Wohin guckst Du? – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 7 Min.

Wohin guckst Du? – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Anke Prumbaum (evangelisch), veröffentlicht am 5.4.25 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Ein geradezu biblisches Tohuwabohu im heutigen „Wort zum Sonntag“: Frau Prumbaum pflanzt einen Apfelbaum, um nicht wie Frau Lot zur Salzsäule zu erstarren.

Heute präsentiert Frau Prumbaum eine Variante des bei Heilsverkäufern aller Art sehr beliebten Manövers:

Lade reale Probleme emotional so auf, dass eine Kulisse aus Unsicherheit, Verzweiflung und Angst entsteht. Je besser dir das gelingt, umso bereitwilliger und unkritischer fällt dein dafür anfälliges Publikum auf deine (leeren) Heilsversprechen herein.

Wohin guckst du? Erstmal dahin:

Bevor Frau Prumbaum also unseren Blick auf weltpolitische Probleme und auf ihre symbolischen Hoffnungskeime in Form von Apfelkernen lenkt, hier kurz eine ganz aktuelle, wirklich tolle Schlagzeile, die fowid.de gerade veröffentlicht hat:

Ende 2024 gab es in Deutschland erstmals mehr konfessionsfreie Menschen (47 Prozent) als römisch-katholische und evangelische Kirchenmitglieder zusammen (45 Prozent). Religiös aktiv sind nur rund 5 Prozent der Bevölkerung.

Quelle: https://fowid.de/meldung/religionszugehoerigkeiten-2024
Grafik: https://fowid.de/meldung/religionszugehoerigkeiten-2024

Und mit dieser frohen Botschaft zurück zum heutigen „Wort zum Sonntag.“

Diesmal hat Frau Prumbaum die Taktik leicht modifiziert: Erst das Heilsversprechen, dann die Problematisierung. Und danach noch eine Bibelstelle, die scheinbar zum Thema passen könnte.

Guten Abend!

Auf meiner Fensterbank in der Küche liegen Apfelkerne. Sie liegen da zum Trocknen, weil ich sie für einen Gottesdienst brauche.

Ich hab letzte Woche mit ein paar Ehrenamtlichen zusammengesessen und wir haben darüber nachgedacht, wie wir das Hoffnungsvolle, das da im christlichen Osterfest liegt, als Symbol fassen könnten, also sichtbares Symbol, und dann sind wir beim Thema Wachsen gelandet und bei Luthers Satz vom Apfelbäumchen: „Und wenn morgen die Welt untergehen würde, würd ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ Deshalb die Apfelkerne.

Mag sein, dass es nicht das beste Symbol für die christliche Hoffnung ist und für die Sehnsucht nach dem Leben in einer besseren Welt, vielleicht ein bisschen banal, aber, ganz ehrlich: was haben wir denn sonst?

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Wohin guckst Du? – Wort zum Sonntag, verkündigt von Anke Prumbaum (evangelisch), veröffentlicht am 5.4.25 von ARD/daserste.de)

Wiedermal jede Menge blabla, ohne zu erklären, worin die christliche Hoffnung denn nun konkret bestehen soll.

Und deshalb bleibt es auch ein Rätsel, was jene ominöse, aber ganz selbstverständlich behauptete christliche Hoffnung denn mit einer Sehnsucht nach einem Leben in einer besseren Welt zu tun haben soll.

Wir ham‘ ja sonst nüscht…

Mit ihrer rhetorischen Frage, was wir dem irdischen Elend denn sonst noch entgegensetzen könnten als symbolische Apfelkerne, leistet Frau Prumbaum einen intellektuellen Offenbarungseid:

Einerseits bleibt ihr aus christlicher Perspektive natürlich tatsächlich nichts weiter übrig, als das leere Versprechen mit Symbolismus zu kaschieren. Nicht umsonst sprechen Berufschristen ja vom „Geheimnis des Glaubens.“

Und andererseits kann und darf sie natürlich auch nicht zugeben, dass ausgerechnet die Menschen, die sich – genauso wie sie! – auf christliche Hoffnung berufen und stützen – gerade umfassend dazu beitragen, dass das von ihr ersehnte Leben in einer besseren Welt immer unwahrscheinlicher und schwieriger wird.

