Kommentar zu Karfreitag heute, anno domini 2016, Originalartikel verfasst von Peter Johanning, veröffentlicht am 25.3.2016 auf nac.today
Jesus wurde gegeißelt, heißt es. Das bedeutet, dass ihm Schmerzen zugefügt wurden – man schlug ihn, peitschte ihn aus, schubste ihn, schrie ihn an, bedrohte ihn. Schließlich töteten sie ihn. Folterungen dieser Art sind heute verboten, sie verstoßen gegen die Charta der Menschenrechte. Und doch gibt es auch heute viele Menschen, die Leid durchleben.
Demzufolge gibt es auch heute viele Menschen, die anderen Menschen solches Leid antun. Und worauf können sich diese Gewalttäter jederzeit problemlos berufen, womit können sie ihre Gewalttaten jederzeit legitimieren?
Mit Religionen, die neben Nächstenliebe eben auch Gewalt bis hin zum Völkermord im Portfolio haben. Ob sie es tatsächlich tun oder nicht, hängt vom Grad der Säkularisierung ihrer Glaubensgemeinschaft, dem sozio-kulturellen Entwicklungsstand und von der Aufgeklärtheit ihrer Anhänger ab.
[…] Alle diese Menschen liebt Gott.*
Um eine solche Aussage irgendwie sinnvoll und ohne zu lügen treffen zu können, müsste zunächst bekannt sein, wen oder was der Autor mit „Gott“ meint. Einem Was-auch-immer, das nur in der menschlichen Vorstellung „existiert“, kann man jede beliebige Eigenschaft zuordnen.
Genausogut könnte man sagen: Alle diese Menschen tötet Gott – dafür gäbe es wenigstens eine begründete Anfangsvermutung aufgrund der Beobachtung, dass ja tatsächlich alle Menschen sterben. Eine Liebe hingegen lässt sich in Wirklichkeit verständlicherweise nicht seriös mit einem fiktiven überirdischen Wesen in kausalen Zusammenhang bringen.
Halten wir fest und stellen wir klar: Ohne einen Beweis der Existenz Gottes und ohne eine allgemeinverbindliche, redliche Definition dieses „Gottes“ ist jede Aussage darüber, wie dieser Gott ist und was er macht, beliebig, die Aussage damit sinnlos.
Er hat seinen Sohn Jesus Christus auf die Erde gesandt, damit er für sie stirbt. Das ist einvernehmlicher christlicher Glaube.
Wenn es tatsächlich „einvernehmlicher christlicher Glaube“ ist, dass ein überirdisches Wesen, das einen Menschen, zu dem es eine Vater-Sohn-Beziehung hat, auf die Erde schickt, um ihn als Menschenopfer für sich selbst auf die denkbar grausamste Art und Weise zu Tode foltern lässt, um damit anderen Menschen seine Liebe zu beweisen, dann halte ich es für legitim und angebracht, den Geisteszustand und den ethischen Standard dieser Menschen ausdrücklich in Frage zu stellen.
Im Katechismus der Neuapostolischen Kirche heißt es dazu: „Wohl kaum deutlicher als in Jesu Opfer zeigt sich Gottes Liebe zu den Menschen. Mit dem Karfreitagsgeschehen ist eine Wende in der Heilsgeschichte angebrochen.“ (KNK 12.5.3).
Welche Wende soll denn angebrochen sein? Welches Heilsgeschehen? Jesus hatte sich in seiner Ankündigung des kurz bevorstehenden Jüngsten Gerichtes schlicht und ergreifend geirrt. Bis heute ist noch keiner der über 3000 Götter, die sich die Menschen schon ausgedacht haben, auch nur ein Mal seriös beweisbar irgendwie in Erscheinung getreten. Von einer Apokalypse hätte man sicher etwas mitbekommen.
An der vollkommenen Bedeutungslosigkeit dieser archaischer Märchen und Mythen ändert sich auch nichts dadurch, dass Jesus in Ermangelung der Apokalypse irgendwann einfach selbst zum Verkündeten gemacht worden war. Aus dem Verkünder wurde der Verkündete, aus dem Prophet wurde Gottes Sohn (eine Geschichte, die, wie alle anderen Jesusgeschichten auch, aus früheren Mythen und Sagen übernommen wurde).
Wer sich die Geschichte speziell des Christentums objektiv betrachtet, wird unweigerlich zugeben müssen, dass es sich dabei keineswegs um eine Heils-, sondern, ganz im Gegenteil, um eine Kriminalgeschichte** handelt.
Die Wende, die tatsächlich das Ende des „Dunklen Zeitalters“, also des Jahrtausends, in dem die Kirche Einfluss hatte, einläutete, war die Aufklärung, die Säkularisierung, die Renaissance.
Der Karfreitag lehrt uns, dass Gott sich allen Menschen zuneigt, dass seine Liebe allen gilt –
Der Karfreitag lehrt uns, dass es selbst im Jahr 2016 noch erwachsene, eigentlich aufgeklärte Menschen gibt, die gegen jede Vernunft, Logik, intellektuelle Redlichkeit, gutes Gewissen und Anstand an archaischen Mythen basierend auf inhumanen Moralismen festhalten und so tun, als handle es sich dabei um reale Tatsachen, die irgendeine Bedeutung für die heutige Zeit hätten.
[…] ohne Ansehen der Person, dass nichts und niemand größer ist als Gottes Liebe:
Doch, natürlich. Eric, der götterfressende Pinguin mit einer Vorliebe für Monotheistische Götter, ist größer. Und noch größer ist natürlich das Fliegende Spaghettimonster, was viele Schriften und persönliche Erfahrungen belegen. Wer etwas anderes behauptet, verletzt meine religiösen Gefühle und muss beweisen, dass es nicht so ist (nach religiöser „Logik“ wäre das so).
„Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ (Römer 8,38.39).
Ganz ausdrücklich wird genau in diesem Text, aus dem dieser Satz wie üblich gezielt herausgepickt wurde, mehrfach klar gemacht, dass Gott seine Liebe natürlich nicht allen Menschen „ohne Ansehen der Person“ in Aussicht stellt, sondern nur denen, die sich ihm völlig, bis hin zur Selbstaufgabe unterwerfen – und selbst dann liegt es trotzdem noch einzig und allein bei Gott, wen er letztendlich liebt und warum (Hervorhebung von mir):
- Wie geschrieben steht (Psalm 44,23): »Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«
(Quelle: Römer 8, 36, Lutherbibel 1984) - Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.
(Quelle: Römer 8,28-30, Lutherbibel 1984)
Die Liebe Gottes hängt also vor allem anderen davon ab, wie sehr Menschen Gott lieben und nicht etwa davon, wie sie sich verhalten. Wie soll man von einer solchen „Logik“ eine brauchbare, humane Ethik ableiten können? In einer Zeit, in der ein fiktiver Gott redlicherweise nicht mehr als reale Größe anerkannt werden kann? Ich behaupte: Gar nicht.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs erwähnten und verlinkten Artikel.
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Bild: CC0 Public Domain, pixabay.com
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