Des Kaisers neue Kleider und die Theologie

Lesezeit: ~ 3 Min.

Was hat das Märchen Des Kaisers neue Kleider mit Religion zu tun? Sehr viel:

Theologie ist die Wissenschaft von den Stoffen, Schnitten und Mustern von des Kaisers neuen Kleidern.

Des Kaisers neue Kleider

Das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen dürfte den meisten Lesern wohl bekannt sein. Wer die Geschichte nicht kennt, kann sie sich hier anhören:

Theologie und Des Kaisers neue Kleider

Was hat das Märchen nun mit Theolgie zu tun? In beiden wird die Existenz von etwas behauptet, das augenscheinlich nicht existiert.

Auch eine „wissenschaftliche Bibliothek“ an Erörterungen dieser Stoffe, Schnitte und Muster kann nicht über die unpässliche Tatsache hinweghelfen, dass der Kaiser nackt ist – dass seine angeblichen Kleider eine kollektive Fiktion sind – die ohnehin niemand sieht. Was aber kollektiv verdrängt wird.

Im Märchen machen die beiden schlauen Weber dem Kaiser klar, dass die Menschen, die die Kleider nicht sehen könnten, dumm seien und nicht für ihr Amt taugten.

Diese Blöße möchte sich der Kaiser natürlich nicht geben. Und seine Untertanen auch nicht. Denn schließlich glaubt ja der Kaiser persönlich an die Existenz seiner neuen Kleider.

Das Autoritätsargument

Über viele Jahrhunderte galten die Kirche und ihre Vertreter ebenfalls als hohe Autoritäten. Und wenn die gelehrten Theologen an die Existenz des jeweils behaupteten Gottes glauben – dann muss er ja schließlich auch existieren, oder?

Dieses Autoritätsargument, auch als argumentum ad verecundiam bezeichnet, war für viele Gläubige ein sehr gewichtiges Argument.

  • Da Autorität als solche keine Garantie für Wahrheit ist, handelt es sich nicht um eine logisch zwingende Schlussfolgerung. (Quelle Wikipedia)

Besonders groß war der klerikale Einfluss zu Zeiten des „finsteren Mittelalters.“ Also während der fast 1000jährigen Epoche, in der die Kirche praktisch alle Errungenschaften der Antike wieder zunichte gemacht hatte.

Damals musste jemand, der des Kaisers neue Kleider, also Gott nicht sehen konnte oder wollte und dies öffentlich zugab, nicht nur befürchten, als dumm bezeichnet zu werden. Denn damals bedeutete dieses Bekenntnis zur Wirklichkeit meist eine Lebend-Feuerbestattung.

Neue Bewältigungsstrategien

Erst im Zuge der Renaissance konnte das Dunkle Zeitalter u. a. durch Aufklärung, rationales Denken und besonders durch die Säkularisierung schließlich vorerst beendet werden.

Mit dem Wegfall kirchlicher Autorität konnten sich Theologen allerdings auch nicht länger auf eben diese berufen.

Und mussten sich deshalb neue Strategien ausdenken. Sie mussten die Tatsache, dass die Grundlage ihres Forschungsgebietes nichts weiter als eine rein menschliche Fiktion ist, irgendwie bewältigen.

Statt sich redlicherweise zunächst erstmal um einen Gottesbeweis zu bemühen, räumt man heutzutage meist freimütig ein, dass es einen solchen natürlich gar nicht geben könne.

Übertragen auf das Märchen Des Kaisers neue Kleider würde ein Theologe heutzutage deshalb vermutlich so argumentieren: „Seine nackten Pobacken sind zwar offensichtlich – aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass er keine Kleider darüber trägt.“**

Man tut einfach so, als ob.

Falsche Prämisse

Aber selbst wenn die Theologie wissenschaftlich bewährte Methoden anwendet: Es ändert nichts daran, dass ihrer Forschung stets eine unbewiesene Behauptung zugrunde liegt: Die angebliche Existenz eines unsichtbaren, weder direkt noch indirekt irgendwie seriös nachweisbaren Gottes.

Würden die Theologen je diese bis zum Beweis des Gegenteils unabänderliche Tatsache anerkennen, so hätten sie ihre angemaßte Wissenschaft in diesem Moment abgeschafft. Bestenfalls könnte man sich vielleicht noch mit Gott als mythomotorisches Phänomen befassen.

Gleiches gilt für den Fall, dass die Theologie einen einzigen seriösen Gottesbeweis liefern könnte. Denn wenn man wüsste, dass es Gott tatsächlich gibt, bräuchte niemand mehr an ihn zu glauben. Das Todesurteil für jeden religiösen Glauben.

Das ist den meisten Theologen sicher sehr wohl bewusst. Und deshalb tun sie einfach so, als gäbe es ihren Gott. Es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig, wenn sie auch weiterhin als Theologen ihr Geld verdienen möchten.

Und so werden sich wohl noch in Zukunft hochbezahlte „Wissenschaftler“ ausgiebig und umfassend mit den Stoffen, Schnitten und Mustern von des Kaisers neuen Kleidern befassen. In Doktorarbeiten, Büchern und anderen Veröffentlichungen aller Art.

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Nachbemerkung:

The Courtier’s Reply

Die Analogie zwischen dem Märchen Des Kaisers neue Kleider und der Theologie geht zurück auf den Beitrag „Die Antwort des Höflings“ von PZ Myers. In diesem Beitrag geht es um die Entgegnung des Vorwurfes an Religionskritiker Richard Dawkins, er habe zu wenig Theologie studiert:

Des Kaisers neue Kleider„Dieser Dawkins hat offensichtlich den detaillierten Bericht des Grafen Rodrigo von Sevilla über die exquisite und exotische Beschaffenheit des Leders der Schuhe unseres geliebten Kaisers nicht gelesen, noch hat er auch nur einen Moment Aufmerksamkeit an Bellinis Meisterwerk „Über die Lumineszenz des gefederten Hutes des Kaisers“ verschwendet.

Wir haben ganze Schulen, die ganz und gar dem gelehrten Schrifttum über die Schönheit der Kleider unseres geliebten Kaisers gewidmet sind, und jede größere Zeitung hat eine Abteilung, die einzig und allein der kaiserlichen Gewandung Achtung schenkt.

Dawkins ignoriert diese philosophischen Erwägungen hochmütigst, um den Kaiser ungehobelterweise der bloßen Nacktheit zu zeihen.

Bis dass dieser Dawkins nicht in den Boutiquen von Paris und Mailand in die Lehre gegangen ist, bis dass er nicht den Unterschied zwischen einem gerüschten Volant und einem gebauschten Pantalon kennt, sollten wir alle großzügig annehmen, dass er sich nicht wider den Geschmack des Kaisers geäußert hat.

Sein Wissen im Bereich der Biologie könnte ihm zwar die Fähigkeit verleihen, herumschwingende Genitalien zu identifizieren, wenn er welche sieht, aber es verleiht im natürlich in keinster Weise die Fähigkeit der angemessenen Würdigung idealisierter Stoffe, wie der unseres geliebten Kaisers.“ (Quelle: PZ Myers: The Courtier’s Reply)

 

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