Muss ich sonntags in den Gottesdienst?

Lesezeit: ~ 3 Min.

In diesem Beitrag auf fragen.evangelisch.de äußerte eine Besucherin ihre Sorge, dass Gott sauer auf sie sein könnte, weil sie ihm versprochen hatte, den Gottesdienst regelmäßiger zu besuchen. Was sie dann aber nicht tat. Weil sie der Gottesdienst nicht erreiche und ihr Gottesdienstbesuche als Zeitverschwendung vorkommen würden.

Der zuständige Beantwortungspfarrer, der nur Fragen beantwortet, die ihm in den Kram passen, wartete mit einigen erstaunlichen Behauptungen auf:

Machen Sie keine „Deals“ mit Gott! Wenn Sie etwas von Gott erbitten – sei es Vergebung oder auch die Erfüllung Ihrer Gebete – vermeiden Sie es unbedingt, Gott dafür etwas anzubieten! Solche Angebote interessieren Gott nicht.*

Herr Frank M. weiß also ganz offensichtlich nicht nur, dass der von der Besucherin verehrte Gott existiert. Sondern auch, was diesen Gott interessiert. Und was nicht. Dass man diesen Gott um Vergebung oder auch um Erfüllung eines Gebetes bitten kann.

Das finde ich allerdings äußerst bemerkenswert. Und frage mich gleichzeitig, ob er das seiner Arbeitgeberin schon mitgeteilt hat? Schließlich bräuchte ab sofort niemand mehr an Gott zu glauben, wenn Herr Frank M. ja ganz offensichtlich weiß, dass Gott existiert und sogar, was ihn interessiert. Ob Herr Pfarrer bei Gelegenheit Gott auch mal zum Beispiel nach einer Antwort auf die Goldbachsche Vermutung fragen könnte?

…habs ja gar nicht versprochen!

Für den unbequemen Umstand, dass Menschen ganz offensichtlich nun mal nicht geschaffen sind, „sündenfrei“ zu leben (wieso eigentlich nicht, bei einem angeblich allmächtigen Schöpfer, der nebenbei Menschen für „Sünden“ bestraft und zur Vergebung von „Sünden“ Menschenopfer verlangt?) bietet Herr Pfarrer eine allzu fadenscheinige Interpretation einer Bibelstelle an:

Auch Jesus hat in der berühmten Geschichte von der Fast-Steinigung der Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde nicht verlangt, dass sie versprechen soll, nie wieder zu sündigen. Er forderte sie lediglich dazu auf, ohne ein Versprechen zu verlangen und sagte: „Geh hin und sündige nicht mehr.“ (Joh 8,11)

Was könnte sich besser als Beispiel für ethisch korrektes Verhalten eignen als eine antike Legende über eine Fast-Steinigung wegen Ehebruchs und den Anführer einer Endzeitsekte? Und natürlich verlangt Jesus hier ganz unmissverständlich, dass die Frau nicht mehr sündigen solle. Schließlich sagte er nicht: „versuche, nicht mehr zu sündigen“, sondern er sagte: „sündige nicht mehr.“

Das Ganze erinnert sehr an typische Gespräche unter Kindergartenkindern: „Das musst du aber machen!“ – „Muss ich gar nicht! Weil, ich habs nämlich gar nicht versprochen! Also muss ichs gar nicht machen! Ätsch!“ – „Musst du wohl!“ – usw.

Gottesdienst besuchen? Völlig egal!

Dann führt Herr Pfarrer das ganze Thema Vergebung noch selbst ad absurdum:

Direkt auf Ihre Frage gemünzt, bedeutet das: Natürlich wird Ihnen auch vergeben, wenn Sie Versprechungen nicht einhalten.

Mit anderen Worten: Es ist völlig egal, was jemand tut oder nicht tut. Ob man den Gottesdienst besucht oder nicht. Gott vergibt „natürlich“ – also offenbar alles und jedem. Welchen Wert kann dann eine solche Vergebung noch haben? Und einmal mehr frage ich mich und Herrn Pfarrer: Auf welcher Grundlage basiert diese Aussage? Woher wissen Sie, dass sich Gott so verhält?

[…] Es fehlt ihm genau diese Erfahrung der Gemeinschaft mit anderen und nicht zuletzt mit Gott.

Wie lässt sich die „Gemeinschaft mit Gott“ als eine tatsächliche „Gemeinschaft mit Gott“ erkennen? Und wie lässt sie sich zum Beispiel von der Erfahrung der Gemeinschaft mit anderen Menschen unterscheiden?

Woran kann man erkennen, mit welchem Gott man es zu tun hat? Und dass man nicht nur vielleicht nur von einem Dämon oder Alien einen üblen Streich gespielt bekommt?

Im Zweifelsfall: Selber schuld

Dann überträgt Herr Pfarrer sicherheitshalber die Verantwortung doch noch auf die erst schon verunsicherte Fragerin:

Sie müssen nicht [Gottesdienste besuchen], aber Sie sollten schon, und wenn Sie’s nicht tun, müssen Sie das mit sich selbst und Ihrem Gott ausmachen.

Und lässt die Frage offen, die sich jedem halbwegs aufgeklärten Menschen hier unweigerlich stellen dürfte: Wer oder was soll mit „Ihrem Gott“ gemeint sein? Und wie soll ich etwas mit diesem ausmachen können?

Mit einem Wesen, das sowieso schon alle Macht über mich und über alles andere hat, sich aber nicht auf Deals einlässt und das auch keine Versprechen als Grundlage einer Vereinbarung akzeptiert? Weil ein evangelischer Pfarrer das behauptet?

Antwort aus rationaler Sicht:

Gottesdienst
Gottesdienst für die Sonne

Sie können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und bis zum Beweis des Gegenteils getrost davon ausgehen, dass auch der Gott, den Sie verehren, nicht existiert. Damit erübrigen sich alle diesbezüglichen Sorgen.

Nutzen Sie Ihre unvorstellbar kostbare, weil aller Wahrscheinlichkeit nach einmalige Lebenszeit dazu, das zu tun, was immer Sie möchten, ohne dabei gleichberechtigte Interessen Anderer zu beeinträchtigen.

Kein überirdisches Wesen verlangt irgendetwas von Ihnen. Es liegt in Ihrer persönlichen Verantwortung, Ihr Leben nach Ihren persönlichen Vorstellungen zu gestalten.

Wenn Sie jemandem Ihren Dank ausdrücken möchten, danken Sie den Mitmenschen, die für Sie da sind, wenn Sie sie brauchen.

Oder danken Sie am Sonntag einfach der Sonne. Das ist der Sonne zwar genauso egal wie Ihrem imaginären Freund, aber immerhin existiert die Sonne und ohne sie gäbe es Sie nicht.

Viel Spaß dabei!

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag auf fragen.evangelisch.de, abgerufen am 30.8.2016

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