Sternenkinder – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 7 Min.

Sternenkinder – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Anke Prumbaum, veröffentlicht am 14.6.25 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Sternenkinder als gespürter Gottesbeweis: „Sehr schön“ findet Frau Prumbaum den biblischen Gedanken eines ewigen göttlichen Plans – zu dem auch Fehlgeburten gehören. Bei diesen spürt sie immer wieder, dass ihr Gott auch da da ist.

Wischiwaschi-Christen machen vor nichts Halt, wenn es darum geht, sich und andere in ihrer Einbildung eines liebenden, da-seienden Gottes zu bekräftigen.

Das kann mitunter bizarre, um nicht zu sagen perverse Formen annehmen. Wenn etwa Kinder während der Schwangerschaft im Mutterleib sterben (so genannte Sternenkinder), spürt Klinik-„Seelsorgerin“ Prumbaum immer wieder, dass ihr lieber Gott da ist:

Sternenkinder: Gott ist da

Ich weiß, das ist ein schweres Thema zu so später Stunde. Es ist vielleicht kaum auszuhalten, sich das vorzustellen, aber ich spür immer wieder: Auch in solchen Momenten ist Gott da. Es geht um Trauer und Verlust und das gerade da, wo wir am empfindlichsten sind: bei den Kindern.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Wort zum Sonntag, verkündigt von Anke Prumbaum, veröffentlicht am 14.6.25 von ARD/daserste.de)
Sternenkinder

Der Tod eines Kindes (ob vor oder nach der Geburt) gehört zu den Schicksalsschlägen, bei denen die Nichtexistenz, Ohnmacht und/oder Gleichgültigkeit einer angeblich allmächtigen und allgütigen Gottheit so offensichtlich wird, dass es mir unbegreiflich ist, wie man ausgerechnet in diesem Zusammenhang auf die Idee kommen und behaupten kann, hier die Anwesenheit eines Gottes, der es gut mit den Menschen meint zu spüren.

Was das über Frau Prumbaums Umgang mit der Realität und über ihren moralischen Kompass aussagt, mag die geschätzte Leserschaft selbst beurteilen.

Unabhängig davon, ob man sich einbildet, göttliche Gegenwart zu spüren oder nicht: Wer kann sich denn ernsthaft die Anwesenheit eines Gottes wünschen, den seine Erfinder in den höchsten Tönen für dessen gnadenlose Grausamkeit und Brutalität Kindern gegenüber (und der Anstiftung dazu) rühmen?

perplexity.ai: Bibelstellen, in denen Gott Kinder tötet oder dazu auffordert

1. Die zehnte Plage in Ägypten

2. Mose (Exodus) 12,29

„Und es geschah um Mitternacht, da schlug der HERR alle Erstgeburt im Land Ägypten, vom Erstgeborenen des Pharao … bis zum Erstgeborenen des Gefangenen … und alle Erstgeburt des Viehs.“

Kontext:
Gott tötet alle erstgeborenen Söhne der Ägypter, um die Freilassung der Israeliten zu erzwingen.


2. Die Eroberung von Kanaan

5. Mose (Deuteronomium) 2,33-34 und 3,6

„… und wir schlugen ihn und seine Söhne und sein ganzes Volk. Und wir nahmen alle seine Städte zu jener Zeit ein und vollstreckten den Bann an jeder Stadt, an Männern, Frauen und Kindern; wir ließen keinen übrigbleiben.“

Josua 6,21 (Eroberung Jerichos):

„Und sie vollstreckten den Bann an allem, was in der Stadt war, an Mann und Frau, an jung und alt, an Rindern, Schafen und Eseln, mit der Schärfe des Schwertes.“

Kontext:
Die Israeliten werden von Gott angewiesen, bei der Eroberung des Landes Kanaan ganze Städte – einschließlich Kinder – zu töten.


3. Die Amalekiter

1. Samuel 15,2-3

„So spricht der HERR Zebaoth: … zieh hin und schlage Amalek … und vollstrecke den Bann an allem, was er hat. Verschone sie nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel.“

Kontext:
Gott befiehlt Saul, das Volk der Amalekiter samt Kindern und Säuglingen auszulöschen.


4. David und die Philister

2. Samuel 12,14-18

„Doch weil du durch diese Tat den Feinden des HERRN Anlass zur Lästerung gegeben hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, sterben … Und am siebten Tag starb das Kind.“

Kontext:
Gott lässt das Kind, das aus Davids Ehebruch mit Batseba hervorging, sterben.


