Was ich Dir noch hätte sagen wollen – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrerin Anke Prumbaum, veröffentlicht am 22.11.25 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Pfarrerin Prumbaum instrumentalisiert menschliche Trauer und emotionale Verletzlichkeit, um unbelegte Jenseitsversprechen zu verkaufen – säkulare Trauerarbeit hilft ehrlicher, weil sie ohne religiöse Illusionen auskommt.Pfarrerin Anke Prumbaum liefert in ihrem heutigen „Wort zum Sonntag“ ein Paradebeispiel dafür, wie Kirchen menschliche Grundbedürfnisse und emotionale Verletzlichkeit instrumentalisieren, um ihre metaphysischen Behauptungen plausibel erscheinen zu lassen. Schauen wir uns an, was hier wirklich passiert.
Die bewährte Strategie: Erst berühren, dann missionieren
Der Beitrag beginnt mit einer zutiefst menschlichen, nachvollziehbaren Szene: Eine Witwe trauert um ihren verstorbenen Mann und bereut, ihm nicht öfter gesagt zu haben, wie gut seine Bratkartoffeln waren. Diese emotionale Öffnung ist kein Zufall – sie ist das Einfallstor für die religiöse Botschaft, die folgen wird.
Prumbaum spricht ein universelles menschliches Phänomen an: das Bedauern über ungesagte Worte nach dem Tod eines nahestehenden Menschen. Dieses Gefühl kennen wir alle, unabhängig von Weltanschauung. Doch während ein säkularer Ansatz bei der psychologischen Realität bleiben würde, nutzt die Pfarrerin diese Verletzlichkeit als Sprungbrett ins „Übernatürliche“, genauer: in religiöse Phantasiewelten.
Das Problem mit den „überhängenden Sätzen“
Die Formulierung, dass ungesagte Worte „zwischen Himmel und Erde“ hängen, ist rhetorisch geschickt, aber intellektuell unredlich. Sie suggeriert eine metaphysische Realität, für die es keinerlei Belege gibt. Die verstorbene Person existiert nicht mehr als bewusstes Wesen – sie kann nichts mehr hören, nichts mehr verstehen, nichts mehr erwidern.
Das mag hart klingen, aber es ist die Realität, die uns die Neurowissenschaften, Biologie und Medizin zeigen: Unser Bewusstsein, unsere Persönlichkeit, unsere Erinnerungen – all das ist an ein funktionierendes Gehirn gebunden. Stirbt das Gehirn, endet die Person. Es gibt keinen „Geist“, der unabhängig weiterexistiert.
Säkulare Trauerarbeit: Ehrlich, aber nicht trostlos
Die gute Nachricht: Wir brauchen keine religiösen Fiktionen, um mit Trauer umzugehen. Psychologie und säkulare Seelsorge bieten wirksame, evidenzbasierte Ansätze:
Realistische Perspektive auf ungesagte Worte: Der Verstorbene hat zu Lebzeiten gespürt, was ihm wichtig war. Die Bratkartoffel-Komplimente, die nicht ausgesprochen wurden, ändern nichts an der gelebten Wertschätzung in der Beziehung. Die Beziehung war real – die Reue ist ein Gefühl in uns selbst, das wir verarbeiten müssen.
Therapeutische Techniken: Brief- oder Tagebuchschreiben an Verstorbene ist ein etabliertes psychologisches Tool. Es hilft bei der emotionalen Verarbeitung – aber ohne die Illusion, dass da „jemand zuhört“. Die heilsame Wirkung liegt im Artikulieren eigener Gefühle, nicht in einer imaginierten Kommunikation.
Gemeinschaft statt Gottesglauben: Das Kunstprojekt mit den Telefonsäulen in Los Angeles funktioniert psychologisch – aber nicht, weil „jemand am anderen Ende“ ist, sondern weil das Aussprechen selbst therapeutisch wirkt. Es braucht keine göttliche Instanz, nur den Raum für emotionalen Ausdruck.
