Gespräche mit dem Vater – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

Gespräche mit dem Vater – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht am 08.06.2024 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Von der Relevanz der europäischen Werte möchte Pfarrer Welter gerne auch etwas für seinen Götterglauben abhaben.

Was Gott und Welt miteinander zu tun haben

Pfarrer Welter schwelgt in Erinnerungen an Gespräche, die er mit seinem Vater (also nicht mit seinem „himmlischen“, sondern seinem menschlichen Vater – bei Katholiken ist die Vaterstelle ja mitunter mehrfach besetzt) früher nächtens in der Küche führte:

[…] Da ging es buchstäblich um Gott und die Welt. Mal mehr um Gott. Mal mehr um die Welt. Und darum, was Gott und Welt miteinander zu tun haben.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Gespräche mit dem Vater – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht am 08.06.2024 von ARD/daserste.de)

Na, da sind wir mal gespannt, ob uns Herr Welter an den diesbezüglichen Erkenntnissen väterlicherseits teilhaben lässt…?

[…] Einmal erzählt er von drei Politikern. Dem Deutschen Konrad Adenauer, dem Franzosen Robert Schuman und dem Italiener Alcide De Gasperi. Als Student hatten die ihn fasziniert; sie hatten eine Idee, wie nach dem katastrophalen Zweiten Weltkrieg ein stabiler Friede entstehen kann. Europas Länder sollten wirtschaftlich so eng miteinander verzahnt werden, dass ein Krieg gegeneinander nicht mehr möglich sein könne. „Vision gepaart mit handfester Klugheit“, hat mein Vater es genannt. Und auch von der christlichen Überzeugung berichtet, die diesen drei großen Europäer gemeinsam ist. Sie wurden zu drei Gründungs-Vätern des Vereinten Europa.

Weil das „Wort zum Sonntag“ ja kein Polit-Talk, sondern eine Kirchenreklamesendung ist, können wir auch diesmal davon ausgehen, dass das Thema „Europa“ nur Mittel zum Zweck ist:

Christliche Überzeugungen

Es geht nicht primär um Europa. Sondern darum, zu suggerieren, was vorher schon angeteasert worden war: Dass Gott und Welt etwas miteinander zu tun haben.

Den Schluss, dass wir Europa der christlichen Überzeugung seiner Gründer zu verdanken haben, überlässt Pfarrer Welter seinem Publikum.

Eine „christliche Überzeugung“ – was auch immer darunter konkret verstanden wurde – teilten zu Adenauers Zeiten (zumindest auf dem Papier) noch knapp 96% aller Deutschen (Quelle).

Bis zum Ende der Nazidiktatur (und teilweise noch darüber hinaus, Stichwort: Rattenlinien) hatte eben jene christliche Überzeugung Menschen und ganz besonders auch Kirchenfunktionäre zu glühenden Anhängern, Verfechtern und Unterstützern des Nationalsozialismus gemacht.

„Vision gepaart mit handfester Klugheit“

Ja, auch aus ihren Ideen ist das entstanden, was wir heute als die EU kennen. Viele nennen es ein Bürokratiemonster und eine Steuergeldvernichtungsmaschine. Von „Vision gepaart mit handfester Klugheit“ ist manchmal wenig zu spüren – und faszinierende Politiker und Politikerinnen sind selten. Manche vergessen in diesen Tagen sogar, dass auch wegen der EU bei uns 75 Jahre lang Friede war. Diese Gnade und dieses Glück verdanken wir dem Europa, wie es in den Jahrzehnten nach 1945 entstanden ist. Und das sollten wir Älteren an die Jungen weitergeben.

Statt seine Sendezeit für private Anekdoten und Glaubensreklame unter dem Deckmäntelchen „Europa“ zu nutzen, hätte Pfarrer Welter ja einfach schon mal die 6 grundlegenden Europäischen Werte vorstellen können, die der Schlüssel für eine friedliche und freie Gesellschaft sind:

Die 6 Europäischen Werte
Die 6 Europäischen Werte. (c) TeamFreiheit.info – Humanistischer Verein für Demokratie und Menschenrechte

Hier fällt auf, dass alle diese Werte gegen den erbitterten Widerstand des Christentums erkämpft werden mussten.

Christliche, bzw. allgemein religiöse Überzeugungen tauchen nur im Zusammenhang mit der Säkularität auf. Die ja besagt, dass Staat und Religionen aller Art voneinander getrennt sein müssen.

und vielleicht auch an Gott

Ich vermisse in diesen Zeiten diese Nachtgespräche mit meinem Vater. Leider ist er vor einigen Jahren gestorben. Aber den Heranwachsenden unserer Tage wünschte ich, dass sie solche Gespräche erleben – mit Vater oder Mutter oder mit einem anderen älteren Menschen: Dass sie Interesse finden an der Welt – und vielleicht auch an Gott. Dass sie entdecken, welche „Visionen gepaart mit handfester Klugheit“ Europa und ihre Zukunft heute braucht. Gerade die jungen Menschen, die morgen zum ersten Mal ein Kreuz auf einem Wahlzettel machen dürfen.