5. Prophetenworte (z.B. Hosea)

Hosea 13,16

„… ihre kleinen Kinder werden zerschmettert und ihre schwangeren Frauen aufgeschlitzt werden.“

Kontext:
Gott kündigt durch den Propheten Hosea das Gericht über Samaria an, wobei auch Kinder sterben sollen.


6. Andere Beispiele

  • 4. Mose 31,17-18: Nach dem Krieg gegen die Midianiter werden die Israeliten angewiesen, alle männlichen Kinder und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind, zu töten.
  • Klagelieder 2,20-22: Die Zerstörung Jerusalems wird mit dem Tod von Kindern beschrieben, wobei Gott als Urheber des Gerichts dargestellt wird.

Quellen:

  • Bibel (Luther, Elberfelder, Einheitsübersetzung)
  • Theologische Nachschlagewerke und Kommentare

Eine Lina und ein Mahmut

Was dann kommt, ist der Weg des Abschieds. Loslassen. Viele haben doch schon Dinge gekauft fürs Kind. Die meisten Babys haben schon einen Namen, da sind eine Lina und ein Mahmut. Und in den Köpfen und Herzen der Eltern gibt es schon bunte Bilder vom Elternsein und vom Zusammenleben mit Kind. Das zerbricht alles.

Wenn wir mal kurz unterstellen, dass die Eltern von Mahmud möglicherweise nicht wie Sie, Frau Prumbaum, an den Bibelgott, sondern zum Beispiel an Allah glauben: Spüren Sie dann auch die Anwesenheit Ihres Gottes? Wo der doch in Glaubensfragen als unvorstellbar intolerant beschrieben wird? Gegenüber allen, die sich nicht ihm, sondern keinen oder anderen Göttern unterwerfen wollen? So sehr, dass seine obersten Gebote seinem absolutistischen Exklusiv-Anspruch gelten?

Oder ist „Gott“ einfach nur ein Platzhalter, der völlig beliebig gefüllt werden kann, ohne dass sich irgendetwas ändert? Weil es für die Einbildung einer spürbaren göttlichen Anwesenheit gar keine Götter braucht?

Auf die hier nur kurz angerissenen theologischen Implikationen geht Frau Prumbaum mit keinem Wort ein – im Gegenteil: Statt sich der Theodizee-Frage zu stellen, spürt sie die Anwesenheit ihres Gottes, wenn ein Kind stirbt.

Gute Medizin, klar.

Begleitung, das ist jetzt nötig. Und zwar auf ganz verschiedenen Ebenen:

Gute Medizin, klar.

A propos gute Medizin: In Deutschland lag die Totgeburtenrate um 1875 bei etwa 40 pro 1.000 Geburten (4 %). Seitdem ist die Rate kontinuierlich gesunken: Heute liegt sie in Deutschland bei etwa 4 pro 1.000 Geburten (0,4 %). (Quelle: BiB – Fakten – Totgeborene je 1.000 Lebend- und Totgeborene in Deutschland (1841-2023))

Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung haben Menschen geleistet, die nicht bereit waren, die bei Bedarf als unergründlich bezeichneten Pläne eines Gottes als Erklärung und Begründung der damals noch drastisch höheren Totgeburtenrate anzuerkennen.

Ich als Pfarrerin…

Sie brauchen auch einen respektvollen Umgang mit dem kleinen toten Menschenwesen und seiner Würde. Und ich als Pfarrerin sage: mitten in diesem Schmerz brauchen sie paradoxerweise auch den staunenden Blick auf das Wunder Mensch, wie perfekt der Mensch ist, schon in den frühen Schwangerschaftswochen!

Menschen sind zu keiner Zeit ihres Daseins perfekt. Einem solchen irrationalen Idealismus begegnet man im religiösen Kontext immer wieder; mit ihrem Verweis auf ihren Beruf legt Frau Prumbaum nahe, dass es ihr hier um eben diesen geht.

Perfekte Menschen könnte man zum Beispiel erwarten, wenn Menschen die Schöpfung eines perfekten Schöpfers wären, der sie nach seinem Eben- und damit Idealbild erschaffen hätte. Also dann, wenn es in der Realität so wäre, wie es in der biblisch-christlichen Mythologie behauptet und geglaubt wird.

