Kommentar zu: Bischof Oster: Die Zahl der „ernsthaften Christen“ wird steigen

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Kommentar zu: Bischof Oster: Die Zahl der „ernsthaften Christen“ wird steigen, veröffentlicht am 20. Mai 2016 von idea.de, Verfasser nicht genannt

Die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland wird weiter sinken, aber die der „ernsthaften Christen“ wird zunehmen.*

Was sind denn „ernsthafte Christen“? Ernsthaft in Bezug auf Christentum kann ja nur bedeuten, dass jemand die religiösen Wahngedanken für real hält und ihnen eine übergeordnete Bedeutung für die heutige Zeit beimisst.

Mit anderen Worten: Je kritikloser und je weniger selbständig denkend, desto ernsthafter christlich. Das erklärt, warum religiöse Fundamentalisten ein genauso großes Gefahrenpotential darstellen wie Anhänger anderer Ideologien: Immer, wenn Menschen bewusst auf Denken verzichten, sind sie besonders offen dafür, sich von anderen führen und für alle möglichen Zwecke instrumentalisieren zu lassen.

Verglichen mit der rapide abnehmenden Gesamtgröße der Herde (Herr Oster spricht von einer Halbierung der katholischen Gottesdienstbesucher in den letzten 25 Jahren) wird die Zahl der besonders frommen Schäfchen natürlich zunehmen – dass es aber insgesamt mehr werden, ist wohl eher nicht zu befürchten.

Oster nennt die Lage der Kirche paradox: „Dank der guten Konjunktur haben wir so hohe Einnahmen wie selten. Gleichzeitig haben wir so wenig Besucher wie nie.“

Dann müsste die Kirche ja rein rechnerisch so viel Geld wie selten zur Verfügung haben, um der Menschheit wirklich zu dienen, statt sie mit erfundenen Heilsgeschichten an der Nase herumzuführen und sie mit lächerlichen Bestrafungen zu bedrohen. Hirngespinste kosten schließlich kein Geld…

Wenn die Kirche von der guten Konjunktur profitiert, dann sollte sie sich mal fragen, was sie effektiv zu dieser Konjunktur beigetragen hat? Wie kann es sein, dass in einem angeblich säkularen Staat eine Glaubensgemeinschaft überhaupt von der guten Konjunkur dieses Staates profitiert? So sehr, dass die Einnahmen trotz Halbierung der Mitglieder so hoch wie selten sind? Und wieso bezeichnet Herr Oster staatliche Subventionen überhaupt als Einnahmen?

Geld mache aber keine Gläubigen.

Nein – Geld macht Kirchen reich. Und Armut ist es, die Gläubige macht. Die ärmsten Länder der Erde sind gleichzeitig die, in denen die Religionen die meisten Menschen beeinflussen, wie zum Beispiel diese Gallup-Untersuchung** zeigt.

Viele kirchliche Mitarbeiter seien selbst so weit säkularisiert, dass sie über den christlichen Glauben kaum noch Auskunft geben könnten. Wären in der Kirche überall Menschen, die aus der Erfahrung der Liebe Christi leben und handeln würden, „hätte das große Anziehungskraft“.

Diese Aussage beweist, wie weit Herr Oster offenbar von Welt und Realität entfernt ist. Dass sich heute niemand mehr redlicherweise als Christ bezeichnen kann, liegt nicht an den Menschen, sondern daran, dass die Liebe Christi nichts weiter ist als eine menschliche Fiktion, die Projektion eines kindlich-naiven Wunschdenkens auf eine erfundene Phantasiegestalt.

Solche Figuren haben heute höchstens noch eine Platz in der Unterhaltungsindustrie, zur Beantwortung ernsthafter Fragen und zur Lösung realer Probleme der Menschen im 21. Jahrhundert taugen Märchen und Mythen von archaischen Göttern, Geistern und Göttersöhnen nicht mehr. Egal, wie groß die „Anziehungskraft“ dieser Menschen auch sein mag – wer will heute schon noch in religiösen Scheinwelten leben und wozu?

Der Bischof plädiert deshalb für eine verstärkte Mission: „Wir brauchen Evangelisierer, also Menschen, die für Gottes Botschaft brennen, sie erklären können und dabei helfen, andere in die Begegnung mit Gott zu führen.“

Niemand kann die Botschaft Gottes erklären, weil es keine Botschaft Gottes gibt. Bis zum Beweis des Gegenteils gibt es nicht mal einen Gott und noch kein Gott ist jemals auch nur wenigstens ein Mal seriös belegbar irgendwie in Erscheinung getreten. Gott ist ein völlig beliebig definierbarer Begriff, eine allgemeinverbindliche Definition, wer, wie oder was Gott sein soll, gibt es nicht.

