Gedanken zu: Gebete die ganze Nacht hindurch in Maria Ehrenberg

Lesezeit: ~ 6 Min.

Gedanken zu: Gebete die ganze Nacht hindurch, Originalartikel  über Maria Ehrenberg erfasst von Marion Eckert, veröffentlicht am von infranken.de

[…] Festprediger am Abend war Bruder Paulus Terwitte aus Frankfurt am Main, der seine Predigt frei vor dem Altar hielt und die Menschen immer wieder bat, keine Scheu zu haben, sich die Gottesmutter Maria zum Vorbild zu nehmen und Gott in ihr Leben zu lassen.*

Von Scheurebe2000 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11756594
Maria Ehrenberg; Foto: Scheurebe2000
Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Es wäre sicher mal interessant, Herrn Terwitte zu fragen, warum Menschen seiner Meinung nach Scheu haben könnten, sich fiktive Gestalten wie Gottesmütter zum Vorbild zu nehmen oder ebenso fiktive Götter in ihr Leben zu lassen.

Was die christliche Version dieser göttlichen Mutter und deren – ja, was eigentlich, Sohn? Vater? Mann? angeht: Da kann es mich nicht erstaunen, dass immer weniger Leute diese noch in ihrem Leben haben wollen. Außer natürlich die, die nach Maria Ehrenberg wallfahren.

Unterlassene Hilfeleistung

Ein angeblich allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott, der nichts gegen das Elend und Leid auf der Erde unternimmt, müsste wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden. Und Jungfrauengeburten sind ziemlich aus der Mode gekommen – gleiches gilt für entsprechende Vorbilder.

Deshalb darf auch der Wüstengott Jahwe seinen Platz in der Halle ausgedienter Gottheiten einnehmen. Samt seiner drei Persönlichkeiten und Frau Mutter. Die Annahme, ein überirdisches Wesen, noch dazu mit den Eigenschaften, wie sie das Christentum ihrem Gott zuschreibt, sei eine reale Größe, lässt sich mit dem heutigen Wissens- und Erkenntnisstand redlicherweise nicht mehr in Einklang bringen.

Wohl kaum noch jemand wäre heute noch bereit, imaginäre Wesen generell für irgendwie bedeutsam zu halten oder gar das Leben danach auszurichten.  Mit einer einzigen Ausnahme: Der Gott, der in der Religion verehrt wird, in die man hineingeboren wurde (in den allermeisten Fällen) oder zu der man später selbst „gefunden“ hat (selten).

Abhängigkeit bedeutet Unfreiheit und Unmündigkeit

[…] „Ich kann ohne dich nicht“, das sei in der Familie und Freundeskreis ebenso wichtig wie im Glauben.

In beiden Fällen ist „Ich kann ohne dich nicht“ ein Ausdruck von völliger Abhängigkeit. Natürlich ist es jedem selbst überlassen, ob und wenn, von wem oder wovon er sich abhängig fühlen möchte.

Ob von Menschen, von Drogen oder vom Glauben: Abhängigkeit bedeutet immer auch Unmündigkeit und Unfreiheit. Während Menschen tatsächlich etwas für andere Menschen tun und diese Menschen möglicherweise tatsächlich auf andere Menschen angewiesen sein können, sieht es beim Glauben anders aus.

Religiöser Glaube bietet bestenfalls eine hoffnungsvolle Illusion. Genauso wie Alkohol und andere Drogen. Kein Gott hat jemals auch nur wenigstens ein Mal seriös nachweisbar irgendwie direkt oder indirekt ins irdische Geschehen eingegriffen. Genauso wie noch keine geleerte Schnapsflasche je ein Problem gelöst hat. Außer vielleicht für Schnapsbrenner.

Religiöser Glaube braucht Menschen, nicht umgekehrt

Während Menschen natürlich sehr wohl (und meiner Meinung nach sogar wesentlich besser) ohne Glauben „können“, „kann“ der Glaube nicht ohne Menschen. Und zwar gar nicht.

Religiöser Glaube existiert nur, solange Menschen an ihm festhalten. Bisher ist noch jede Religion spätestens mit dem Ende der Epoche verschwunden, in der sich die Menschen diese Religion ausgedacht hatten.

Allein schon diese Tatsache und auch die Vielzahl der bisherigen Religionen zeigen, dass es sich bei religiösem Glauben um ein rein sozio-kulturelles Phänomen handelt. Und nicht um irgendeine übergeordnete, absolute, endgültige, ewige Wahrheit.

Immer weniger Menschen sehen heute noch einen Sinn darin oder gar eine Notwendigkeit dafür, einen wahlweise untätigen, unfähigen, sadistischen oder nicht existenten Gott als wahr anzuerkennen. Zum Glück.

Gott sagt: nix.

Und auch Gott sage: „Ich brauch dich. Um die Welt heil zu machen.“

So herum würde zumindest theoretisch ein Schuh draus werden – wenn Gott tatsächlich etwas sagen würde. Gott braucht den Menschen. Nicht umgekehrt.

Und Gott braucht den Menschen nicht, um die Welt heil zu machen. Wer angeblich ein Universum aus dem Nichts erschaffen kann braucht keine Menschen, um irgendwas heil zu machen.

Aber in Wirklichkeit sagt Gott nichts. Kein Gott hat jemals irgendwas gesagt. Keinen Pieps. Außer in der Phantasie von Menschen. Also dort, wo auch Rumpelstilzchen oder der Gestiefelte Kater zu Wort kommen können.

