Kein „O du fröhliche“ nach Magdeburg? – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 3 Min.

Kein „O du fröhliche“ nach Magdeburg? – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht am 20.12.2024 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Frau Eicherts Fazit zum Weihnachtsmarkt-Anschlag in Magdeburg: „Die Geburt eines Kindes lässt uns glauben, dass Gott an unserer Welt noch nicht verzweifelt ist.“

Wahrscheinlich in Abwandlung eines, vielleicht als besinnliche Weihnachtssendung geplanten Programmes widmet Frau Eichert ihre heutige Verkündigungssendung dem gerade stattgefundenen Mordanschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, bei dem der Täter Taleb Al-Abdulmohsen 5 Menschen tötete und 200 Menschen verletzte, davon 41 schwer oder sehr schwer (Quelle).

Fraue Eicherts Verkündigung lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Auch Daniel Falk, der Verfasser des Liedes „O du fröhliche“ hatte schwere Schicksalsschläge zu bewältigen und lebte in von Leid, Hunger und Armut geprägten Zeiten.

Doch für Johannes Daniel Falk war die Weihnachtsgeschichte kein frommes Märchen. „Christ ist geboren“. Die Geschichte von der Menschwerdung Gottes sprach ihn an und er handelte: Zusammen mit seiner Frau Carolin gründete er ein Rettungshaus für Kriegswaisenkinder, die verloren durch die Straßen Weimars irrten. In diesen Kindern sahen sie das göttliche Kind.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Kein „O du fröhliche“ nach Magdeburg? – Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht am 20.12.2024 von ARD/daserste.de)

Die Aussage dahinter: Der „rechte“ Glaube führt dazu, dass sich Menschen mitmenschlich verhalten.

Rettung, Erlösung…?

Ja, unsre Welt geht an vielen Stellen kaputt. Aber Rettung, Erlösung ist möglich.

Rettung, Erlösung beziehen sich im religiösen Kontext natürlich nicht auf Menschen, sondern auf Götter.

Da in Magdeburg aber augenscheinlich kein Gott rettend, erlösend oder sonstwie hilfreich eingegriffen hatte, um das Leid zu verhindern oder wenigstens etwas zu vermindern, münzt Frau Eichert ihre Hoffnung einfach auf die Menschen um:

Entsetzen, Trauer, Angst, auch Zorn, in Magdeburg wie überall, wo Menschen zerstörerischer Gewalt ausgeliefert sind. Und gleichzeitig auch heute: So viele Menschen, die tatkräftig helfen. Der Einsatz der Rettungskräfte, der Trost und Beistand von Freundinnen und Nachbarn, aber auch von wildfremden Menschen! Diese Bilder geben mir Halt. Neben all dem Schrecklichen, ist auch so viel Liebe und Beistand in Welt!

Ja. Es sind Menschen, die so handeln. Wohl die meisten von ihnen helfen ihren Mitmenschen um deren Willen. Und nicht, weil sie sie für Abbilder ihrer Götter halten oder weil sie sich davon einen Jenseits-Bonus für sich erhoffen.

Still uns deines Vaters Zorn

Zorn wurde, ebenfalls in einem Kirchenlied, übrigens auch dem lieben Gott attestiert:

Süßer Jesu, auserkor’n,
weißt wohl, dass wir war’n verlor’n,
still uns deines Vaters Zorn,
dich hat gebor’n die reine Magd Maria.
Eia! Eia!

(4. Strophe des Liedes „Joseph, lieber Joseph mein“, Zit. n. https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph,_lieber_Joseph_mein)

Hier ist noch zu erkennen, was Mainstream-Glaubensverkündiger heute geflissentlich weglassen: Der eigentliche Grund zur Freude über die Geburt des Jesuskindleins in der Grippe war, dass Gott sich dieses später in einer Todesfolterungszeremonie zu seiner eigenen Befriedigung im Interesse Dritter – nämlich der Christenschar – als Menschenopfer dargebracht hatte.

Was soll das für ein Gott sein, der sich erst nach der Inszenierung einer qualvollen Hinrichtung seines eigenen Stiefsohns als Menschenopfer für sich selbst dazu durchringen kann, seine von ihm genau so geschöpften Anhänger davon zu retten und zu erlösen, was er ihnen androht, wenn sie nicht an ihn glauben?

Wer hat die Kraft, die Welt zu heilen?

Ich bin überzeugt: Diese solidarische Liebe hat die Kraft, die Welt zu heilen. Und sie wirkt Spaltungen entgegen.

