische Alternative
Dabei bräuchte es keine göttliche Intervention, um die Faszination des Weihnachtsbaums zu erklären. Die Wertschätzung immergrüner Pflanzen im Winter ist evolutionspsychologisch durchaus nachvollziehbar: In einer kargen, lebensfeindlichen Jahreszeit erinnert das Grün an Leben, Wachstum und die Wiederkehr des Frühlings. Es ist ein Zeichen der Hoffnung – aber einer Hoffnung, die auf der Beobachtung natürlicher Zyklen basiert, nicht auf der Verheißung übernatürlicher Eingriffe.
Die Kerzen am Baum? Sie sind praktische Lichtquellen in der dunkelsten Zeit des Jahres, die gleichzeitig Wärme und Gemütlichkeit erzeugen. Das Zusammenkommen der Familie? Ein zutiefst menschliches Bedürfnis nach sozialer Bindung, das keiner göttlichen Legitimation bedarf. Die Geschenke? Ausdruck von Zuneigung, Großzügigkeit und Reziprozität – alles Verhaltensweisen, die sich in der Evolution als gemeinschaftsfördernd erwiesen haben.
Das Problem der Vereinnahmung
Was an Buß‘ Text besonders problematisch ist: Er suggeriert, dass der Weihnachtsbaum nur für Christen eine tiefere Bedeutung haben kann. Die säkulare Mehrheit, die ebenfalls Weihnachtsbäume aufstellt, wird implizit enteignet. Ihre Bräuche werden zu christlichen Symbolen umgedeutet, ihre Emotionen zu religiösen Erfahrungen uminterpretiert.
Diese klerikale Aneignung ist nicht nur historisch fragwürdig, sondern auch gesellschaftlich spalterisch. Sie untergräbt die Möglichkeit gemeinsamer, inklusiver Traditionen, indem sie diese konfessionell markiert und mit exklusiven Heilsversprechen auflädt.
Humanistische Hoffnung ohne Gott
Der Stadtpfarrer schließt mit der Feststellung, der Baum erzähle „von der Liebe, die mitten unter uns wohnt“. Dem kann man zustimmen – allerdings ohne den theologischen Ballast. Die Liebe, die Menschen einander entgegenbringen, das Licht, das sie in dunklen Zeiten füreinander sein können, die Hoffnung, die aus menschlicher Solidarität erwächst – all das bedarf keiner göttlichen Garantie.
Im Gegenteil: Eine Hoffnung, die auf menschlicher Verantwortung, wissenschaftlichem Fortschritt und ethischem Handeln gründet, ist ehrlicher und letztlich tragfähiger als eine, die auf das Eingreifen eines Wesens setzt, für dessen Existenz es keinen überprüfbaren Beleg gibt.
Der Weihnachtsbaum kann ein schönes Symbol sein – für den Kreislauf der Natur, für menschliche Traditionen, für Gemeinschaft und Besinnlichkeit. Er braucht keine theologische Überhöhung, um bedeutsam zu sein. Manchmal ist ein Tannenbaum einfach ein Tannenbaum – und das ist vollkommen in Ordnung.

















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