Zwei oder drei Blicke… Gedanken zu Nachgedacht… (213), Originalbeitrag zum Thema Vorurteile verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 5.2.2017 von Osthessennews
[…] Aber eigentlich bedeutet diese kleine Szene doch nur zweierlei: Warum soll ich mich schämen, wenn ich gerade einmal glücklich bin? Und zweitens: Wenn der Mann nun wirklich über mich denkt, dass ich ein bisschen verrückt bin, dann belegt das, wie schnell wir einen Menschen abstempeln.
Eine Situation reicht und der andere ist von uns eingeordnet, in eine nicht mehr einfach zu öffnende Schublade gesteckt. So schaffen wir Menschen es, ganze Gemeinschaften abzustempeln.
Ich finde es amüsant, dass der Autorin offenbar nicht bewusst ist, dass sie genau das, was sie hier kritisiert, selbst tut. Aufgrund eines flüchtigen Blickes eines Mannes, der sie auf der Straße hatte singen hören, mutmaßt sie, dass dieser Mann sie für verrückt halten könne.
Dabei geht sie offenbar von ihrer eigenen Maßstäben aus. Womöglich hätte sie bislang selbst Menschen für verrückt erklärt, die beim Gassigehen singen.
Dabei dürfte Singen kaum die Interessen anderer beeinträchtigen. Und fällt somit in den Bereich „persönliche Freiheit.“ Die die Autorin gerade zu entdecken scheint. Warum der Mann sie tatsächlich kritisch anschaute, kann viele verschiedene Ursachen gehabt haben.
Vorurteile lassen sich evolutionär erklären
Denn das Einzige, das Vorurteile können, ist das Miteinander zu behindern.
Das sehe ich etwas anders. Natürlich ist die Gefahr groß, dass man Menschen Unrecht tut, wenn man sie vorschnell be- oder verurteilt. Etwa aufgrund von Äußerlichkeiten. Schon die eigene Wahrnehmung ist nicht fehlerfrei. Dazu kommt, dass das menschliche Gehirn immer versucht, in neuen Wahrnehmungen Muster oder Bekanntes zu erkennen. Um so möglichst schnell eine erste Beurteilung und Einschätzung der Situation oder des Gegenübers vornehmen zu können.
Selbst auf die Gefahr hin, dass man mit seinem ersten Eindruck mal nicht richtig liegt, scheint sich dieses Vorgehen trotzdem bewährt zu haben. Und es lässt sich auch evolutionär erklären: Wer erst detailliert den Gesichtsausdruck eines Säbelzahntigers analysierte, bevor er wegrannte, hat diese Begegnung vermutlich nicht überlebt.
Die Gehirne derer, die schnell genug eine mögliche Bedrohung richtig einschätzen konnten, haben sich immer weiter darauf spezialisiert, Situationen blitzschnell, intuitiv zu erfassen und zu bewerten. Lieber zehn Mal umsonst wegrennen (oder sich verteidigen) als einmal zu wenig.
Da Menschen heute nur noch vergleichsweise selten direkten Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind, wäre dieser Reflex eigentlich nicht mehr so überlebensnotwendig wie in früheren Zeiten. Trotzdem funktionieren diese Mechanismen heute noch wie damals in der Steinzeit. Vor der kognitiven Revolution.
Energiesparfunktion
Und auch weil das Gehirn bestrebt ist, möglichst energieschonend zu arbeiten, liefert es blitzschnell einen „ersten Eindruck“ zu einer Wahrnehmung. In Sekundenbruchteilen wird der neue Eindruck mit bereits vorhandenen Erfahrungen und früheren Erlebnissen abgeglichen.
Deshalb spielt die Prägung des eigenen Gehirns auch die Schlüsselrolle, wenn es um Vorurteile geht. Wer zum Beispiel von klein auf beigebracht bekommen hat, dass „es sich nicht gehört“, auf der Straße zu singen, der muss einiges an Energie aufbringen, sich von dieser Einschätzung zu befreien, wenn er dies heute eigentlich gar nicht mehr so sieht.
Doch trotz des Energieaufwandes lohnt es sich, die eigenen Überzeugungen und auch vermeintliche Glaubensgewissheiten von Zeit zu Zeit (selbst-)kritisch zu hinterfragen.
Schubladendenken
Trotzdem bergen Vorurteile natürlich auch die Gefahr, dass man Menschen vorschnell in eine Schublade steckt. Zu diesem Thema gibts ein sehenswertes Video, das sich gerade viral im Internet verbreitet:
https://www.youtube.com/watch?v=i1AjvFjVXUg
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
**Wir haben keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.
Aha - Frau Kiess redet sich ein, Ihr Gott meine es gut mit "uns". Schon mal was von der Theodizee-Problematik…