Genauso beliebig definierbar ist deshalb auch die angebliche Botschaft Gottes, ganz egal, wie sehr jemand dafür „brennt.“ In der Kriminalgeschichte des Christentums haben allerdings wesentlich mehr Menschen wegen und nicht für Gottes Botschaft gebrannt.

Deshalb spricht es durchaus für die Weiterentwicklung der Menschheit, dass sich offenbar immer weniger Menschen finden lassen, denen die Verbreitung von Scheinwahrheiten und archaischen Märchen wichtiger ist als ihr gesunder Menschenverstand, ihre intellektuelle Redlichkeit, Vernunft und Logik. Die einzigen, die darauf heute noch angewiesen sind, sind die Religionsdiener, deren Broterwerb davon abhängt, dass noch irgendwer diese vormittelalterlichen Mythen für irgendwie bedeutsam hält.

Mangels göttlicher Existenz ist es natürlich genauso unmöglich, jemanden „in die Begegnung mit Gott zu führen“, was Herrn Oster sicher bewusst sein dürfte, weswegen er wohl absichtlich diese verschwurbelte Formulierung verwendete. Und selbst nach der christlichen „Logik“ findet die Begegnung mit Gott doch sowieso erst erst zum „Jüngsten Gericht“ statt?

Er fordere dazu auf, sich für oder gegen ihn [Jesus] zu entscheiden. Oster: „Ein bisschen Christus gibt es nicht, es gibt nur ein Ja oder Nein zu ihm.“

Seit der Säkularisierung hat die Kirche sehr gut daran getan, auf einen solchen Aufruf wohlweislich zu verzichten. Sie existiert vermutlich nur noch deshalb weil sie von ihren Schafen nichts weiter verlangt, als dass diese einen Taufschein besitzen und nicht die Herde verlassen.

Kaum noch jemand ist heute bereit, auch nur wenigstens an die grundlegendsten christlichen Lehren zu glauben oder sich wenigstens nochmal im Erwachsenenalter mit diesen überhaupt auseinanderzusetzen. Niemand hofft mehr ernsthaft auf die erfundenen Heilsversprechen und niemand fürchtet sich mehr vor ewigen Höllenqualen.

Die wichtigste „Leistung“, die die Schafe heute tatsächlich noch von ihren Hirten erwarten, ist es, über bestimmte Dinge nicht selbst nachdenken zu müssen, sowie vielleicht noch ein irgendwie feierlicher Rahmen für bestimmte folkloristische und traditionelle Zeremonien.

Würde die Kirche jetzt plötzlich doch verlangen, dass sich ihre Schafe im Gegenzug auch tatsächlich gegen jede Vernunft, Logik und gegen das eigene gute Gewissen zu einer biblischen Phantasiefigur bekennen, dann dürfte das die Auflösung nur noch weiter beschleunigen.

Er empfindet die Bezeichnung „Evangelikaler“ als Kompliment

Natürlich – Fundamentalismus und Radikalismus ist auch über konfessionelle Grenzen hinweg bestens kompatibel. Und naturgemäß finden auch religiöse und politische Fundamentalisten schon immer viele Anknüpfungspunkte – beide Ideologien nutzen dieselben Mechanismen und profitieren gleichermaßen von der Unselbständigkeit und Abhängigkeit ihrer Anhänger.

Zur Frage, wie die Kirche 2042 aussehen wird, wenn er in den Ruhestand tritt, meinte Oster, sie werde aus kleineren, dafür aber lebendigeren und entschiedeneren Gemeinden oder Gemeinschaften bestehen: „Sie werden stärker missionarisch aktiv sein.“

Und trotz des missionarischen Eifers der übriggebliebenen „ernsthaften“ Christen werden immer weniger Menschen auf religiöse Taschenspielertricks und irreale Illusionen hereinfallen. Immer mehr Menschen erkennen, dass Religionen keine Antworten auf die Fragen im 21. Jahrhundert mehr geben können.

Herr Oster könnte die Zeit bis zu seinem Ruhestand dazu nutzen, sich für die tatsächliche Trennung von Staat und Kirche stark zu machen. Er könnte sich dafür einsetzen, sein Angebot wieder zu dem zu machen, was es gerne sein kann: Ein optionales, spirituelles Angebot für Erwachsene mit schwach ausgeprägtem Sinn für die Realität.

Jede Einmischung in Politik und Privatleben und insbesondere die frühkindliche Indoktrination mit religiösen Wahngedanken hat genauso zu unterbleiben wie die völlig unverhältnismäßige staatliche Subventionierung und Sonderprivilegierung von Glaubensgemeinschaften, die in vielen Bereichen auf die Konkordatsverträge zwischen der Kirche und Adolf Hitler zurückgehen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
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