Kirchenkunst revisited: Offener Brief an die Diözese Würzburg

Lesezeit: ~ 2 Min.

Ein Jahr nach dem Kirchenkunstreport 2016 haben wir heute diesen Offenen Brief mit Fragen an die Diözese Würzburg geschickt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

im letzten Jahr besuchte ich rund 30 Kirchen in den Landkreisen Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen. Ich wollte mir selbst ein Bild davon machen, wie die Räume gestaltet sind, in denen Kindern und Erwachsenen die christliche Botschaft verkündigt wird. Aus den dabei entstandenen Aufnahmen hatte ich einen vierteiligen Kirchenkunstreport erstellt:

Ich war schockiert, dass in allen von mir zufällig ausgewählten und besuchten Kirchen verschiedenste Darstellungen von brutalster Gewalt, extremer Qual und menschlichem Leid in allen Formen öffentlich zugänglich zur Schau gestellt wurden.

Heute, fast auf den Tag genau ein Jahr später, habe ich einige Kirchen erneut besucht. Ich wollte herausfinden, ob sich seitdem vielleicht etwas an den Gewaltdarstellungen geändert hat.

Fazit: Alle Darstellungen werden immernoch unverändert wie 2016 schon in den von mir besuchten Kirchen ausgestellt.

Fragen an die Diözese Würzburg

Deshalb, und weil meine Bitte um eine Stellungnahme vom 14.6.2016 an pfarrei.muennerstadt@bistum-wuerzburg.de unbeantwortet geblieben war, bitte ich Sie heute erneut um Antworten auf diese Fragen:

  1. Wieso werden in Kirchen im nördlichen Unterfranken Szenen brutalster Gewalt, Erniedrigung, Folter, Qual und Leid zur Schau gestellt?
  2. Welche Bedeutung haben diese Darstellungen für die Verkündigung einer Botschaft, die lt. christlicher Aussage eine „Frohe“ sein soll?
  3. Was sollen Darstellungen von Menschen, denen ein Schwert im Herz oder quer durch den Hals steckt, die in Kesseln über offener Flamme gekocht werden, die ihren abgeschlagenen Kopf in der Hand halten, die von Pfeilen durchbohrt sind oder die, teils in Lebensgröße detailliert nachempfunden, zu Tode gefoltert werden, bei den Kirchenbesuchern, zu denen ja auch Kinder gehören, auslösen?
  4. Wie würden solche Darstellungen auf Sie wirken, wenn Sie außerhalb des kirchlichen Rahmens Ihrer Religion damit konfrontiert werden würden?
  5. Wie würden Sie andere Glaubensgemeinschaften einschätzen, die solche Darstellungen in ihren Versammlungsräumen öffentlich ausstellen würden?
  6. Wie entkräften Sie den Vorwurf der brutalen Diskriminierung dunkelhäutiger Menschen, wie sie in der Kirche zu Reichenbach (Münnerstadt) dargestellt wird?
  7. Halten Sie diese Darstellungen für so bedeutsam, dass Sie diese auch in Zukunft öffentlich zur Schau stellen müssen? Oder ist abzusehen, dass zumindest in den Räumen, die auch von Kindern besucht werden, die menschenverachtenden Skulpturen und Bilder irgendwann mal entfernt werden?

Bitte schicken Sie mir Ihre Antworten per E-Mail oder per Post an meine Adresse und schreiben Sie bitte dazu, ob ich Ihre Antworten auf meiner Webseite awq.de veröffentlichen darf oder nicht. Vielen Dank vorab für Ihre Bemühungen.

Ermordet, erniedrigt, erstochen, gequält…

Darstellungen wie diese finden sich in praktisch allen öffentlich zugänglichen Kirchen im nördlichen Unterfranken. Natürlich haben all diese Gewaltverbrechen irgendeine bestimmte Bedeutung in den christlichen Narrativen. Auch wenn diese heute vermutlich nur noch den wenigsten Kirchenbesuchern bekannt sein dürfte.

Seltsamerweise habe ich keine einzige Statue oder Abbildung gefunden, die an die vielen Millionen von Menschen erinnert, die vom Christentum zwangsmissioniert, verfolgt, gefoltert und ermordet wurden.

Vielmehr finden sich zwei Formen von Gewalt: Entweder Gewalt gegen Gläubige (meist „Heilige“), die wegen ihres Glaubens gefoltert und/oder ermordet wurden.

Oder Gewalt gegen „das Böse“, meist dargestellt in Form von „Racheengeln“ oder auch „Heiligen“, die „das Böse“, meist dargestellt als Menschen mit Teufels-Attributen (oder auch einfach nur dunkler Haut) erniedrigen, foltern oder töten.

In Anbetracht der in Kirchen allgegenwärtigen Darstellung von Folter, Leid und Qual stellt sich die Frage, wie das zu einer angeblich „frohen Botschaft“ passt.

Während Christen heute gerne mal die „Auferstehung“ von Jesus als das zentrale Thema ihres Glaubens definieren, ist dieses aber nach wie vor eben nicht die angebliche Überwindung des Todes, sondern die Hinrichtung selbst. Zumindest, wenn man von der Gestaltung der Kirchen ausgeht.

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