Eine kritische Analyse der Deutschlandfunk-Andacht „Weihnachten weiblich“ vom 21.12.2025, verkündigt von Pastorin Ines Bauschke, Text veröffentlicht auf https://rundfunk.evangelisch.de/am-sonntagmorgen/15346/weihnachten-weiblich
Worum geht es?
Pastorin Ines Bauschke sucht feministische Inspiration ausgerechnet in der Institution, die Frauen jahrhundertelang systematisch unterdrückt hat – und merkt nicht, dass sie damit das patriarchale System legitimiert, statt es zu überwinden.Die Ironie der „weiblichen Perspektive“
Pastorin Ines Bauschke beginnt ihre Andacht mit einer berechtigten Kritik an einem geschmacklosen „Frauenparkplatz“-Kissen und der männlichen Ignoranz gegenüber Frauenperspektiven. Doch dann vollzieht sie einen bemerkenswerten gedanklichen Salto: Sie sucht die „weibliche Sicht auf Weihnachten“ ausgerechnet in einer der patriarchalsten Institutionen der Menschheitsgeschichte – dem Christentum.
Die Ironie könnte kaum größer sein. Eine Religion, die Frauen jahrhundertelang systematisch unterdrückt, vom Priesteramt ausgeschlossen und mehrere zehntausend Frauen verbrannt hat, soll plötzlich Quelle feministischer Inspiration sein?
Maria: Die konstruierte revolutionäre Heldin
Bauschke zeichnet ein Bild von Maria als „wilder, revolutionärer Prophetin“ und „glaubensstarker jüdischer Frau“. Doch dabei übersieht sie (oder verschweigt) grundlegende Probleme:
1. Das Problem der „Zustimmung“
Die Geschichte beginnt damit, dass ein göttliches Wesen einer minderjährigen Frau (Maria war nach historischen Standards vermutlich 12-14 Jahre alt) mitteilt, sie werde schwanger werden. Bauschke preist Marias Antwort „Mir geschehe, wie du gesagt hast“ als Zeichen von „Haltung“.
Aus rationaler Sicht ist dies jedoch keine echte Einwilligung, sondern die Unterwerfung unter eine übermächtige Autorität. Was wäre geschehen, hätte Maria „Nein“ gesagt? Diese Option existierte offensichtlich nicht. Von „Empowerment“ zu sprechen, wenn eine junge Frau sich einem göttlichen Diktat fügt, pervertiert den Begriff ins Gegenteil.
2. Die „revolutionäre“ Botschaft
Das Magnificat, das Bauschke als „Revolutionslied“ feiert, verspricht: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.“ Schöne Worte – doch wo ist die versprochene Revolution nach 2000 Jahren Christentum?
Die Realität sieht anders aus:
- Die christliche Kirche hat sich historisch fast immer auf die Seite der Mächtigen gestellt
- Sie hat Sklaverei jahrhundertelang geduldet und theologisch legitimiert
- Sie hat feudale Strukturen gestützt statt bekämpft
- Päpste regierten als weltliche Herrscher mit Prunk und Macht
- Die Kirche akkumulierte selbst enormen Reichtum, während sie den Armen „himmlischen Lohn“ versprach
Das Magnificat ist kein Revolutionslied, sondern ein Vertröstungslied: Die Unterdrückten sollen geduldig auf göttliches Eingreifen warten, statt selbst für Gerechtigkeit zu kämpfen.
Die Kriminalgeschichte des Christentums
Bauschkes Text ignoriert vollständig, was das Christentum tatsächlich aus Frauen gemacht hat. Hier nur einige wenige, quasi beliebig vermehrbare Beispiele.
Systematische christliche Frauenfeindlichkeit
- Paulus (1. Korinther 14,34): „Die Frauen sollen schweigen in den Gemeinden“
- 1. Timotheus 2,11-12: „Eine Frau lerne in der Stille […] Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre“
- Kirchenvater Tertullian: Frauen als „Tor zur Hölle“
- Thomas von Aquin: Frauen als „missratene Männer“ (mas occasionatus)
- Martin Luther: „Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da.“
- Martin Luther: „Eine Frau hat häuslich zu sein, das zeigt ihre Beschaffenheit an; Frauen haben nämlich einen breiten Podex und weite Hüften, dass sie sollen stille sitzen.“
- Martin Luther: „Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden.“
- Martin Luther (Predigt 1526): „Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen“ – Luther befürwortete die Verfolgung von Frauen, die die Kirche für „Hexen“ hielt
Die „Hexen“-Verfolgung
Das dunkelste Kapitel: Die systematische Verfolgung, Folter und Verbrennung von schätzungsweise 40.000-60.000 Menschen, überwiegend Frauen, im Namen und angeblichen Auftrag des christlichen Gottes. Der „Hexenhammer“ (Malleus Maleficarum) war ein offizielles kirchliches Dokument.