Die Vorgänge während einer Schwangerschaft mögen erstaunlich wirken, keine Frage. Biologisch betrachtet sind sie aber alles andere als perfekt; sie sind der aktuelle Stand der Evolution. Und der ist weit davon entfernt, perfekt zu sein.

Tatsächlich wirksame Unterstützung für Sternenkinder-Eltern

Und es geht um Unterstützung. Es gibt nämlich wundervollerweise viele Menschen, die diese Familien unterstützen. Nicht nur in den Kliniken die Teams, danke. Auch Ehrenamtliche, die solche Nestchen nähen, damit Eltern die Möglichkeit haben, ihr Kleines im Arm zu halten – vielen tut das sehr gut. Es gibt das Angebot von Fotografinnen und Fotografen. Sie fahren ehrenamtlich als „Sternenkindfotografen“ in die Kliniken. Wenn sie dann ganz behutsame Fotos von den Kleinen machen, ihnen ein Gänseblümchen in die kleine Hand legen, dann erschaffen sie Bilder, die für Familien noch jahrelang wichtig sein können, zum Erinnern und zum Verarbeiten. Das ist Unterstützung. Und ich kenne viele betroffene Eltern, die in Selbsthilfegruppen gehen und die sind da ja nicht nur für sich selber, sondern die Stärken auch die Andere.

Für all das braucht es keinen Glauben an Götter – schon gar nicht an einen, dazu auffordert, Kinder zu töten und Schwangere aufzuschlitzen. Aus purer Eitelkeit. Weil er es nicht erträgt, wenn Menschen sich nicht ihm, sondern anderen Göttern unterwerfen möchten.

Gesetzlicher Mutterschutz

Die Fehlgeburt aus der Tabuzone rauszuholen. Zeit, körperlich und seelisch damit klarzukommen. Diese Art der Trauer anerkennen. Dafür ist der gesetzliche Mutterschutz eine ganz wichtige Errungenschaft.

Eine Errungenschaft, die in den 1950er Jahren schließlich doch noch gegen die Widerstände der christdemokratischen Adenauer-Regierung, die den Mutterschutz zwar erst befürwortet, die Umsetzung dann aber verzögert und behindert hatte, durchgesetzt werden konnte (Quelle).

Und es geht auch um Werte, die unser Zusammenleben braucht, die wir alle brauchen: Um Würde, die für jeden Menschen gilt unabhängig von Alter und Gewicht. Um Liebe, die den Tod aushält. Um Rechte von Frauen, von Müttern –  denen solches widerfährt. Und es passiert viel öfter, als man denkt.

Wie oben schon geschrieben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer Frau eine Fehlgeburt „widerfährt“, heute und hierzulande 100 Mal geringer als noch vor 150 Jahren. Das ändert freilich nichts daran, dass eine Fehlgeburt auch für diese vier von tausend Elternpaare einen schweren Schicksalsschlag darstellen kann.

Sternenkinder: Unabhängig von Alter und Gewicht

Mit der Ergänzung „unabhängig von Alter und Gewicht“ spielt Frau Prumbaum vermutlich auf die Anforderungen der Personenstandsgesetzgebung an, die laut Wikipedia für die Definition des Begriffes ‚Sternenkinder‘ von Bedeutung sind:

Im engsten und ursprünglichen Sinn bezeichnet der Begriff Kinder, die aufgrund von zusätzlichen Anforderungen der Personenstandsgesetzgebung (in Deutschland mindestens 500 Gramm Körpergewicht oder bei weniger als 500 Gramm mindestens die 24. Schwangerschaftswoche erreicht) keinen Eintrag als Person im Geburtsregister/Sterberegister bekamen.

(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Sternenkind#Abgrenzungen,_Fokus)

Leben: Viel mehr als das, was wir sehen

Ich bin dankbar für die Unterstützung, praktisch und politisch und seelisch. Ich merke immer wieder: Leben ist so viel mehr als das, was wir sehen.

Im religiösen Kontext laufen solche Formulierungen meist auf ein „Argumentum ad ignorantiam“ hinaus: Wir wissen es nicht, verstehen es nicht – also muss (der von mir geglaubte) Gott dahinter stecken.

