Kommentar zu NACHGEDACHT 110: „Es bleibt alles gleich“

Lesezeit: ~ 3 Min.

Kommentar zu NACHGEDACHT 110: „Es bleibt alles gleich“, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 15.2.2015 von osthessen-news.de

[…] Die dargestellte Situation ist klar: Da macht eine Gruppe jemanden systematisch fertig. Es geht um zwei Systeme: eine Gruppe von starken und coolen Kids, eine Gruppe oder eine Person von schwächeren Kindern, die sich nicht wehren können. […]

Es ist ja schier zum Aus-der-Haut-fahren, wie die Autorin hier leutselig und selbstgerecht Gruppenabgrenzungen anprangert. Liefert doch ausgerechnet ihre Religion nicht nur die Grundlage für solches Verhalten, sie macht ausgiebig und leider immernoch erfolgreich selbst Gebrauch davon.

Religionsführer nehmen sich die Freiheit, ihre eigenen Wertvorstellungen als „Gottgegeben“ zu überhöhen und dogmatisch (weil ja nicht beweisbar) vorzugeben. Dabei ist es völlig unerheblich, wie diese Werte aussehen – ob Selbstmordattentate als „Gut“ oder als „Böse“ bewertet werden, ist jedem Gott verständlicherweise völlig gleichgültig.

Indem gerade die christliche Religion peinlich genau zwischen „ingroup“ (die, die sich zu ihrem Gott bekennen) und „outgroup“ (alle anderen) unterscheidet, legt sie u.a. auch damit den Grundstein für genau diese zweiseitige, also dualistische Weltsicht – Gut-Böse, Wahr-Falsch, zugehörig-nicht zugehörig.

Ich habe während der Schule, während dem Studium und nach dem Studium einige Erfahrungen zu diesem Thema machen können. Und überall habe ich auch unter Erwachsenen dieses Muster wiedererkannt.*

Umso erstaunlicher, dass Sie dieses Muster in Ihrer Religion offenbar noch nicht wiedererkannt haben, trotz des Studiums?

Da gibt es jemanden, ob Männlein oder Weiblein, der versucht, die Macht an sich zu reißen. Und leider gibt es immer wieder Dumme, die ihm blind hinterher laufen.*

Stimmt leider…

Diesen machtgierigen Menschen ist das Los der anderen Mitläufer aber herzlich egal.*

Auch das stimmt leider.

Sie würden ihre vermeintlichen Freunde auch zum Zwecke ihrer selbst ans Messer liefern. Und da gibt es diese andere Fraktion, die es nicht schafft, sich gegen den oder die Starken zu wehren.

Doch, und es werden immer mehr…

Dabei ist das Grundgefühl beider Seiten gleich: Angst! Der starke hat Angst, Macht zu verlieren und am Ende allein dazustehen – obwohl er doch eigentlich längst allein ist: Alle, die ihm folgen, stehen nicht wirklich zu seiner Person, sondern folgen ihm aus der Vermutung heraus, selbst hinten runter zu fallen und leisten blindes Gehorsam. Und die Schwachen haben auch Angst, noch weiter nieder gemacht zu werden. Es ergibt sich ein System aus Angst, das natürlich nicht überall so sein muss, das sich aber wohl nur zu oft immer wiederholt.*

Sie beschreiben hier sehr präzise, wie Ihre Religion funktioniert und wovor sie Angst hat (Machtverlust) und welche Angst sie ihren Anhängern einredet, ohne noch offenbar den Zusammenhang zwischen Ihren Überlegungen und Ihrer Religion hergestellt zu haben.

Um diesen Teufelskreis zu zerschlagen, müsste jemand dazwischen geraten – vielleicht etwas Göttliches?*

12243094_987053124702506_3906584555653795386_nNein – definitiv nicht etwas Göttliches. Da es sich auch nicht um einen „Teufels-„kreis, sondern um die geschickte, systematische Ausnützung von psychischer, also menschlicher Schwäche handelt, können Gott und Teufel getrost bei den anderen Spielsachen in der Märchenkiste bleiben.

Um religiösen Dualismen endlich als solche zu entlarven und den Menschen zu zeigen, wie sich sich davon befreien können, bedarf es rein menschlicher Aktionen, zum Beispiel der kritischen Auseinandersetzung mit religiösen Wahngedanken.

Wenn man an den Christengott glaubt, so glaubt man auch, dass dieser Gott allmächtig ist. Wenn Gott allmächtig ist, dann liegt alles, was geschieht, in der Macht Gottes, auch ein Teufelskreis und alles andere, was aus der jeweiligen subjektiven Sicht „Angst macht“ oder „Böse“ ist.

Jemand, der Angst nehmen kann?*

Ja, ein aufgeklärter, nicht von religiösen Gedankenkonstrukten indoktrinierter Mensch, bei „härteren Fällen“ ein Psychologe.

Jesus konnte die Angst von Menschen heilen.*

Nach bisherigem Wissensstand spielen bei Ängsten vor allem drei Neurotransmittersysteme eine wichtige Rolle: Das GABA-erge System, das noradrenerge System und das serotonerge System. Diese Grundlagen dürften Jesus, trotz seiner angeblich göttlichen Abstammung, nicht bekannt gewesen sein. Inwieweit man mit heutigem Wissensstand von einer vormittelalterlichen „Heilung“ ausgehen kann, sei dahingestellt.

Und beide Seiten brauchen Hilfe: Der Starke müsste erkennen, dass er innerlich eigentlich leer geworden ist, weil die Macht und nicht die Liebe in seinem Herzen herrscht. Der Schwache müsste erkennen, dass er, so wie er ist, bereits liebenswürdig ist.

Stimmt – bezogen auf die Religion müsste der vermeintlich „Starke“ erkennen, dass er sich nur stark fühlen kann, weil er sich auf einen erdachten Gott beruft, für dessen Existenz es keinerlei belegbaren Anhaltspunkt gibt. Der Schwache müsste erkennen, dass er selbst dafür verantwortlich ist, ob sein Denken und Handeln von religiösen Wahnideen oder von seiner eigenen Vernunft geleitet wird.

Tja, und wieder einmal wäre es schön, wenn Jesu Handeln mehr Raum in unserer Welt hätte.*

Es reicht vollkommen aus, wenn das Handeln von Jesus (womit vermutlich in erster Linie die Handlungen gemeint sein dürften, die dem historischen Jesus erst posthum angedichtet wurden, um aus einem etwas spinnerten, apokalyptischen Endzeitprediger den Sohn Gottes zu machen) genausoviel Raum in unserer Welt hat wie zum Beispiel die Nibelungensage, die Geschichte von Artus und seiner Tafelrunde oder andere Märchen, Mythen und Legenden auch.

Denn in Ruhe gelassen, wird man wahrlich nicht.*

Nein, wahrlich nicht, solange man solche verdrehten Gedanken öffentlich äußert…

*Das Online-Portal Osthessennews fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle als Zitat gekennzeichnete Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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