Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Advent – Zeit des Wartens

Lesezeit: ~ 6 Min.

Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Advent – Zeit des Wartens, veröffentlicht am 22.12.21 von osthessennews.de

Darum geht es

Herr Buß kritisiert, dass "Menschen und Christen" "viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, als dass sie den Anbruch des Reich Gottes im Fokus haben." Wir wünschen gute Besserung!

Dreifach falsch

Das lateinische Wort „Advent“ bedeutet Ankunft, aber auch Warten auf eine Ankunft. Gemeint ist die Ankunft des Sohnes Gottes auf dieser Erde. Wir werden in diesen vier Wochen vor Weihnachten erinnert an das Warten auf die Geburt Jesu, den erhofften Messias. Aber es ist nicht nur das geschichtliche Ereignis der Geburt des Gottessohnes, dass wir Christen Jahr für Jahr feiern.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Advent – Zeit des Wartens, veröffentlicht am 22.12.21 von osthessennews.de)

Da liegen Herr Buß und andere Gläubige, die die biblische Geburtslegende für ein geschichtliches Ereignis halten gleich dreifach falsch:

Nicht historisch (1): Gottessohn-Legende

Erstens gab und gibt es keine einzige Geburt irgendeines Gottessohnes, die als geschichtliches Ereignis gewertet werden kann. Denn das würde ja die gesicherte Existenz wenigstens eines Gottes voraussetzen.

An Götter, deren Existenz bewiesen ist, bräuchte ja niemand zu glauben. Was einmal mehr die Frage aufwirft, warum so viele Theologen so verzweifelt versuchten und versuchen, die Existenz ihres Gottes irgendwie beweisen zu wollen.

Dass Herr Buß den Glauben, mit dessen Verbreitung er sein Geld verdient komplett überflüssig macht, wenn er die Geburt des Gottessohnes als geschichtliches Ereignis bezeichnet, scheint weder ihn, noch sein Publikum zu jucken.

Nicht historisch (2): Geburtslegende

Und was die von den anonymen Autoren der biblischen Geburtslegende beschriebene Geburt eines Menschen angeht, dessen Biographie möglicherweise später zur christlichen Gottessohnlegende verarbeitet worden war: Auch hier sind wir meilenweit von einem „geschichtlichen Ereignis“ entfernt. Wenn wir alle magisch-esoterischen Zutaten weglassen, mag die Geschichte natürlich zumindest theoretisch plausibel sein. Historisch wird sie davon aber noch lange nicht.

Im Gegenteil: Die moderne Bibelforschung kann eindrucksvoll umfangreich aufzeigen, dass die Verfasser jede Menge Widersprüche und Ungereimtheiten in Kauf genommen hatten, nur um das gewünschte Bild zu erzeugen.

Das betrifft zum Beispiel die angeblichen Stammbäume des angeblichen Gottessohnes. Aber auch die ganzen zurechtkonstruierten Umstände mit Volkszählung, Herbergssuche, Krippe, Stern, Hirten, Königen und was da noch so alles zu finden ist.

Historizität unklar/umstritten: Die Person Jesus

Und nicht mal für einen validen Beweis der bloßen Existenz eines Menschen, aus dem später die literarische Kunstfigur „Jesus Christus“ gemacht worden war, genügt die historische Faktenlage.

Ich fasse zusammen:

  • Nein, Geburten von Gottessöhnen sind keine geschichtlichen, sondern mythologische Ereignisse.
  • Die in der Bibel geschilderten Ereignisse rund um die Geburt des Menschen „Jesus“, der zumindest theoretisch tatsächlich gelebt haben könnte sind legendenhafter und nicht historischer Natur.
  • Und nicht mal für die bloße Existenz dieses Menschen, der später von Gläubigen zum Gottessohn gemacht worden war ist die Beweislage so, dass man von einem allgemein als historisch anerkannten Ereignis sprechen könnte. Die „Beweise“, die Christen für die Existenz ihres Gottessohns vorbringen, würden sie wohl kaum akzeptieren, wenn Anhänger anderer Götter damit die Existenz ihrer Gottessöhne beweisen wollten…

Ich halte diese Richtigstellung für wichtig, weil sonst die Gefahr besteht, dass jemand Herrn Buß das abnimmt, was er hier ganz selbstverständlich wie eine Tatsache behauptet.

…weils in der Bibel steht!

Der Advent ist zugleich Ausdruck der Erwartung, dass Jesus Christus wiederkommt, so wie er es in seinen Reden und Gleichnissen angedeutet hat und wie es auch an anderen Stellen der Bibel angekündigt ist.

Einheitsübersetzung

Die Bibel beinhaltet Behauptungen, keine Beweise.

Herr Buß, die Reden und Gleichnisse, die in der Bibel Jesus zugeschrieben werden, beruhen auf mündlicher Überlieferung über mehrere Generationen (etwa 60 – 300 Jahre) eines Wüstenstammes vor rund 2000 bis etwa 1700 Jahren. Von Jesus selbst existieren keine schriftlichen Überlieferungen.