Die Manipulation am Ende: Der Gottesbezug

Der Schluss ist entlarvend: „Ich glaube ja, jemand hört. Und übrigens, diese Nummer in Los Angeles, die kann man von überall in der Welt aus anrufen. So wie Gott ja auch.“
Hier wird das säkulare Kunstprojekt Goodbyeline mit psychologischem Nutzen kurzerhand für religiöse Zwecke vereinnahmt. Die Parallele zwischen Telefon und Gebet ist manipulativ: Das Telefon existiert real, Gott nicht.
Die Telefonnummer 8888088598 kann man wählen und etwas passiert – beim Gebet nicht, wie Studien zur Gebetswirksamkeit wiederholt gezeigt haben.
Was wirklich hilft bei Trauer
Statt metaphysischer Trostpflaster brauchen Trauernde:
- Ehrliche Anerkennung der Endgültigkeit des Todes – sie ermöglicht echte Verarbeitung
- Psychologische Begleitung durch geschulte Fachkräfte, keine Pfarrer mit Jenseitsversprechen
- Soziale Gemeinschaft – Familie, Freunde, Trauergruppen
- Zeit und Geduld mit dem eigenen Trauerprozess
- Die Erkenntnis, dass Trauer Liebe ist, die keinen Ort mehr hat – und das ist okay
Fazit: Menschlichkeit braucht keinen Gott
Pfarrerin Prumbaum zeigt großes Einfühlungsvermögen für menschliches Leid. Doch statt bei psychologischer Hilfe zu bleiben, macht sie das, was Kirchen seit Jahrtausenden tun: Sie verkauft unbelegte Versprechen über eine imaginäre Welt an emotional verletzliche Menschen.
Wahre Menschlichkeit heißt, Trauernde nicht mit falschen Hoffnungen abzuspeisen, sondern ihnen zu helfen, die Realität des Verlustes zu akzeptieren und dennoch weiterzuleben. Das ist schwerer, als auf ein Jenseits zu verweisen – aber es ist ehrlich.
Und Ehrlichkeit ist mehr wert als Trost durch Illusion. Ein Trost, der, wenn überhaupt, nur so lange tröstlich sein kann, wie es gelingt, die Illusion aufrecht zu erhalten. Angst vor Ent-Täuschung ist ein starkes Motiv, um an einer (Selbst-)täuschung festzuhalten. Das gilt für religiöse Heilsversprechen genauso wie für den vom Betroffenen ebenfalls als vorübergehend tröstlich empfundenen Alkohol- oder Drogenrausch.

















Altbekanntes Marketing-Modell. Der Spiritismus blühte z.B. nach dem ersten Weltkrieg sehr stark auf. Viele Leute wollten mit ihren gefallenen Lieben über Medien in Kontakt treten. Trauernde sind verletzlich und anfällig für diverse Manipulationstaktiken.
…und damit leichte Beute für Heilsverkäufer aller Art…
Ich staune immer wieder darüber, wo die Berufschristen ihren Optimismus hernehmen, dass die Toten die ewige Glückseligkeit erwartet. Auch nach dem Augsburger Bekenntnis werden sie erst mal vor Gericht gestellt und es „werden die verworfen, die lehren, dass die Teufel und die verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden.“
Gut, die Evangelen müssen keine jahre- jahrzehnte- jahrhundertelange unumgängliche Läuterung im Fege-Feuer erleiden, von der man sie durch Ablässe erlösen müsste, wenn man sie liebt (Präsens !). Aber der Ausgang des Gerichtsverfahrens ist doch durchaus ungewiss.
Bei allem Respekt vor der Trauer muss man festhalten, dass da auch ein gerüttelt Maß an Egoismus eine Rolle spielt. Nicht umsonst sagt man, dass einem ein lieber verstorbener FEHLT (!). Um im Bild zu bleiben, die Witwe wird wohl jetzt die weniger guten (?) Bratkartoffeln essen müssen, die sie selbst zubereiten muss.
Für mich ist dieser Aphorismus von Mascha Kaléko ein schöner Trost:
Bedenkt, den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andern muss man leben.