Die Rückkehr der Vögel… Gedanken zu Nachgedacht… (216) zum Thema Zugvögel

Lesezeit: ~ 4 Min.

Die Rückkehr der Vögel … Gedanken zu Nachgedacht … (216), Originalbeitrag zum Thema Zugvögel verfasst von Christina Lander, veröffentlicht von Osthessennews am 26.02.17

Ich kann nicht beschreiben, wie schön sich die Vogelstimmen angehört haben, […]

Die Stimmen der Zugvögel dürften sich vermutlich so angehört haben:

Quelle: vogelstimmen-wehr.de**

Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters. Oder, in diesem Fall, im Ohr des Zuhörers.

Diese Vögel erschienen mir als himmlische Hoffnungsträger, die mit der Botschaft, dass alles wieder besser wird, von oben herab riefen.

Was die liberal-theologische Autorin hier wohl konkret mit „himmlisch“ meint? Den Bereich zwischen Erdoberfläche und Tropopause? Oder doch den Bereich zwischen menschlichem Wunsch und fiktiver Hoffnung?

Zuwendung zur Natur

Es ist schon beeindruckend, was die Natur zu bieten hat, wenn man sich ihr zuwendet, für sie Augen und Ohren öffnet.

Da stimme ich zu: Den Vogelzug halte ich für eines der spektakulärsten Phänomene, die die Natur zu bieten hat. Wenn man sich der Natur zuwendet und Augen und Ohren für sie öffnet, dann kann man erkennen, dass die Vorstellung, Kraniche könnten himmlische, hoffnungstragende Verkünder sein, sehr gut in die Zeit gepasst hätte, in der die biblischen Mythen und Legenden spielen. Denn damals fehlte den Menschen noch ein Großteil des Wissens, mit dem wir heute Naturbeobachtungen mehr oder weniger gut, aber in jeder Hinsicht besser als damals erklären können.

Die Bibel liefert einen Einblick in den Wissens- und Erkenntnisstand der damaligen Zeit: Die Menschen hielten Dämonen für Verursacher von Krankheiten. Darüber, wohin die Sonne abends verschwindet und von wo sie morgens wieder zurückkommt, konntenn sie nur spekulieren. In einer Geschichte verhext Jesus einen Feigenbaum, weil dieser keine Früchte trug (es war einfach gerade keine Erntezeit…).

Die Menschen lebten damals also in einer Welt, die sie sich mit Mythen zu erklären versuchten. Beobachtungen, deren Ursache oder Sinn sie nicht kannten und erkennen konnten, gaben sie einfach einen göttlichen „Sinn.“

Mythos vs. Logos

Und der angebliche göttliche Wille wurde zur Universal-Ursache für alles, dessen tatsächliche Ursachen man damals noch nicht (er)kennen konnte. Vermutlich konnten die Menschen auch ihr Leid leichter ertragen, wenn sie daran glaubten, dass ihr Leid nicht völlig sinnlos sei. Weil ja Gott persönlich die Menschen damit für die Sünde bestrafte, die er ihnen zuvor selbst angedichtet hatte. Und weil als kleine Wiedergutmachung für irdisches Leid ja eine ewige himmlische Belohnung in Aussicht gestellt wurde. Aber nur für die, die sich diesem Gott bis zur Selbstaufgabe unterwerfen. Und wenn er sichs nicht bis dahin anders überlegt…

Dieses Phänomen trifft man natürlich auch außerhalb von Religionen: Zwerge, Feen, Trolle, Kobolde, Yetis, Bigfoots, Orks – sie alle bringen auch die menschliche Sehnsucht zum Ausdruck, einen besonderen Sinn in natürlichen Beobachtungen erkennen zu können. Den Wunsch, „hinter die Kulissen“ zu blicken. Und den Wunsch, zu verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die „Kraniche des Ibykus“, die in der gleichnamigen Ballade von Friedrich Schiller als einzige Zeugen eines Mordes in Erscheinung treten.

All dies beschreibt eine mythologische Herangehensweise. Mangels besserer Erklärungen versucht man, sich die Welt mit Mythos, also mit Bildern, Erzählungen und Geschichten zu erklären. Dem gegenüber steht Logos als Synonym für rationales Denken. Hier kommen Wort, Vernunft und Verstand zum Einsatz, um Erkenntnisse zu gewinnen.

Wer sich für den Übergang von Mythos zu Logos interessiert, findet hier eine anschauliche Beschreibung dieses Prozesses.