So bleibt eben nichts weiter übrig als ein paar Apfelkerne auf dem Fensterbrett. Und eine religiös bedingte Ignoranz jenen gegenüber, die sich täglich tatsächlich (und zwar nicht nur symbolisch) für die humanistischen und freiheitlichen Werte oder für wissenschaftlichen Fortschritt einsetzen. Also für Faktoren, von denen auch Gläubige wie Frau Prumbaum profitieren. Und zwar ganz konkret.

Nun folgt im „Wort zum Sonntag“ die schon angesprochene Auflistung an weltweiten Problemen, die so schlimm sind, dass Frau Prumbaums Freundinnen keine Nachrichten mehr schauen – oder sich die Augen beim Nachrichtenschauen zuhalten müssen, um das alles zu ertragen. Dabei sind die ja gar nicht selbst von den Problemen betroffen.

Aber sie freuen sich bestimmt schon ganz doll darauf, bald zusammen mit ihrer befreundeten Pfarrerin und im Gedenken an den Antisemit, Frauenhasser, Sozialrassist und Reaktionär Dr. Martin Luther ein paar Apfelbäumchen zu pflanzen. Für eine bessere Welt.

Hoffentlich berücksichtigen die gläubigen Gärtnerinnen, dass Äpfel Kaltkeimer sind. Damit es, wenn schon nicht mit der fiktiven christlichen Hoffnung, wenigstens mit den Apfelbäumen klappt…

Wohin gucken wir?

Statt die Zeit zu nutzen, um zum Beispiel mal zu erklären, worin denn die bei jeder Gelegenheit beschworene christliche Hoffnung nun konkret bestehen soll, präsentiert Frau Prumbaum ein (nach zweckdienlicher Umfabulierung) passend erscheinendes Textfragment aus der biblischen Mythologie:

Wohin gucken wir? Kennen Sie die Geschichte in der Bibel von Lot und seiner Frau? Die beiden fliehen aus der zerstörten Stadt Gomorrha, und Gott sagt: Guckt nicht zurück. Richtet euren Blick nicht auf das, was in Schutt und Asche liegt. Schaut nach vorne. Die Frau von Lot schafft es nicht. Das ist auch gar nicht so leicht. Sie blickt zurück – und erstarrt zur Salzsäule, so heißt es. Das ist eine kluge Geschichte. Es macht nämlich etwas mit meinen Gedanken, worauf ich meinen Blick richte. Es geht darum, wie der Blick auf das Böse, das Zerstörte, mich lähmt. Am Ende kann ich mich dann gar nicht mehr bewegen, weil das, was ich sehe, mich einfach nur erstarren lässt. Zu viele Katastrophen-Nachrichten machen genau das. Lähmen.

Und wohin gucken wir?

Anders als Frau Prumbaum natürlich immer erstmal auf den Kontext der Bibelgeschichten, die sie uns präsentiert. Und darauf, inwiefern ihre Interpretation und Darstellung des Inhaltes der Textgrundlage und deren eigentlichen Aussage entspricht.

Vor der hier erwähnten Flucht stellte Lot erstmal seine Gottesfürchtigkeit unter Beweis, indem er die beiden Engel, die bei ihm zu Besuch waren davor schützt, von der Stadtbevölkerung vergewaltigt zu werden, indem er stattdessen seine beiden jungfräulichen Töchter als Missbrauchsopfer zur Verfügung stellt.

Anders als von Frau Prumbaum dargestellt, fliehen die beiden nicht aus der zerstörten Stadt Gomorrha.

Vielmehr führen die beiden Engel die Familie Lot aus der Stadt hinaus, bevor der liebe Gott „…die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war“ (1. Mose 19, 25 LUT) mit Feuer- und Schwefelregen vernichtet.

