Das Wort zum Wort zum Sonntag: Das Ende einer großen Sehnsucht?

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Das Wort zum Wort zum Sonntag: Das Ende einer großen Sehnsucht?, gesprochen von Alfred Buß (ev.), veröffentlicht am 28.01.2016 von ARD / daserste.de

[…] Seit nunmehr 70 Jahren leben wir – in der Mitte Europas – ohne Krieg. Gott sei Dank.

Keinem der über 3000 Götter, die sich die Menschen schon ausgedacht haben, gebührt Dank für irgendwas. Ausgerechnet Götter spielen im Zusammenhang mit Kriegen, Morden und Grausamkeiten immer wieder eine tragende-, oft sogar die Hauptrolle.

Die beiweitem meisten Menschen wurden bisher (direkt oder indirekt) im Namen oder im angeblichen Auftrag von irgendwelchen Göttern getötet. Wer Gott für Frieden dankt, der beleidigt damit alle Menschen, deren Handeln der Friede tatsächlich zu verdanken ist.

[…] Er [Orban] glaube an den nüchternen Verstand, an Nationalstolz und ans Christentum.

Woran man gut erkennen kann, wie praktisch beliebig kompatibel die christliche Lehre ist: Sie lässt sich problemlos mit quasi allen beliebigen Ideologien kombinieren. Das liegt daran, dass die religiösen Aussagen so unspezifisch und diffus sind, dass sie sich mit wenig Mühe beliebig selektieren, interpretieren und damit an jede Gesinnung anpassen lassen.

Auch in Deutschland ist es noch keine hundert Jahre her, da hatte sich das Christentum sehr bereitwillig und umfassend an die furchtbare Ideologie des 3. Reiches angepasst, auch wenn das heute gerne verschwiegen wird – da ist dann plötzlich nur noch vom Widerstand die Rede.

Würde es sich bei religiösen „Wahrheiten“ tatsächlich um eine übergeordnete Wahrheit handeln, wäre das nicht möglich. Niemand kann im Namen des Humanismus einen Vernichtungskrieg führen – die Bibel hingegen ist voll davon.

[…] Will so vielleicht Schwung in Gottes Wort bringen. Aber das ist nicht der Schwung Jesu. Der grenzt keinen aus.

Um zu dieser Einschätzung kommen zu können, ist wiedermal eine äußerst selektive Lesart und Interpretation der Bibel erforderlich. Denn nicht nur die Religion an sich erzeugt künstliche Grenzen zwischen Menschen, auch die Heilsversprechen von Jesus richten sich erstmal nur an Juden; Un- oder Andersgläubige erwartet die gnadenlose, denkbar brutalste Strafe seines Gottes, nämlich zeitlich unbegrenzte, ewige physische und psychische Höllenqual.

Nur wer sich voll und ganz Gott unterwirft, kann sich zumindest theoretisch Hoffnung auf Erlösung und „ewige Herrlichkeit“ machen. Mehr Ausgrenzung geht ja eigentlich nicht.

[…] Paulus wird später im Galaterbrief schreiben: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid alle einer in Christus.

Genau – nur in Christus seid ihr alle einer, ansonsten seid ihr natürlich  alle andere. Nur drei Sätze vorher schreibt er übrigens, dass der christliche Glaube über dem Gesetz der Menschen stehen würde:

  • So ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen auf Christus hin, damit wir durch den Glauben gerecht würden. Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister. (Gal 3:24-25, Lutherbibel 1984)

[…] Dieses Lied [von Würde und Freiheit jedes Menschen] klingt weiter in unserem Grundgesetz und den Grundlagen der EU. Gott sei Dank.

Eine solche, egal wie blumig formulierte Aussage aus dem Mund eines Pfarrers zeugt wohl kaum von (vielleicht noch entschuldbarem) Nichtwissen, sondern eher von unredlicher, absichtlicher und auch arroganter Verdrehung der Tatsachen.

Ein kurzer Blick in die fast 2000jährige Kriminalgeschichte des Christentums zeigt, dass diese Rechte, die heute an oberster Stelle die Würde und Freiheit des Menschen sichern, über Jahrhunderte gegen den erbitterten Widerstand eben dieser christlichen Kirche mühsam und unter Lebensgefahr von mutigen, verantwortungsbewussten Männern und Frauen durchgesetzt werden mussten.

Deshalb muss es natürlich nicht „Gott sei Dank“, sondern „Aufklärung sei Dank“ heißen – der Aufklärung und dem Humanismus haben wir es zu verdanken, dass wir heute das (abgesehen vom immernoch enthaltenen, wenn auch irrelevanten Gottesbezug) wohl modernste Grundgesetz haben und nicht mehr die inhumanen Zustände des „Dunklen Zeitalters“, in dem die Menschen unter dem Einfluss der christlichen Kirche leiden mussten.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikels.

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