Wenn Dialog bedeutet, dass nur einer spricht – und der andere nachweislich nie antwortet – Gedanken zum Impuls von Stefan Buß: „Sprechen mit Gott – das Gebet“
Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda lädt in seinem heutigen „Impuls“ auf osthessen-news.de ein, täglich mit Gott zu sprechen. Ein für Christen vermutlich sympathischer Gedanke – wäre da nicht die Kleinigkeit, dass in diesem angeblichen „Dialog“ seit Jahrtausenden dokumentiert nur eine Seite zu Wort kommt.
Das Gespräch, das keines ist
Buß betont ausdrücklich: „Es ist ein Dialog, kein Monolog.“ Eine bemerkenswerte Behauptung für eine Kommunikationsform, bei der die Antwort des Gesprächspartners ausschließlich in der Interpretation des Betenden stattfindet.
Der Pfarrer konzediert dies indirekt selbst: Die Antwort komme „manchmal in Frieden, manchmal in neuen Gedanken, manchmal in Menschen“. Mit anderen Worten: in allem, was auch ohne übernatürliche Instanz passieren würde.
Das ist, als würde ich meinem Gummibaum von meinen Sorgen erzählen, mich anschließend besser fühlen und daraus schließen, der Ficus habe mir therapeutisch beigestanden. Die psychologische Wirkung des Verbalisierens eigener Gedanken – ob laut oder leise – ist wissenschaftlich gut dokumentiert. Sie benötigt keine göttliche Intervention als Erklärung.
Der große Unbekannte, der uns „besser kennt als wir uns selbst“
Besonders pikant: Gott kenne uns besser als wir uns selbst, behauptet Buß. Ein omnipotentes Wesen, das trotz dieser intimen Kenntnis offenbar dringend darauf angewiesen ist, dass wir ihm unsere Bitten vortragen.
Warum muss ein allwissender Gott um etwas gebeten werden? Weiß er nicht längst, was wir brauchen? Das Vaterunser selbst räumt diese Absurdität ein: „Denn euer Vater weiß, was ihr bedürfet, ehe denn ihr ihn bittet“ (Mt 6,8) – direkt vor dem Text, den Buß zitiert.
Dieser Widerspruch wird seit der Antike diskutiert: Epikur formulierte es treffend: Entweder weiß Gott nicht, was wir brauchen (dann ist er nicht allwissend), oder er weiß es und kümmert sich nicht (dann ist er nicht gütig), oder er weiß es und kann nicht helfen (dann ist er nicht allmächtig).
Das Vaterunser: Ein Muster autoritärer Unterwerfung
Buß preist das Vaterunser als universellen Schlüssel.
Betrachten wir diesen „Schlüssel“ nüchtern: Er beginnt mit Lobpreisung eines Herrschers, setzt fort mit der Bitte um Unterwerfung unter dessen Willen („Dein Reich komme, Dein Wille geschehe“), bittet um das Existenzminimum („unser tägliches Brot“) und endet mit der Bitte um Schutz vor dem Bösen – das dieser angeblich allmächtige und gütige Gott doch verhindern könnte, wenn er wollte.
Das Muster ist entlarvend: Preise den Machthaber, unterwirf dich seinem Willen, bettle um Grundversorgung, akzeptiere seine fragwürdige Weltordnung.
Kein emanzipatorischer Text, sondern eine Anleitung zur freiwilligen Unmündigkeit.
Vertrauen in eine belegbar schweigende Instanz
„Gebet ist Ausdruck von Vertrauen“, schreibt Buß. Aber ist es rational, einer Instanz zu vertrauen, die sich seit Menschengedenken durch vollständige Nicht-Kommunikation auszeichnet? Die keine einzige überprüfbare, eindeutige Antwort gibt? Die in Auschwitz schwieg, bei Tsunamis schweigt, beim Kindesmissbrauch – auch in kirchlichen Einrichtungen – schweigt?