Welche dieser Texte tatsächlich historisch sein könnten und welche ganz sicher später erst hinzugedichtet worden waren, kann die kritische Bibelforschung ebenfalls erstaunlich schlüssig und detailliert, zum Beispiel durch entsprechende Textanalysen und -vergleiche nachweisen.

Jesus hatte sich geirrt

Sollte vor rund 2000 Jahren tatsächlich ein Mensch gelebt haben, auf den sich die biblischen Legenden beziehen, dann handelte es sich dabei um einen radikal-fundamentalistischen jüdischen Endzeitsektenführer.

Der war irrtümlich davon ausgegangen, dass die Ankunft seines Gottes unmittelbar bevorstehen würde. Seine Bestimmung hatte er darin gesehen, seine Anhänger noch schnell auf die angekündigte Apokalypse vorzubereiten.

Wie wir heute, rund 2000 Jahre später feststellen können, hatte sich das zweite Drittel des allwissenden allmächtigen Gottes ganz offensichtlich geirrt: Bis heute konnte jedenfalls noch niemand die Menschheit davon überzeugen, tatsächlich der angekündigte Gott (oder wenigstens dessen Sohn) zu sein, der sich jetzt wie angekündigt zur Einleitung des göttlichen „Endgerichtes“ hienieden eingefunden hätte. So wie er es in seinen Reden und Gleichnissen angedeutet hat und wie es auch an anderen Stellen der Bibel angekündigt ist.

Ein Umstand, der Christen bis heute noch nie davon abgehalten hat, alle möglichen Ereignisse und Entwicklungen als untrügliche Anzeichen für die Erfüllung dieser Endzeit-Prophezeiung zu deuten. Und auch nicht daran, sich dieses Ereignis herbeizusehnen.

Erstaunlicherweise scheint der eigentlich doch omnipräsente Gott seit seinem letzten Abgang gar nicht mehr anwesend zu sein:

„…nichts Ernstes, nur eine chronische Parusieverzögerung…“

Der Fachbegriff für das Nicht-Eintreten dieser biblischen Wiederkunfts-Prophezeiung klingt für den Laien ein bisschen wie eine Geschlechtskrankheit: Parusieverzögerung.

Warten im Advent
Warten auf den Weltuntergang…

Verschiedene Zweige der abrahamitischen Religion haben sich teils sehr unterschiedliche und groteske Ausreden ausgedacht, um diesen offensichtlichen göttlichen Irrtum irgendwie zu entschärfen.

Wer sich dafür interessiert, mit welch abenteuerlichen Vorstellungen zum Beispiel die römischen Katholiken, die Evangelen, Evangelikalen, Adventisten, Zeugen Jehovas oder Anhänger des Islams mit dem Ausbleiben des angekündigten göttlichen Wiedereintritts in die Erdatmosphäre umgehen, kann das auf Wikipedia nachlesen.

Auch hier treffen wir wieder das an, was wir schon in Bezug auf die biblische Gottessohn-Geburtslegende festgestellt hatten: Übereinstimmung mit der Wirklichkeit oder zumindest Plausibilität spielen für Glaubensmärchen keine Rolle. Und deshalb ist es unredlich, diese Texte anders zu behandeln als Märchen.

That’s Armageddon

Das Wort „Advent“ baut somit eine Brücke bis zum Ende der Zeit.

Herr Buß, Sie erwarten ernsthaft das in der biblischen Mythologie beschriebene „Ende der Zeit“?

Das sei Ihnen freilich unbenommen: Dank Aufklärung und Säkularisierung sind die Gedanken – egal wie absurd – heute freier denn je. Glaubens-, Meinungs-, Religions- und Redefreiheit sind nur einige der Werte, die gegen den erbitterten Widerstand Ihrer Kirche mühsam erkämpft werden mussten.

Aber:

Haben Sie eigentlich auch jemanden außerhalb Ihrer religiösen Community, mit dem oder der Sie solche Vorstellungen und Ansichten mal in Ruhe und unter vier Augen besprechen können? Vielleicht sogar jemand mit einer psychologischen Ausbildung?

Das ist keineswegs ironisch oder beleidigend gemeint: Die Grenze zwischen (harmloser) religiöser Einbildung und (potentiell gefährlicher) Wahnvorstellung sind fließend.

Menschen und Christen?!

Advent – ist eigentlich das ganze Jahr. Die Menschen und Christen unserer Tage müssen sich indessen fragen lassen, ob sie nicht viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, als dass sie den Anbruch des Reiches Gottes im Fokus haben.

Menschen und Christen? Anbruch des Reiches Gottes? Ich wiederhole nochmal meine gerade gestellte Frage…

Sie sind also der Auffassung, dass „Menschen und Christen“ den „Anbruch des Reiches Gottes im Fokus haben“ sollten.

