Kommentar zu: «Auch ohne Glauben glücklich»: Atheisten und der Katholikentag in Leipzig

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Kommentar zu: «Auch ohne Glauben glücklich»: Atheisten und der Katholikentag in Leipzig, verfasst von Stefan Kruse, veröffentlicht am 27.5.2016 von der Leipziger Volkszeitung / lvz.de

[…] In Leipzig gibt es nur gute 16 Prozent Christen.*

Von denen gerade mal 4,2% in die römisch-katholische Variante hineingeboren (oder dazu überredet) wurden.

Auch wird Kritik an den öffentlichen Zuschüssen für das Kirchenfest laut.

Zurecht. Die Subventionierung mit insgesamt 4.5 Millionen Euro ist mit nichts zu rechtfertigen und deshalb zurecht Gegenstand in der Kritik. Dafür spricht auch die Reaktion des Veranstalters.

Tiefensee, übrigens selbst katholischer Priester, sagt Sätze wie «Jeder Europäer ist christlich und atheistisch zugleich» oder «In jedem Atheisten lebt ein kleiner Christ».

Man muss unweigerlich schmunzeln, wie sich Leute mit nur zwei Sätzen so lächerlich machen können, dass man sie auch bei allem anderen, was sie sonst noch von sich geben, beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen kann.

Solche Leute haben dann oft auch kein Problem damit, zum Beispiel furchtbares Leid und schreckliches Elend einfach als die „andere Seite der Liebe Gottes“ darzustellen.

Viele christliche Werte – man kann etwa an Solidarität mit den Schwachen oder den Wert eines jeden Individuums denken – seien in der heutigen Gesellschaft allgemein anerkannte humanistische Werte.

Mit dem Unterschied, dass diese christlichen Aufrufe nur für den Umgang der Christen untereinander gelten. Der Nächste aus dem gleichnamigen Liebesgebot ist eben nicht der Fernste. Wie mit allen Un- und Andersgläubigen zu verfahren ist und was sie spätestens im Jenseits erwartet, darüber gibt die Bibel detailliert und in aller Grausamkeit Auskunft.

Dass die Christenschar heute halbwegs vertretbare Werte als bedeutsam ansieht und nicht mehr zum Beispiel die genauso biblisch angeordnete, systematische Vernichtung Un- und Andersgläubiger, hat die Menschheit der Säkularisierung zu verdanken und eben nicht dem Christentum.

Christliche Moralismen stimmen auch nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung mit modernen ethischen Standards überein: Schließlich steht in der Christenlehre ein beliebig definierbarer, bis zum Beweis des Gegenteils nicht existenter Gott an erster Stelle, während sich moderne Ethik an der Würde und Freiheit des Menschen als oberstem Wert orientiert – ein gewaltiger Unterschied.

Eine moderne Ethik muss für die gesamte Weltbevölkerung gelten können und nicht nur für die Schafe eines bestimmten Hirten, auf den nur die Schafe der eigenen Herde hören.

«Es geht auch ohne Kirchen als Werteagentur», so der Experte.

Experte? Wofür und warum? Welchen Expertenstatus kann man von jemanden erwarten, der in einer um Götter und Geister erweiterten Scheinwirklichkeit lebt?

Christen unterschieden sich in ihren Moralvorstellungen nicht von Menschen ohne Konfession.

Aber nur deshalb, weil die Kirche die Säkularisierung hinter sich hat und weil wir dank der Aufklärung und des Humanismus inzwischen eine moderne, zeitgemäße Ethik entwickelt haben, auf der zum Beispiel die Menschenrechte oder unser Grundgesetz basieren.

Man muss wohl nicht daran erinnern, dass diese erfreuliche Entwicklung gegen den erbitterten und blutigen Widerstand gerade der Kirche durchgesetzt werden musste, die sich jetzt gerne mit eben diesen fremden Federn schmückt und diese Werte gerne als „christliche Werte“ ausgibt.

Es ist erst wenige Jahre her, da segneten Christen noch die Atombombe vor dem Abwurf und auch heute vertreten Fundamentalisten ein Weltbild, das mit Ethik und Humanismus nicht das Geringste zu tun hat. Bei Bedarf liegt die Bibel als „oberste Wahrheit“ bereit und rechtfertigt auf Wunsch alles – von Nächstenliebe bis zum Völkermord, natürlich immer im angeblichen Namen und Auftrag Gottes.