Den Dialog von Gott mit Herrn und Frau Lot hat sich Frau Prumbaum zweckdienlich selbst ausgedacht. In der Bibel spricht Gott (natürlich) nur mit Herrn Lot – und nicht mit dessen Frau. Diese dient dann nur noch einmal als Beispiel dafür, was passiert, wenn man sich als Frau Gottes Befehl widersetzt.

Herrn Lot hingegen wird natürlich zugestanden, den von seinem Gott vorgeschlagenen Fluchtplan („Gehe aufs Gebirge“) abzulehnen und sich und seine Töchter stattdessen erstmal in einer kleinen Stadt (klein genug, um von göttlicher Strafe verschont zu bleiben) vor dem Vernichtungsschlag seines lieben Gottes in Sicherheit zu bringen.

Bibelstellen, für die Christen meist #bibelblind sind

In der biblischen Mythologie folgt nun eins der Kapitel, für das Christen zumeist #bibelblind sind. Und bei dem eine noch lebende Frau Lot ohnehin nur im Weg gewesen wäre:

  1. Und Lot zog weg von Zoar und blieb auf dem Gebirge mit seinen beiden Töchtern; denn er fürchtete sich, in Zoar zu bleiben; und so blieb er in einer Höhle mit seinen beiden Töchtern. 
  2. Da sprach die ältere zu der jüngeren: Unser Vater ist alt und kein Mann ist mehr im Lande, der zu uns eingehen könnte nach aller Welt Weise. 
  3. So komm, lass uns unserm Vater Wein zu trinken geben und bei ihm schlafen, dass wir uns Nachkommen schaffen von unserm Vater. 
  4. Da gaben sie ihrem Vater Wein zu trinken in derselben Nacht. Und die erste ging hinein und legte sich zu ihrem Vater; und er ward’s nicht gewahr, als sie sich legte noch als sie aufstand. 
  5. Am Morgen sprach die ältere zu der jüngeren: Siehe, ich habe gestern bei meinem Vater gelegen. Lass uns ihm auch diese Nacht Wein zu trinken geben, dass du hineingehst und dich zu ihm legst, damit wir uns Nachkommen schaffen von unserm Vater. 
  6. Da gaben sie ihrem Vater auch diese Nacht Wein zu trinken. Und die jüngere machte sich auch auf und legte sich zu ihm; und er ward’s nicht gewahr, als sie sich legte noch als sie aufstand. 
  7. So wurden die beiden Töchter Lots schwanger von ihrem Vater. 
  8. Und die ältere gebar einen Sohn, den nannte sie Moab. Von dem kommen her die Moabiter bis auf den heutigen Tag. 
  9. Und die jüngere gebar auch einen Sohn, den nannte sie Ben-Ammi. Von dem kommen her die Ammoniter bis auf den heutigen Tag. 
(Quelle des Bibelzitates 1. Mose 19, 30-38 LUT: Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart)

Grund für die vollständige Vernichtung der gesamten Region war übrigens das Ergebnis eines Deals zwischen Abraham und dem lieben Gott. Es ging darum, ob es in den betroffenen Städten noch wenigstens 10 Leute geben würde, die sich den biblischen 10 Geboten verpflichtet fühlten.

Rachegott in Höchstform

Es handelte sich dabei also um einen völlig unverhältnismäßigen, brutalen und religiös motivierten Vernichtungsschlag, mit dem der liebe Gott nicht nur Menschen für tatsächlich strafbares Handeln, sondern auch für abweichende Glaubensüberzeugungen genauso mit dem Verbrennungstod bestrafte wie alle, die weder straffällig, noch göttergläubig waren. Zudem alle geborenen und ungeborenen Kinder, Greise, Tiere und Pflanzen.

Der liebe Gott selbst hatte also das Szenario verursacht, dessen verbotener Anblick für Frau Lot die Verwandlung in eine Salzsäule – zur Folge hatte.

Diese Form gnadenloser konsequenter göttlicher Bestrafung wie Frau Prumbaum als ein „Erstarren“ vor der irdischen Grausamkeit und Zerstörung darzustellen, zeugt von jener religiösen Ignoranz (Blindheit trifft es wohl besser) und Arroganz, denen wir in praktisch jeder christlichen Verkündigung begegnen.

