Gute Schafe – schlechte Schafe

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Ein Facebook-Nutzer bemängelte in einem Facebook-Kommentar zu diesem Artikel meine Verwendung des Begriffes „Schafe“ für „gläubige Menschen.“

Schwarzes Schaf
Sprichwörtlich unerwünscht: Schwarzes Schaf

Meine Verwendung des Begriffes sei negativ, im Sinne von Dummheit und Gedankenlosigkeit. Laut Bibel stünde der Begriff aber für die Eigenschaften Harmlosigkeit, Friedfertigkeit, Schutzbedürftigkeit und Vertrauen in den Hirten Christus.

Grund genug, sich einmal genauer anzuschauen, was die Bibel denn eigentlich zum Thema Schafe weiß.

Zunächst fällt auf, dass Schafe offenbar die Tiere sind, die am häufigsten in der Bibel auftauchen. Ganze 168 Ergebnisse liefert die Volltextsuche Begriff Schafe, dazu gibts in der Bibel (Einheitsübersetzung EU) noch 72 mal Lamm, 68 mal Lämmer und 36 mal Schaf. Zum Vergleich: Nur 68 Ziegen (15 mal Ziege) gibts in der Bibel.

Natürlich kommen Schafe nicht nur in Form von Gleichnissen und stellvertretend für Gläubige vor, sondern auch zum Beispiel bevorzugt als Opfertiere:

  • Und sprich zu ihnen: Dies sind die Feueropfer, die ihr dem HERRN opfern sollt: einjährige Schafe, die ohne Fehler sind, täglich zwei zum täglichen Brandopfer, ein Schaf am Morgen, das andere gegen Abend; […] (Quelle: 4. Mose 24:3-4 LUT)

Das ist nicht weiter erstaunlich: Die Bibeltexte, die manche Menschen noch heute, im 21. Jahrhundert, für besonders bedeutsam halten und gar behaupten, es handele sich dabei und göttlich inspirierte, wortwörtliche Wahrheit (Altes UND Neues Testament!), waren im Vormittelalter für die soziale Unterschicht eines primitiven Wüstenvolkes verfasst worden. Diese Leute hatten vermutlich viel mit Schafen zu tun und Tieropfer waren an der Tagesordnung.

Das „Lamm Gottes“ ist übrigens (wie alle anderen biblischen Gleichnisse, Märchen und Mythen auch) nicht christlichen Ursprungs, sondern lediglich (höflich formuliert) eine Adaption von früheren, schon längst bekannten Geschichten. „Jesus Christus“ war längst nicht das erste „Lamm Gottes.“

Betrachten wir nun die Stellen, an denen „Schafe“ synonym für „Gläubige“ verwendet wird. Zunächst fällt auf, dass mit dem Bild von der Schafsherde sehr oft die Abgrenzung der Ingroup (die, die zur Herde gehören) gegenüber der Outgroup (alle, die nicht zur Herde gehören) zum Ausdruck gebracht wird, zum Beispiel (Alle folgenden Stellen aus der Einheitsübersetzung):

  • Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken. (Mt 25,33 EU)
  • Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. (Joh 10,16 EU)
  • ihr aber glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört. (Joh 10,26 EU)
  • Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. (Mt 25,32 EU)

Wie in der Bibel üblich, gibts natürlich auch für diesem Fall bei Bedarf das Gegenteil:

  • Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr alle werdet in dieser Nacht an mir Anstoß nehmen und zu Fall kommen; denn in der Schrift steht: Ich werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe der Herde zerstreuen. (Mt 26,31 EU)

Schafe, die nicht zur Herde gehören, sind grundsätzlich verloren. Es gibt keine Alternative zur Herdenzugehörigkeit. Als individuelle Persönlichkeiten oder in einer anderen als der christlichen Herde sind Schafe ausnahmslos verloren:

  • Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt aber seid ihr heimgekehrt zum Hirten und Bischof eurer Seelen. (1. Petr 2,25 EU)
  • Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. (Joh 10,8 EU)
  • Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt aber seid ihr heimgekehrt zum Hirten und Bischof eurer Seelen. (1. Petr 2,25 EU)

Andere Stellen bieten, wie ebenfalls in der Bibel üblich, genug Spielraum für Interpretation:

  • Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. (Joh 10,4 EU)
  • Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. (Joh 10,16 EU)

Schafe erdulden zudem klag- und widerstandslos jedes Leid und auch ihre Hinrichtung:

  • Der Abschnitt der Schrift, den er las, lautete: Wie ein Schaf wurde er zum Schlachten geführt; und wie ein Lamm, das verstummt, wenn man es schert, so tat er seinen Mund nicht auf. (Apg 8,32  EU)

Hinter der angeblich schafsmäßigen Friedfertig- und Harmlosigkeit versteckt sich eine schlangenhafte Klugheit und eine taubenmäßige Naivität:

  • Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben! (Mt 10,16 EU)

Fazit: Mit entsprechender Phantasie (und wenn es einem besser ins Bild passt) und bei der für die Exegese üblichen hochselektiven Lesart („Rosinenpicken“) könnte man diese Aussagen schon irgendwie auch als „Schutzbedürftigkeit und Vertrauen auf den Hirten Christus“ interpretieren.

Die Gesamtaussage der Schafs-Gleichnisse fasse ich aufgrund meiner kleinen Untersuchung wie folgt zusammen:

  • Schafe werden niemals dazu aufgefordert, selbständig nachzudenken oder kritische Fragen zu stellen, schon gar nicht bezüglich ihres Hirten.
  • Sie müssen vielmehr bedingungslos akzeptieren, dass ihr Hirte tatsächlich der einzig wahre und gute Hirte ist.
  • Alle anderen Hirten sind schädlich und falsch.
  • Es genügt, die „Stimme des Hirten“ zu kennen und ihm zu folgen, mehr wird nicht von ihnen verlangt. Was der Hirte sagt, spielt keine Rolle.
  • Schafe erdulden jedes Leid und auch ihre Schlachtung klag- und widerstandslos.
  • Wer sich nicht daran hält oder wer keiner oder einer anderen Herde angehört, ist hoffnungslos verloren.

Gerade übertragen auf menschliches Verhalten bringen diese Aussagen, besonders auch unter objektiver Betrachtung der biblischen Gesamtaussage, aus meiner Sicht sehr wohl totale Abhängigkeit, bedingungslose Unterwürfigkeit und blinden Gehorsam zum Ausdruck.

Natürlich wünschen sich die Religionsführer ihre Untertanen genau so und nicht anders: Folgsam, unselbständig, abhängig, ihrem Hirten bedingungslos nachfolgend. Im Gegenzug gibts dafür das angenehme Gefühl, Mitglied der Herde des „richtigen“ Hirten zu sein, sowie die Entbindung von anstrengender Selbstdenkerei.

Es ist allzu verständlich, dass sich heute kaum jemand mehr so fühlen möchte und deshalb sind Versuche Gläubiger, den Schafsvergleich irgendwie zu bewältigen, kaum überraschend.

Ich komme zu dem Schluss, dass meine Verwendung der in klerikalen Kreisen wie selbstverständlich gebrauchten Begriffe „Schafe“ und „Hirte“ allerdings durchaus der biblischen Aussage entspricht.

Breaking news: Soeben haben das Lamm und seine Frau ihre Hochzeit bekannt gegeben!

  • Wir wollen uns freuen und jubeln und ihm die Ehre erweisen. Denn gekommen ist die Hochzeit des Lammes und seine Frau hat sich bereit gemacht. (Offb 19,7 EU)

 

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