Zugvögel erbringen beeindruckende Leistungen

ZugvögelUnd damit wieder zurück zu den Kranichen: Worin sollte ein Zusammenhang zwischen deren Rufen und einer Verbesserung des Zustandes von „allem“ bestehen? Die Rufe dienen vermutlich der Verständigung untereinander: „Ich bin hier, seid ihr auch noch da?“ – „Fliegt mal alle ein bisschen langsamer, ich komme nicht mit!“ – „Müssten wir hier nicht links abbiegen?“

Die Zugvögel kommen zurück, weil sie spüren, dass der Winter mehr oder weniger vorbei ist. Nicht umgekehrt, wie man früher sicher vermutete.

Dafür, dass sie überhaupt im Winter in den Süden fliegen, gibt es ökologische, genetische und physiologische Ursachen.

Höchst erstaunlich sind die navigatorischen Fähigkeiten der Zugvögel. Man geht heute davon aus, dass Zugvögel sich anhand eines Magnetsinnes, am Sternenhimmel, am Sonnenstand und an Landmarken orientieren.

Und auch die physische Leistung ist bemerkenswert: Zugvögel können sehr lange Distanzen ohne Nahrungsaufnahme zurücklegen. Zu diesem Zweck sind sie sogar in der Lage, Eiweiße ihrer inneren Organe als Energiequelle anzuzapfen. Dabei wird auch Wasser freigesetzt, sodass die Vögel auch weite Strecken ohne Trinkwasseraufnahme durchhalten.

Auch Zugvögel wurden natürlich nicht von irgendwem erschaffen und als Langstreckenflieger designt. Vielmehr haben einfach nur die Zugvögel überlebt, die die entsprechenden Voraussetzungen mitbrachten. Zum Beispiel auf Grund von winzigen genetischen Abweichungen.

Augen und Ohren offen halten

Dass Zugvögel keine himmlischen Verkünder, sondern Tiere mit herausragenden navigatorischen und physischen Fähigkeiten sind, hat man durch wissenschaftliche Methoden herausgefunden. Indem man Augen und Ohren offen gehalten hat. Statt sich auf die Richtigkeit mythologischer Quatscherklärungen zu verlassen. Man versteht heute einfach viel mehr von Vögeln als im Vormittelalter (der musste mal sein, schließlich ist ja Fasching! 🙂 ).

Und auch der Vogelzug konnte dank der Kombination verschiedener Techniken sehr gut erkannt und nachvollzogen werden. Neben einer Auswertung von Sichtungen werden Vogelzüge auch mit Radartechnik erfasst. Die Beringung von Zugvögeln ermöglicht eine zuverlässige empirische Untersuchung des Vogelzugs.

Wer sich speziell für Kraniche interessiert, findet beim NABU Infos zum aktuellen Vogelzug.*** Wer möchte, kann dort auch Zugvogel-Pate werden oder seine Kranichbeobachtung melden.

Ein Kranich macht noch keinen Sommer

Ist der Winter schlechter als der Sommer? Wer das so empfindet, könnte es den Zugvögeln gleich tun. Und irgendwo auf der Welt übewintern, wo zu dieser Zeit gerade Sommer ist.

In Abwandlung einer Volksweisheit macht auch ein Kranich noch keinen Sommer. Allerdings liegen die Zugvögel mit ihrem Timing meist erstaunlich richtig. Was sich wiederum darauf zurückführen lässt, dass die Vögel, die sich zu früh oder zu spät auf die Reise begeben hatten, vermutlich weniger Möglichkeiten hatten, ihre Gene an die nächste Generation weiterzugeben…

Denn gerade wenn es um überlebenswichtige Eigenschaften geht, dann schlägt die „selektive Zuchtwahl“ der Evolution gnadenlos zu.

Realismus vs. Illusionismus

Am treffendsten schafft es Goethes Faust beim Osterspaziergang in der frühlingserwachenden Natur ihr Geschenk an uns zu beschreiben: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich´s sein.“

Die letzte Strophe von Goethes Ostergedicht lautet komplett (Hervorhebung von mir):

  • Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
    Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
    Zufrieden jauchzet groß und klein:
    Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!

Goethe erteilt also dem fiktiven Himmel, wie ihn Religionen verkünden eine klare Absage. Die einzig wirkliche Hoffnung, die ein Mensch redlicherweise für sich haben kann, liegt im Diesseits. Weil die jenseitige himmlische Herrlichkeit bis zum Beweis des Gegenteils nichts weiter als eine bestenfalls hoffnungsvolle Illusion ist.

Interessant wäre es einmal mehr, von der Autorin zu erfahren, wie sie ihren in dieser Verkündigung skizzierten naturalistisch-realistischen Ansatz mit ihrer liberal-theologischen Prägung unter einen Hut bekommt.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
**Verwendung mit freundlicher Genehmigung von Stefan Wehr, vogelstimmen-wehr.de
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