[…] Wenn damals nicht die Kirchen geöffnet hätten, wäre es nicht möglich gewesen, «die wunden Seelen berühren zu können».

Der Grund dafür ist, dass die Kirchen in bestimmten Sektoren immernoch eine völlig unangemessene Monopolstellung innehaben. Gleiches gilt zum Beispiel auch für die Pflege und andere soziale Dienstleistungen.

Dass Religionen nicht nur Seelsorge, sondern auch Seelenverletzung betreiben, wird ebenfalls gerne übersehen: Wer Menschen dazu erzieht, sich sündig, unwürdig, schuldig und erlösungsbedürftig zu fühlen, wer sie auf eine jenseitige Erlösung vertröstet und sie mit einer ebenso jenseitigen Bestrafung bedroht, wer sich massiv in die Privatsphäre von Menschen einmischt, richtet damit unvorstellbar viel Schaden an.

Clemens Olesch, ein Student aus dem sächsischen Riesa, sagt: «Der Glaube ist für mich etwas Sinnstiftendes, Haltgebendes.»

Wenn Herr Olesch den katholischen Glauben tatsächlich für Sinnstiftend hält, dann hat er sich offenbar noch nicht wirklich mit dieser Glaubenslehre auseinandergesetzt. Schon bei oberflächlicher, kritischer Nachfrage fällt das religiöse Kartenhaus in sich zusammen.

Deshalb kann Glaube bestenfalls in der Form Halt geben, wie etwa Alkohol dem Alkoholiker „Halt“ geben kann. Trotzdem ist es natürlich seine private Angelegenheit, wie er die Sinnfrage für sich beantwortet – die Gedanken sind schließlich frei, nicht mal Götter, Geister, Gottesmütter oder -söhne kennen sie.

Die Veranstalter haben im kirchenfernen Leipzig ein spezielles Programm für Menschen ohne christlichen Glauben auf die Beine gestellt.

Freilich ohne sich wirklich mit diesen Ungläubigen auseinandersetzen zu wollen. Wie in anderen Berichten zu lesen ist, versucht man offenbar lediglich, Unentschlossene von der Sinnhaftigkeit der eigenen Weltanschauung zu überzeugen, wie man es von Sekten und anderen religiöse Gruppierungen ja nur zu gut kennt.

Mit Menschen, die mit Kirche nicht nur nichts am Hut haben, sondern denen die Kirche und deren Geschäftsgebaren mitunter gewaltig auf den Sack gehen, will man nichts zu tun haben, das eigene Festhalten an der religiösen Scheinwirklichkeit steht nicht zur Debatte.

Kritische Stimmen verweist man des Platzes oder macht sich über sie lustig, indem man in Diskussionsrunden symbolisch einen leeren Stuhl in die Runde stellt, statt sich mit Vertretern der heute allgegenwärtigen Kirchen- und Religionskritik tatsächlich auseinanderzusetzen.

Dieses Verhalten legt die Vermutung nahe, dass es den Kirchendienern sehr wohl bewusst ist, dass ihre Lehre im 21. Jahrhundert für das öffentliche Leben der Allgemeinheit keine Rolle mehr spielt und dass man sich deshalb besser nicht auf eine Auseinandersetzung mit kirchenkritischen Vertretern aus der realen, natürlichen Wirklichkeit einlässt.

Ganesh
Lebt sehr gut ohne Christengott: Ganesh

Man bedient sich stattdessen einer List, die Theologen schon lange anwenden, wenn es etwas zu bewältigen gibt, was sich redlicherweise nicht bewältigen lässt:

Man gibt das Problem einfach mal ganz offen und unumwunden zu („Man kann auch ohne Gott glücklich leben“), thematisiert es sogar – und statt nach einer Antwort darauf zu suchen, macht man dann einfach weiter wie bisher – mit Kerzenschein- und Weihrauch-Brimborium, Bibelsprüchen, hymnischem Gesang, symbolisch-kannibalistischen Zeremonien, grotesken Gewändern und stimmungsvollen Gruppenveranstaltungen zu Ehren eines erfundenen Wüstengottes aus dem Vormittelalter, der droben im Himmel wohnt und der es nötig hat, seine angebliche Allmacht und unbegrenzte, unfehlbare Weisheit von Vertretern einer bestimmten Trockennasenaffenart auf einem winzigen Planeten in Dogmen zementieren zu lassen.

Und dieser ganze Zinnober wird auch noch mit 4.5 Millionen Euro staatlich subventioniert – unglaublich.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

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