Das sogenannte „Gespräch mit Gott“ ist bestenfalls eine Form der Meditation oder Selbstreflexion – beides durchaus nützliche psychologische Praktiken. Aber nennen wir das Kind beim Namen: Es ist kein Gespräch, sondern strukturiertes Nachdenken mit religiösem Beiwerk.
Die ehrlichere Alternative
Buß hat durchaus recht: Stille Momente im Alltag sind wertvoll. Dankbarkeit zu kultivieren, ist psychologisch gesund. Schuld zu reflektieren und Vergebung zu üben, sind wichtige menschliche Fähigkeiten. Sich seiner Wünsche und Ängste bewusst zu werden, hilft bei der Orientierung.
All das funktioniert jedoch ohne die Fiktion eines kosmischen Ansprechpartners – und zwar ehrlicher.
Denn dann übernehme ich Verantwortung für mein Leben, statt sie an eine imaginäre Instanz zu delegieren. Dann weiß ich: Die „Antwort“ kommt aus mir selbst, aus meiner Reflexion, aus menschlicher Begegnung – nicht aus einer väterlichen Himmelsinstanz, die nur in der Fantasie existiert.
Der Humanismus bietet all die positiven Aspekte des Gebets – Reflexion, Dankbarkeit, ethische Orientierung – ohne den intellektuell unredlichen Umweg über einen schweigenden Dialogpartner.
Stefan Buß lädt uns ein, mit Gott zu sprechen. Ich lade ein, ehrlich mit uns selbst zu sprechen – ohne den Umweg über Bronze- und Eisenzeitmythologie.
Denn am Ende ist nicht das Problem, dass Menschen beten. Das Problem ist, dass sie glauben, jemand höre zu – und daraus politische, moralische und gesellschaftliche Ansprüche ableiten.
Text mit KI bearbeitet
2. ergänzte Auflage 🙂
„wer kann, darf darauf vertrauen“
Dieses „können“ läuft bei Theologen wie z.B. Ratzinger auf einen grotesken Eiertanz hinaus: einerseits ist es z.B. ein „ungeschuldetes Geschenk“ Gottes oder seiner Gnade zu verdanken, andererseits muss immer DER Mensch schuld sein, wenns nicht klappt. Der „verschließt dann“ angeblich „die Augen vor der unendlichen Liebe Gottes“.
Auf
https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-10/papst-leo-xiv-welt-stille-gott-wieder-hoeren-eremiten-audienz.html
lobt Papst Leo allerdings das Leben in Einsamkeit:
»Leo XIV. zitierte den „Wüstenvater“ Evagrius Pontikos: „Ein Mönch ist derjenige, der, von allen getrennt, mit allen vereint ist.“ Das eremitische Leben, so der Papst, trenne daher nicht von den Menschen, sondern „vereine in einer tieferen Solidarität“.
Noch so ein Eiertanz !
Obwohl selbst indoktriniert augewachsen, verwundert es mich immer wieder, wie angeblich rational denkende Menschen sich einem derartigen Stuss hingeben können.
Viel schlimmer noch, viele dieser Menschen haben grosse Macht, als Politiker, Firmenchefs, Justizbeamte, etc., und rechtfertigen ihre teils unmoralischen Entscheidungen mit den selbst erdachten (innerer Monolog) Antworten, die ihnen angeblich ein Kriegsgott aus dem mittleren Osten eingeflüstert hat…
Perverser gehts nicht!
Shit, da sind schon wieder Depeche-Mode mit ihrem „Personal Jesus“… Langsam glaub ich, die/der verfolgen mich…
Nebenbei:
Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und -freihändig- fahre, behaupte ich auch immer, es wäre ein Tandem bei dem nur der zweite Fahrer und Sattel unsichtbar sind.
Aber einer muss ja schliesslich lenken!
Normalerweise kommen Leute mit permanenten Halluzinationen in psychiatrische Behandlung, aber bei Gotteanbetern wird gern ein Auge zugedrückt.
Oder: Too big to fail?
Ironie off