Jeder Mann hat das Recht, Babys zu haben

Lesezeit: ~ 3 Min.

In einem Facebook-Post hatten Kirchenvertreter den Abiturienten „Gottes Segen“ fürs Abitur gewünscht. Auf meine Frage, ob es nicht irgendwie komisch sei, ausgerechnet zum Gelingen einer Reifeprüfung ein imaginäres Wesen um Unterstützung zu bitten, entwickelte sich eine längere Diskussion. 

Die Kernaussage des (gläubigen) Diskussionspartners war, dass meine Definition von religiösem Glauben seine Auffassung von Glauben nicht umfassen würde. Er sehe Glauben als Vertrauen und dass genau diese Dimension des Vertrauens für den christlichen Glauben zentral sei.

Dabei handelt es sich um einen wohlbekannten Versuch, den Glauben vor dem Problem mit der nicht bewiesenen und wohl auch nicht beweisbaren Existenz Gottes zu retten, so in der Art: Es gibt keinen Gott? Na und, wir vertrauen trotzdem auf ihn, egal ob es ihn gibt oder nicht, und nur darauf kommt es an!

Das kann man natürlich machen, besonders reif erscheint diese Vorgehensweise aber nicht. Sie erinnert stark an die berühmte Szene aus „Das Leben des Brian“, in der Stan aka Loretta von der  Volksfront von Judaea für das Recht kämpft, auch als Mann Kinder bekommen zu können (Hervorhebungen von mir):

  • Warum redest du nur pausenlos ueber Frauen, Stan?
  • Weil ich eine sein möchte…
  • Was?
  • Ich möchte eine Frau sein.
  • Ich moechte, dass ihr… dass ihr mich von jetzt an Loretta nennt.
  • Was?
  • Das ist mein Recht als Mann.
  • Ja, aber warum möchtest du Loretta sein, Stan?
  • Weil ich Babies haben möchte.
  • Was möchtest du haben? Babies???
  • Jeder Mann hat das Recht, Babies zu haben, wenn er sie haben will.
  • Aber, aber du kannst keine Babies haben.
  • Unterdrücke mich bitte nicht.
  • Ich unterdrücke dich ueberhaupt nicht, Stan. Aber du hast keine Mumu. Eine Gebärmutter hast du auch nicht. Wie soll denn das funktionieren? Willst du’s in ’ner Zigarrenkiste aufheben?
  • Warte. Ich habe eine Idee: Nehmen wir an, dass ihr euch darauf einigt, dass er keine Babies bekommen kann, weil er keine Gebärmutter hat, woran niemand schuld ist, nicht mal die Römer, aber dass er das absolute Recht hat Babies zu bekommen.
  • Gute Idee, Judith. Wir kämpfen gegen die Unterdrücker, für dein Recht Babies zu haben, Bruder. Ähh. Verzeihung. Schwester.
  • Das ist doch aber sinnlos.
  • Was?
  • Es ist vollkommener Blödsinn, für sein Recht, Babies zu bekommen zu kämpfen, wenn er keine Babies bekommen kann.
  • Es ist ähm, symbolisch. Für unser Ringen gegen die Unterdrückung. Symbolisch für sein Ringen gegen die Realität.
    (Quelle, auf neue Rechtschreibung aktualisiert)

Dass es tatsächlich „vollkommener Blödsinn“ ist, für Männer das Recht, Babies zu bekommen, zu erkämpfen, sollte ziemlich einfach nachvollziehbar sein. Umso erstaunlicher, dass es manchen Menschen offenbar so schwer fällt zu erkennen, dass es sich mit einem Vertrauen auf Gott genauso verhält, solange es keinen einzigen seriösen Beleg für dessen Existenz und noch nicht mal eine verbindliche Definition des Gottesbegriffes gibt. Wozu dann das Ganze? Die Volksfront weiß es: „Symbolisch für sein Ringen gegen die Realität.“

Dieses Phänomen lässt sich auch in anderen Bereichen beobachten. Für die meisten Menschen ist zum Beispiel der eigentliche Anlass für religiöse Feiertage oder Zeremonien bedeutungslos, es spielt keine Rolle mehr, was da eigentlich geglaubt und gefeiert werden soll. Deshalb ist auch regelmäßig zu lesen, dass die Hirten ihre Schafe bei jedem Anlass darauf hinweisen, dass die „eigentliche Bedeutung“ des jeweiligen Festes nicht vergessen werden dürfe.

Offensichtlich wird der Unterschied zwischen „Wunsch“ und „Wirklichkeit“ auch im Zusammenhang mit den so genannten Cargo-Kulten, also den Religionen, in denen isoliert lebende Urvölker zum Beispiel Flugzeuge aus Stroh und Holz nachbauen und anbeten, weil sie diese gesehen haben, sie sie sich nicht erklären können und sie sie deshalb für göttlich halten. Diese Verehrung hat für diese Menschen sicher auch eine besondere Bedeutung, obwohl Flugzeuge ja definitiv nicht göttlicher Natur sind.

Das „heilige Flugzeug“ des Christentums ist eine vormittelalterliche Legende eines Wüstenvolkes, das einem grausamen Menschenopfer samt erfundener Auferstehung eine besondere Bedeutung zugeschrieben hatte. Dazu kommen dann noch angebliche „Glaubenserfahrungen“, die sich nur in der Phantasie in einen Kausalzusammenhang mit übernatürlichen Wesen bringen lassen.

Wenn man dann die Einstellung „Egal, ob es Gott gibt – wir glauben trotzdem an ihn“ als unredlich kritisiert, wird man manchmal darauf hingewiesen, dass doch auch in der Wissenschaft mit Hypothesen gearbeitet werde – wobei der Umstand, dass in der Wissenschaft Hypothesen auch als solche anders behandelt werden als wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse, in dieser „Begründung“ verständlicherweise ignoriert wird.

Auch werden aus wissenschaftlichen Hypothesen keine Schlüsse gezogen, die dann als real ausgegeben werden, wie es bei allen Aussagen über angeblich göttliche Absichten der Fall ist. Und, der wichtigste Unterschied: Wissenschaftliche Hypothesen dienen dem Erkenntnisgewinn und nicht als dogmatisch und zeitlich unbegrenzt festgelegte „Wahrheit“, wie das bei religiösen Behauptungen der Fall ist. Bis zur Erbringung seriöser Beweise gelten sie als Hypothesen und selbst gesicherte Erkenntnisse können jederzeit falsifiziert werden.

Fazit: Natürlich ist es jedem freigestellt, in einer beliebig gestalteten und um Phantasiewesen erweiterten Scheinwelt zu leben und diese für real zu betrachten. Auch intellektuelle Redlichkeit ist keine Verpflichtung, sondern Privatsache. Nur darf man dann nicht erwarten, dass jemand, der sich an die natürliche Wirklichkeit ohne Götter-Erweiterungen hält, diese persönliche Scheinwelt ebenfalls als real anerkennt.

Ohne einen seriösen Beleg der Existenz Gottes ist es ungefähr genauso sinnvoll, über dessen angebliche Eigenschaften und Absichten zu diskutieren, wie zum Beispiel darüber, welche Schuhgröße Schneewittchen hatte oder wie sich pinkfarbene Einhörner fortpflanzen.

*Quelle Teaserbild: Youtube Screenshot
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