Institutionalisierte Diskriminierung durch das Christentum bis heute
- Frauen dürfen in der katholischen Kirche keine Priester werden
- Vatikan lehnt Verhütung und Abtreibung ab – Kontrolle über weibliche Körper
- Sexueller Missbrauch in kirchlichen Institutionen systematisch ermöglich und vertuscht
- Zwangsadoptionen, Magdalenen-Wäschereien, Mutter-Kind-Heime
Der Maria-Mythos als patriarchales Instrument
Bauschke kritisiert zu Recht, dass Maria „Bedeutung zugeschrieben [wurde] allein durch den Sohn, den sie geboren hat.“ Doch sie erkennt nicht, dass der gesamte Maria-Kult ein Werkzeug patriarchaler Kontrolle ist:
Das unmögliche Ideal
Maria ist gleichzeitig:
- Jungfrau UND Mutter
- Demütig UND erhöht
- Gehorsam UND prophetisch
Dieses Paradox ist für reale Frauen unerreichbar und dient dazu, sie in Schuldgefühle zu treiben. Entweder bist du sexuell rein (wie die Jungfrau Maria) oder Mutter – aber nicht beides. Echte Frauen können diesem Ideal niemals entsprechen.
Die Funktion der Marienverehrung
Die katholische Marienverehrung kanalisiert weibliche Spiritualität in eine ungefährliche, systemkonforme Richtung. Maria ist die perfekte patriarchale Frau: jung, gehorsam, schweigend (nach dem Magnificat hören wir kaum noch von ihr), dienend.
Das theologische Dilemma
Bauschkes Hauptthese – Maria habe Jesus erzogen und geprägt – führt zu unauflösbaren theologischen Widersprüchen:
- Wenn Jesus Gott ist: Wie kann eine sterbliche Frau Gott erziehen? Müsste Gott nicht allwissend sein?
- Wenn Jesus seine Ethik von Maria lernte: Warum brauchten wir dann die göttliche Inkarnation? Hätte Maria ihre revolutionären Ideen nicht selbst verbreiten können?
- Wenn Maria so prophetisch war: Warum wurde sie nicht selbst zur religiösen Führerin? Warum brauchte es ihren Sohn?
Die Antwort ist einfach: Weil das patriarchale System nur Männern religiöse Autorität zugesteht.
Die progressive Camouflage
Bauschkes Text ist ein Beispiel für eine Strategie, die moderne Theologie häufig anwendet: Man nimmt ein progressives Anliegen (Feminismus, soziale Gerechtigkeit) und projiziert es zurück auf biblische Texte, um die Religion zeitgemäß erscheinen zu lassen.
Doch diese Methode ist intellektuell unredlich:
- Sie ignoriert den historischen Kontext
- Sie übersieht die tatsächliche Wirkungsgeschichte
- Sie macht aus Opfern des Systems nachträglich Heldinnen
- Sie verschleiert die anhaltende Diskriminierung
Was statt „Magnificat“ wirklich revolutionär wäre
Echtes „Empowerment“ und echte Revolution kämen nicht durch die Umdeutung alter patriarchaler Mythen, sondern durch:
- Säkularisierung: Trennung von Religion und Staat vollenden
- Humanistische Ethik: Moral auf menschlichem Wohlergehen gründen, nicht auf göttlichen (und damit in Wirklichkeit: männlichen) Befehlen
- Historische Aufarbeitung: Die Verbrechen der Kirchen an Frauen anerkennen
- Bildung: Kritisches Denken fördern statt Glaubensgehorsam
- Gleichberechtigung: Nicht im Himmel versprochen, sondern auf Erden erkämpft
Fazit: Der himmlische Frauenparkplatz
Bauschke schreibt: „Die Säule, auf die Maria gestellt worden ist, diese Säule ist im Grunde ihr Frauenparkplatz.“ Sie hat Recht – aber sie zieht die falsche Schlussfolgerung.
Der wahre „Frauenparkplatz“ ist nicht die Heiligenverehrung, sondern die Religion selbst. Sie parkt Frauen in Rollen als gehorsame Mütter, demütige Dienerinnen und stille Dulder. Sie vertröstet auf himmlische Gerechtigkeit, während irdische Ungleichheit fortbesteht. Sie macht aus historischen Opfern nachträglich Heldinnen, um die eigene Schuld zu verschleiern.
Die wirklich revolutionäre Tat wäre nicht, Maria neu zu interpretieren, sondern das System zu verlassen, das Frauen seit Jahrtausenden unterdrückt – und das auch durch progressive Rhetorik nicht weniger patriarchal wird.
Frohe Weihnachten. Oder besser: Frohes Wintersonnenwende-Fest – ein Fest, das Menschen schon feierten, bevor das Christentum es vereinnahmte.
Quellen zur Kriminalgeschichte des Christentums:
- Karlheinz Deschner: „Kriminalgeschichte des Christentums“ (10 Bände)
- Uta Ranke-Heinemann: „Eunuchen für das Himmelreich“
- David Bentley Hart: „Atheist Delusions“
- Richard Carrier: „On the Historicity of Jesus Christ“

















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