Good news vs. Symbolismus

Wir in der Vorbereitungsrunde für den Gottesdienst haben uns für die Apfelkerne entschieden. Heißt: Wir gucken zum Baum hin, der daraus wachsen kann. Manche Medien machen im Moment genau das: sie richten eine eigene Rubrik ein nur für die guten Nachrichten. Apfelkerne für die horrorgeplagten Augen und Ohren.

Der Versuch, dem eigenen inhaltsleeren Symbolismus eine Relevanz anzudichten, ist leicht zu durchschauen: Gute Nachrichten in den Medien können einer einseitig negativen Berichterstattung etwas entgegensetzen. Mit Beispielen, wie Menschen die Welt konkret und effektiv friedlicher, fairer oder gesünder machen.

Inwiefern das, was der Apfelkern als Keimzelle eines neuen Apfelbaumes in religiöser Hinsicht vermutlich symbolisieren soll die Welt friedlicher, fairer oder gesünder macht, verrät Frau Prumbaum nicht. Oder, um im Bild zu bleiben: Den eigentlichen Kern ihres Heilsversprechens verschweigt sie.

Glaubensbäume

Wenn wir an Ostern dann unsere Apfelkernchen meditieren, dann mögen manche darüber lachen. Aber so klein sie sind, sie lenken den Blick auf Wachstum und Leben. Und das wäre doch eine Haltung! Apfelbäume pflanzen, mitten in der schier untergehenden Welt. Jetzt schon! Gerade jetzt! Und wenn’s keine Apfelbäume sind, dann doch: Solidaritätsbäume, Hoffnungsbäume, Freiheitsbäume, Glaubensbäume.

Ach, die Welt geht schon wieder mal schier unter? Das behaupten religiös Verstrahlte seit inzwischen über 2000 Jahren, um Menschen mit ihren fiktiven Heilsversprechnungen zu ihren Gunsten in die Irre zu führen.

Lachen würde ich, wenn Frau Prumbaum und ihre Freundinnen ihre Apfelkernmeditationen und was sie sonst noch so an Ritualen in ihren Gottesdiensten zelebrieren als Privatangelegenheit und auf eigene Kosten betreiben würden.

Wenn ich mir jedoch vor Augen führe, dass auch alle Glaubensfreien und Andersgläubigen diese Realitätsflucht mitfinanzieren müssen und dass die Kirche von einer beispiellosen Sonderprivilegierung zur Verbreitung ihrer beliebig verbiegbaren, im biblischen Ursprung Menschenverachtenden Ideologie profitieren, dann ist mir nicht zum Lachen zumute.

Genau darum geht es: Neben Solidarität und Hoffnung auch noch irgendwie den Glauben hineinzuschmuggeln. Um diesen wie einen ebenfalls relevanten und wertvollen Faktor für eine bessere Welt aussehen zu lassen.

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2 Gedanken zu „Wohin guckst Du? – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Zitat: „Mag sein, dass es nicht das beste Symbol für die christliche Hoffnung ist und für die Sehnsucht nach dem Leben in einer besseren Welt, vielleicht ein bisschen banal, aber, ganz ehrlich: was haben wir denn sonst?“

    Das einzige was ihr habt ist eine tausenfach manipulierte, selektierte, widersprüchliche, mehrfach fehlübersetzte Schriftensammlung der ausgehenden Bronzezeit, zusammengefasst zu einem vollkommen absurden Märchenbuch, welches am Stück gelesen, der beste Weg zum Atheismus ist.
    Sonst habt ihr NICHTS, GARNICHTS, nur eure eigene Verblendung und die Indoktrination kleiner Kinder!

    So, das wars von meiner Seite.
    Ich glaube, ich nehm mir heute die Freiheit und gehe in meinen Solidaritätswald um dort die Friedensbäume anzuschreien…
    …Nur so zum Spass, weil die sich nicht wehren können. 🙂

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