Auch wenn ich in diesem Zusammenhang nicht von Liebe, sondern von Solidarität, Mitmenschlichkeit, Altruismus, Empathie oder auch von beruflicher Professionalität sprechen würde, stimme ich grundsätzlich zumindest insofern zu:

Wenn jemand die Kraft hat, die Welt zwar nicht zu heilen, aber doch wenigstens für weniger Leid und für weniger Spaltung zu sorgen, dann sind es die Menschen selbst. Aber:

Es geht gar nicht um die Menschen, es geht um Gott

Statt es dabei zu belassen, muss Frau Eichert noch ihrem Verkündigungsauftrag nachkommen. Denn egal wie groß das Leid und die Sprachlosigkeit, letztlich geht es nicht um Menschen, sondern um Gott:

Zu allen Zeiten lässt die Geburt eines Kindes uns daran glauben, dass Gott an unserer Welt noch nicht verzweifelt ist.

Es ist mir unbegreiflich, dass Gläubige nicht mal in Anbetracht von größtem Leid realer Menschen in der Lage oder willens sind, – wenigstens aus Rücksicht den Verletzten und Hinterbliebenen gegenüber – zwischen der irdischen Realität und ihren religiösen Phantasievorstellungen zu unterscheiden. Hauptsache, Gott gehts gut.

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6 Gedanken zu „Kein „O du fröhliche“ nach Magdeburg? – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. „Zu allen Zeiten lässt die Geburt eines Kindes uns daran glauben, dass Gott an unserer Welt noch nicht verzweifelt ist.“

    Zu allen Zeiten lässt die Geburt eines Kindes uns WISSEN, dass der ach so SÜNDIGE ZEUGUNGSAKT erfolgreich war. Und das hat nur was mit BIOLOGIE und NATURGESETZEN zu tun. Verzweifelte Götter sind dafür nicht notwendig, genauso wenig wie Liebe!

    Und ausserdem:

    Warum zum Geier sollte ein angeblich allwissender Gott an etwas verzweifeln, das er selbst so erschaffen hat?!

    Antworten
    • Liebe Frau Eichert,
      …dass Gott an unserer Welt noch nicht verzweifelt ist?
      An unserer Welt? Das ist doch die Welt Ihres Gottes, er hat sie doch nach seiner Vorstellung genau so erschaffen «und er sah, dass es gut war…».
      Frau Eichert, ich finde es abstoßend und widerlich, dass eine Religionsverkäuferin einer Religion, die selbst bis heute für unzählige Opfer und schlimmstes Leid verantwortlich ist, ein Verbrechen wie in Magdeburg für ihre christliche Propaganda ausschlachtet.

      Diese grausame Tat in Magdeburg widerlegt doch in allen Belangen die Existenz Ihres Lieblingsgottes, da kann es doch unter normal denkenden Menschen keine zwei Meinungen geben.
      Wie weit muss man eigentlich von der Realität entfernt sein und wie sehr muss man unter kognitiver Dissonanz leiden, um hier noch einen „lieben“ Gott zu predigen?
      Sorry mit ist jetzt davon schlecht, ich brauche einen Schnaps.

      Antworten
  2. Wieso habe ich immer das eigenartige Gefühl, dass Katastrophen jeglicher Art den professionellen Christen in eine gewisse Hochstimmung versetzen?
    Ich sag`s Euch:
    Weil er da in seinem Element ist, davon versteht er was. Das war schon immer so.
    Das Christentum, und nicht nur dieses, hatte in Krisen- und Kriegszeiten stets Hochkonjunktur und mobilisierte da in besonderer Weise seine Kräfte und seinen Ehrgeiz.

    Und woher kommt das?

    Weil eine wesentliche Existenzgrundlage für Religion die Todesangst ist, und weil der Tod in Katastrophen allgegenwärtig ist. Der Tod ist nicht nur ein „Meister aus Deutschland“, sondern auch ein Glücksfall für die Religion.
    Darum wurde auch das Paradies abgeschafft bzw. ins Jenseits verfrachtet. Denn wo Friede, Freude, Eierkuchen und Leben ohne Angst herrschen, ist der Kleriker arbeitslos.

    Denn das Folgende ist dem Klerus ein Gräuel:

    „Ein neues Lied, ein besseres Lied,
    O Freunde, will ich euch dichten!
    Wir wollen hier auf Erden schon
    das Himmelreich errichten.

    Wir wollen auf Erden glücklich sein,
    Und wollen nicht mehr darben;
    Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
    Was fleissige Hände erwarben.

    Es wächst hienieden Brot genug
    Für alle Menschenkinder,
    Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
    Und Zuckererbsen nicht minder.

    Ja, Zuckererbsen für jederman,
    Sobald die Schoten platzen!
    Den Himmel überlassen wir
    Den Engeln und den Spatzen.“

    Heinrich Heine, Ein Wintermärchen, Caput I

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