Als Grund für solche Ansichten kann ich nur vermuten, dass Sie vom irdischen Geschehen außerhalb Ihrer römisch-katholischen Bubble vielleicht nicht ganz so viel mitbekommen.

Deshalb hier ein kurzer Zwischenstand:

  • Nichts deutet darauf hin, dass irgendwelche Götter begonnen hätten oder gerade oder demnächst beginnen würden, Reiche auf Erden zu errichten. Und die Menschen, die etwas anderes behaupten, sind in der Regel fundamentalistische Religionsfanatiker, die damit ihre eigenen, sehr irdischen und profanen Interessen göttlich zu „legitimieren“ versuchen.
  • Womit sich Menschen beschäftigen, geht Sie nichts an.
  • Neben der Beschäftigung mit sich selbst haben viele Menschen auch das Wohl ihrer Mitlebewesen im Fokus. Oder auch den Erhalt des Planeten Erde als geeigneten Lebensraum für Sauerstoff verstoffwechselnde Lebewesen. Alles Dinge, von denen auch Sie täglich profitieren, während Sie das Reich Ihres magischen Himmelsdiktators „im Fokus haben“ und „das Ende der Zeit“ herbeisehnen.

Das Engagement dieser Menschen ermöglicht es auch Ihnen, heute etwa doppelt so alt zu werden wie Sie es noch vor etwa 100 Jahren geworden wären, alle möglichen Krankheiten gar nicht erst zu bekommen oder zumindest zu überleben, genug zu essen zu haben, wirtschaftlich abgesichert und in Frieden zu leben…

Oder auch, dass Sie religiösen Bullshit unter Einsatz modernster Technologie via Youtube verbreiten können.

Welchen Beitrag leisten Sie für die Menschheit, wenn Sie sie mit offensichtlich falschen Versprechen in die Irre führen und sie beschuldigen, sich nur um sich selbst zu kümmern?

Time to say #godbye

Die Adventszeit ist eine gute Möglichkeit, sich neu einzustellen auf die Erwartung des Kommens Gottes in unsere Welt; ja, zu begreifen, dass Advent nicht nur vier Wochen vor Weihnachten ist, sondern das ganze Jahr über, 365 Tage lang. Es sind nur noch wenige Tage bis Weihnachten, aber es ist nie zu spät Gott im eigenen Leben und Alltag zu erwarten.

Und es ist nie zu spät, damit anzufangen, sich von seiner religiösen Indoktrination zu befreien und mal damit anzufangen, das eigene Weltbild mit der Wirklichkeit abzugleichen, um zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden zu lernen.

Denken Sie einfach mal darüber nach, wann und warum Sie aufgehört hatten, an den Osterhasen oder an die Zahnfee zu glauben. Ganz genauso funktioniert das auch mit Ihren Göttervorstellungen.

Ein allmächtiger Gott, kann sich, sollte es ihn geben, problemlos selbst um seine Angelegenheiten kümmern.

Und wenn der Sie dereinst tatsächlich danach beurteilt, ob Sie ihn auch jeden Tag brav erwartet haben, dann können Sie den sowieso erst recht in der Pfeife rauchen.

Wenn Sie dazu aktiv und effektiv beitragen möchten, dass die Welt friedlicher, faier und gesünder wird, dann legen Sie Ihren Fokus doch aufs Diesseits und auf die irdische natürliche Wirklichkeit, statt sich absurden Endgericht- und Gottesreich-Phantasien hinzugeben.

Und wenn Ihnen Ihr vermeintliches Seelenheil wichtiger als das Wohl der Menschheit (einschließlich Ihres eigenen Wohls zu Lebzeiten) ist, dann nehmen Sie bitte davon Abstand, Menschen vorzuwerfen, sie würden sich nur um sich selbst kümmern.

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2 Gedanken zu „Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Advent – Zeit des Wartens“

  1. Jetzt warte ich eigentlich nur noch drauf, dass Herr Buß die Reichsbürger auf das kommende Reich Gottes einstimmt … und bei der „Debatte“ wäre ich gerne dabei.

    Außerdem erwähnt er andere Betroffene mit keinem Wort: Die Schlümpfe, Rumpelstilzchen, Bigfoot oder die Minions – geht das Thema sie etwa nix an? Lässt Pfarrer Buß sie ohne seelisch-geistliche Betreung einfach ins offene Messer bzw. ins Reich Gottes laufen? Etwa, weil sie auch viel zu sehr mit sich selber beschäftigt sind? Also, zumindest die Minions und die Schlümpfe sind meistens mit allen möglichen Dingen beschäftigt. Fragen über Fragen … Herr Buß, übernehmen Sie!

    Antworten
  2. Es ist nie vergeudete Zeit, an einem seit 100 Jahren nicht mehr befahrenem Gleis, an einer irgendwo im Nirgendwo liegenden Bahnsteigruine auf den demnächst eintreffenden ICE zu warten…

    „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo, mit mir allein als Passagier“

    …to be continued…

    Antworten

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