Gedanken zu NACHGEDACHT 194: „Der Zauber des ersten Blicks“, Originalartikel zum Thema „satt haben“, verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 25.09.16 von Osthessennews
[…] Ich finde es immer sehr schade, wenn ich merke, dass ich etwas satt habe.*
So unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein. Wer zur rechten Zeit am rechten Ort geboren wurde, muss womöglich tatsächlich sehr bedauern, etwas satt zu haben. Menschen mit anderen Ausgangsbedingungen haben dieses Luxusproblem eher selten. Denn die haben mitunter nicht mal etwas, wovon sie satt sein könnten.
Ob es Jahwe, der Berge-Wüsten-Kriegs-Lieber-Gott** aus der Bronzezeit und ehem. Gemahl von Göttin Aschera auch sehr schade fand als er merkte, dass er die Menschen satt hatte? Und der deswegen fast seine gesamte Schöpfung ertränkte?
Um etwas satt haben zu können, muss man erstmal etwas haben
Im Prinzip hilft – wenn man alles satt hat oder nichts mehr den Reiz des Neuen trägt – nur, dass man sich vorstellt, es wäre weg.
Welches Prinzip soll das denn sein? Sich selbst einen gar nicht vorhandenen Verlust vorzugaukeln, um etwas wieder wertschätzen zu können? Wäre das nicht so ähnlich, wie wenn man einem Kind zwei Wochen vor seinem Geburtstag sein Lieblingsspielzeug wegnimmt, um es ihm dann zum Geburtstag wieder zu schenken?
Es kann doch durchaus sein, dass sich Dinge verändern. Oder auch Sichtweisen. Was jemandem mit 20 vielleicht wichtiger als alles andere war, mag mit 30 völlig bedeutungslos geworden sein. Könnte man ein Sättigungsgefühl nicht auch zum Anlass nehmen, sich neu zu orientieren? Zum Beispiel mal ein Buch aus einem anderen Regal lesen, andere Wege gehen oder etwas ganz Neues für sich entdecken?
Und wenn etwas seinen Reiz verloren hat, auf das man aber doch nicht verzichten kann oder möchte, so wäre es sicher erfolgversprechender, sich mit den Ursachen zu befassen. Anstatt sich selbst etwas vorzumachen.
Und ein gewisser Gewöhnungseffekt hat sicher auch sein Gutes. Man stelle sich vor, man wäre jedes Mal aufs Neue völlig überwältigt von etwas, was eigentlich schon längst Teil der alltäglichen Wahrnehmung geworden ist.
Wertschätzung nach christlichem Verständnis
[…] Außerdem: Dinge oder Personen für selbstverständlich zu halten, ist der Tod der Wertschätzung.
Christen, die das so genannte „Wort Gottes“ oder die Aussagen dessen Sohnes als „wertvolle Richtschnur“ für ihr tägliches Verhalten ansehen, könnten da in einen Konflikt geraten.
Denn die Autoren der biblischen Mythen und Legenden lassen ihren Jesus unmissverständlich klar machen, dass die Anhänger seines Gottes eben keinen Wert auf irdische Nichtigkeiten legen sollen:
- Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. (MT 6, 19-20 LUT)
- Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? (Mt 6, 25 LUT)
- Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. (Mt 6, 31-34 LUT)
Die Aussage ist klar: Euch erwartet nach eurem Tod etwas viel Wertvolleres als alles, was ihr in eurem irdischen Dasein je erwarten könnt. Beweisen konnte das bis jetzt noch niemand, ebenso das Gegenteil. Ertragt euer Elend voller Stolz und Demut, denn ihr seid das auserwählte Volk.
Hoffnungsvolle Illusion
Auf Menschen mit dem vergleichsweise geringen Wissensstand, den die Leute damals hatten, mag dies noch mächtig Eindruck gemacht haben: „Ui, ich brauche mir um mein diesseitiges Glück ja gar keine Gedanken zu machen, weil, das Eigentliche kommt dann ja erst noch!“
Da es aber Stand heute noch nicht mal wenigstens für das Vorhandensein eines Jenseits einen plausiblen Grund zur Annahme gibt, kann man getrost davon ausgehen, dass es sich beim Jenseits im religiösen Sinn um eine rein menschliche Fiktion handelt. Ganz besonders in der Hinsicht, dass dort ein überirdisches, allmächtiges Wesen nach unbekannten Maßstäben für ewige Belohnung oder Bestrafung sorgen würde…
Das Ganze ist eine Illusion, die perfekt geeignet war, um Menschen einzureden, ihr irdisches Dasein sei nichtig im Vergleich zur ewigen postmortalen Herrlichkeit. Und natürlich genauso geeignet, um Menschen eine ebenso ewige postmortale Bestrafung anzudrohen, sollten sie sich nicht an die angeblich göttlichen Spielregeln halten. Die in Wirklichkeit ebenfalls rein menschlichen Ursprungs sind.
Carpe diem, jeden Tag
Entfällt die Vorstellung eines Jenseits, bekommt dadurch das Diesseits plötzlich eine noch viel größere Bedeutung. Und tatsächlich mögen die eigentlich recht banalen Erkenntnisse für manche religiös geprägte Zeitgenossen selbst heute noch geradezu schockierend sein:
- Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Götter, auch nicht deinen.
- Ausnahmslos alle religiösen Glaubensinhalte sind von Menschen zu bestimmten Zwecken erdachte Phantasien.
- Nach dem Tod wirst du wieder das sein, was du vor deiner Geburt warst: Nicht in Form einer spezifischen menschlichen Identität existent.
- Das Leben ist mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit dein einziges, also genieße es!
- Tue was du willst, ohne dabei gleichberechtigte Interessen anderer zu verletzen.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
**Aussagen über Götter, Gottessöhne und Geister beziehen sich auf diesbezügliche biblische Schilderungen.
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!!! „Und den Auftrag der Schulen, diese Werte, ihre Ursprünge und Grundlagen, auf denen sie basieren zu lehren, statt Kinder…