Und auch bei Frau Prumbaum muss der Bibelgott nochmal fürs Schlusswort zu ihrem Beitrag zum Thema „Sternenkinder“ ran:

In der Bibel gibt es den Gedanken, dass Gott mich kennt, noch bevor ich im Mutterleib gebildet wurde. So ein schöner Gedanke! Er hält die Lebenden und die früh Gestorbenen in Gott zusammen.

Dieser Gedanke taucht an mehreren Stellen in der Bibel auf:

Dass sich die Menschen damals mangels besseren Wissens vorstellten, ihr Gott sei es, der Menschen im Mutterleib (oder auch „unten in der Erde“) formt (Psalm 139,13), kann man ihnen kaum vorwerfen.

In einigen dieser Stellen geht es darum, dass Gott seine Propheten schon im Mutterleib ausgewählt haben soll (Jeremia 1,5, Galater 1,15).

Ein weiteres, in diesem Zusammenhang wiederkehrendes Narrativ bezieht sich darauf, dass alles menschliche Leben Gott nicht nur schon immer bekannt, sondern schon immer nach seinem perfekten göttlichen Plan unabänderlich vorausgeplant war (Psalm 139,16).

Sternenkinder: Gottes unergründlicher ewiger Plan

Demzufolge wäre alles Geschehen bis ins letzte Detail genau so und nicht anders schon immer festgelegt gewesen. Und wenn man eine allmächtige und allwissende Entität wie den Gott aus der biblisch-christlichen Mythologie annimmt, dann ist alles, was jemals geschieht, dieser nicht nur bekannt, sondern muss von ihr auch genau so und nicht anders gewollt sein. Auch der pränatale Kindstod.

Daraus ergibt sich die Frage, was den lieben Gott wohl bewogen hatte, die Totgeburtenrate erst innerhalb der letzten 150 Jahre um den Faktor 100 zu senken?

„Es entspricht dem unergründlichen Willen Gottes“ mag für Menschen im Mittelalter tatsächlich ein schönerer Gedanke gewesen zu sein als „Warum zum Teufel musste ausgerechnet mein Kind sterben?“

Fazit

Wie man es als geistig gesunder Erwachsener mit Schulbildung im 21. Jahrhundert schafft, solche magisch-mythologischen Phantasievorstellungen mit seinem Wissen und seiner Vernunft, aber auch mit dem realen Leid der Eltern von „Sternenkindern“ unter einen Hut zu bekommen und Erstere auch noch als einen „so schönen Gedanken“ zu bezeichnen, erschließt sich mir nicht.

Einmal mehr zeigt sich, dass es den zeitgenössischen Wischiwaschi-Christen wie Frau Prumbaum offensichtlich völlig egal ist, welche Implikationen ihre als unverfänglich dargestellten religiösen Wunschphantasien beinhalten. Motto: Finger in die Ohren, Augen zu – und dann dem Publikum vorgaukeln, der Gott aus der biblisch-christlichen Mythologie sei ein lieber Gott.

Die Schäfchen, denen es sowieso egal ist, was in ihren heiligen Schriften tatsächlich steht und wie absurd schon allein die Prämissen ihres Glaubens sind, nehmen das Angebot dankend an. Und wieso sollte man auch etwas kritisch hinterfragen, wenn es sich doch zumindest so lange tröstlich anfühlt, wie man nicht weiter darüber nachdenkt?

Deine Gedanken dazu?

Fragen, Lob, Kritik, Ergänzungen, Korrekturen: Trage mit deinen Gedanken zu diesem Artikel mit einem Kommentar bei!

Wenn dir der Artikel gefallen hat, freuen wir uns über eine kleine Spende in die Kaffeekasse.

Bitte beachte beim Kommentieren:

  • Vermeide bitte vulgäre Ausdrücke und persönliche Beleidigungen (auch wenns manchmal schwer fällt...).
  • Kennzeichne Zitate bitte als solche und gib die Quelle/n an.
  • Wir behalten uns vor, rechtlich bedenkliche oder anstößige Kommentare nicht zu veröffentlichen.

Schreibe einen Kommentar

Ressourcen

Gastbeiträge geben die Meinung der Gastautoren wieder.

Wikipedia-Zitate werden unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike veröffentlicht.

AWQ unterstützen

Jetzt einfach, schnell und sicher online bezahlen – mit PayPal.

Wir haben, wenn nicht anders angegeben, keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.

Neuester Kommentar