Herr Welter , mit „Gott“ meinen Sie ja bestimmt Ihren Gott, also den Gott aus der biblisch-christlichen Mythologie. Der vermutlich der selbe Gott ist, an den auch Ihr Vater geglaubt hatte.

Wieso sollten Heranwachsende sich für diesen – oder überhaupt für irgendeinen – Gott interessieren? Und was hat Götterglaube mit europäischen Werten zu tun? Was versprechen Sie sich davon, wenn sich Menschen für Ihren Gott interessieren? Und wieso nur vielleicht auch? Was hat Ihr Gott denn nun Ihrer Meinung nach mit der Welt zu tun?

Leider nennen Sie keinen einziges Argument für das von Ihnen erhoffte Fortbestehen des Götterglaubens in der Bevölkerung. Sind die Gottesreichsphantasien schon ausgeträumt?

„Die Theorie, dass die Religion eine Kraft für den Frieden ist, die man heute oft von der religiösen Rechten und ihren Verbündeten hört, entspricht nicht den Tatsachen der Geschichte.“

Steven Pinker, The Better Angels of Our Nature: Why Violence Has Declined

Einen Grund, warum sich Heranwachsende sehr wohl auch mit Göttern und Religionen befassen sollten, sehe ich darin, das große Gefahrenpotential kennenzulernen, das von (hauptsächlich, aber nicht nur monotheistischen) Religionen (genauer: von deren Vertretern und Anhängern) ausgeht.

Aber das ist vermutlich nicht der Grund, weshalb Sie sich ein Interesse junger Menschen an Ihren Gott erhoffen, oder?

…faszinierend

Ich hoffe, dass aus diesen Jugendlichen später einmal Erwachsene werden, die dann selbst für die Generation nach ihnen faszinierend sind – wie damals Adenauer, Schuman und De Gasperi für den Studenten, den ich meinen Vater nennen darf.

Wenn es Ihnen wirklich primär um die Menschen geht und nicht um das Glaubenskonstrukt, mit dessen Verbreitung Sie Ihr Geld verdienen, dann unterstützen Sie doch zum Beispiel die Bestrebungen, den Religionsunterricht durch einen Werteunterricht zu ersetzen!

Geeignetes Unterrichtsmaterial steht dafür schon lange zur Verfügung. Noch umfassender ist das Konzept eines Unterrichtsfaches mit dem Titel „Rational Denken-Entscheiden-Handeln“ (RDEH).

A propos faszinierend: Unser heutiger Erkenntnisstand ist um Längen faszinierender als jeder sprechende Dornbusch und als alle Götterphantasien zusammen.

Einige besonders faszinierende Vertreter, denen wir unser modernes Weltbild zu verdanken haben, stellt Michael Schmidt-Salomon in seinem neu erschienenen Buch „Die Evolution des Denkens“ vor. Das, was an deren Erkenntnissen und Errungenschaften bis heute fasziniert, war und ist in keinem der Fälle irgendetwas Religiöses.

Handfeste Klugheit oder Gottes Segen?

Ich hoffe, dass diese Jugendlichen dann Visionen gepaart mit handfester Klugheit entwickeln; wieder spätere Generationen werden ihnen einmal dankbar sein.

Einen aktiven und zuversichtlichen Wahlsonntag wünsche ich Ihnen – und Gottes Segen dazu.

Also was jetzt, Herr Welter: Handfeste Klugheit oder Gottes Segen?

Da müssen Sie sich schon entscheiden, wenn Sie irgendwie ernst genommen werden möchten!

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2 Gedanken zu „Gespräche mit dem Vater – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Natürlich meint er die von Gott gesegnete, handfeste Klugheit, mit der sich die Kirche in fast alle grossen europäischen Firmen eingekauft hat, um ihren grenzenlosen, „gottgewollten“ Reichtum noch üppiger zu machen…

    Antworten
  2. Ob Herr Welter weiss, dass die EU nicht von visionären und weisen Politikern gegründet wurde, sondern von den Amerikanern und Briten als Bollwerk gegen den gottlosen Sowjet-Sozialismus gutgeheissen, wenn nicht sogar diktiert wurde? Adenauer, De Gasperi und Schuman waren willfährige Exekutoren der USA, deren christliche Gesinnung natürlich gut dazu passte.

    Dass Adenauer z. B. jede Menge Nazi-Grössen zu seinen Mitarbeitern zählte, und es dementsprechend auch keine Entnazifizierung in Deutschland gab, interessiert Herrn Welter nicht im Geringsten. Hauptsache, die Kirchen hatten wieder grossen Einfluss auf die Politik. Das freut Herrn Welter sicher sehr.

    Nur dass die Fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht mehr wiederkommen werden, das muss man ihm nochmal schonend beibringen;
    und dass die Visionen, die Herrn Welter vorschweben, von den nachfolgenden Generationen kaum noch weitergetragen werden, auch.

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