Friedensappell im Truppenübungsplatz

Gott ermutigte die Menschen, die mitten im Truppenübungsplatz zum Maria Ehrenberg gekommen waren, mitten aus dem militärischen Gelände heraus sich füreinander und für Frieden einzusetzen. „Nicht, wie du mir so ich dir, sondern so wie Jesus mir, so ich dir“, das müsse der Leitsatz für Christen sein.

Dem Pfarrer ist ganz offensichtlich bewusst, dass es einige unbequeme Fragen aufwerfen könnte, gerade in der Kirche Maria Ehrenberg, also mitten in einem Truppenübungsplatz etwas von Frieden zu erzählen.

„Problem benennen, nicht weiter darauf eingehen und dann weiter zum nächsten Punkt.“ Diese Strategie zur Bewältigung solcher und ähnlicher Situationen trifft man öfters an. Statt sich mit einem Verhaltensvorschlag an die reale Welt zu halten, kommt Jesus ins Spiel. Durchs rhetorische Hintertürchen, sozusagen.

Rhetorische Trickserei: Falsche Dichotomie

Der Pfarrer bediente sich mit dieser Aussage eines unsauberen Tricks: Er stellte die Situation so dar, als gebe es nur diese beiden Möglichkeiten zur Auswahl: „Jesus“ oder „Vergeltung.“

Bei diesem klassischen Denkfehler (oder, wenn absichtlich angewendet, rhetorischen Trick) lässt man andere Optionen unbewusst (oder bewusst) weg. Denn natürlich gibt es noch viele andere als die beiden genannten und gegenübergestellten Möglichkeiten, wie sich Menschen verhalten können. Eine etwas ausführlichere Erklärung der so genannten „Falschen Dichotomie“ gibts hier.

Statt Vergeltung oder einer mehr als fragwürdigen Jesusmoral könnte man Menschen zum Beispiel auch diesen einfachen humanistischen Ansatz vorschlagen:

  • Tue was du willst, ohne gleichberechtigte Interessen Anderer zu verletzen.

…wie Jesus mir?

Aber was bedeutet denn eigentlich „Wie Jesus mir“ konkret? Hier ist zunächst zu unterscheiden, um wen es hier eigentlich geht.

Jesus von Nazareth ist, falls er denn je gelebt haben sollte, seit rund 2000 Jahren tot. Von ihm ist nichts darüber überliefert, wie er sich mir gegenüber verhält oder verhalten hat oder verhalten würde.

Als streng gläubiger jüdischer Wander-Endzeitprediger, der er vermutlich gewesen sein könnte, hatte er Un- und Andersgläubigen nichts mitzuteilen.

Ihn interessierten nur die jüdischen Glaubensbrüder und -schwestern, die er auf die vermeintlich kurz bevorstehende Ankunft seines Herren vorbereiten wollte.

Aus jüdischer Sicht hätten Christen zu den Andersgläubigen gezählt. Also zu denen, die sein Herr wegen ihres Andersglaubens genauso wie Ungläubige wie Unkraut ausreißt und in den Feuerofen wirft. Oder, noch schlimmer, die er mit zeitlich unbegrenzter physischer und psychischer Dauerfolter bestraft. Dafür, dass sie den falschen lieben Gott lieben. Oder gar keinen.

Jesus Christus ist eine literarische Kunstfigur, deren angebliche Aussagen bestenfalls auf anonymen mündlichen Überlieferungen, vielmehr aber auf Ergänzungen, Weglassungen, Übersetzungen, Veränderungen, weiteren Übersetzungen usw. basieren.

Einzige Quelle: Biblische Mythen und Legenden

Die einzige Quelle, der man überhaupt etwas über das Verhältnis dieses Kunst-Jesus zu „mir“ entnehmen könnte, sind die biblischen Legenden und Mythen. Und die beschreiben Jesus Christus keineswegs als den Menschenfreund, den Christen heute gerne in ihm sehen wollen (Hervorhebungen von mir):

  • Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.
    Denn von nun an wird es so sein: Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei, der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.
    (Quelle: Lk 12, 49-53 EU)

Viele weitere Textstellen belegen, dass der biblische Jesus wahrlich kein tolles Vorbild für faires und ethisches Verhalten von Menschen im 21. Jahrhundert ist, zum Beispiel: Mt5,21-22, Mt7,17-20, Mt 10,21-22, Mt 10,28, Mt 15,4, Mt 15,13, Mt 18,6, Mt 23,38

Zusammengefasst findet sich die Gesamtaussage von Jesus Christus im Markusevangelium wie folgt formuliert:

  •  Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. (Quelle: Mk16,16 EU)

Und das soll jetzt die Ethik sein, auf deren Grundlage die Menschen im 21. Jahrhundert als globale Weltbevölkerung zusammenleben soll?

Selbst wenn Christen heute die Aussage von Jesus zu einer halbwegs ethisch akzeptablen Version umgebogen und zurechtgestutzt haben mögen, ist und bleibt das mit der Verdammnis Un- und Andersgläubiger nach wie vor im (biblisch-christlichen) Portfolio. Und kann jederzeit wieder reaktiviert werden. Ganz gleich, wie friedlich die Stimmung auf Maria Ehrenberg auch gewesen sein mag.

Maria Ehrenberg: Gott war leider verhindert

[…] Es war eine besondere Atmosphäre in dieser Nacht, ein spirituelles Erlebnis.

feierliche Stimmung in Maria Ehrenberg
feierliche Stimmung in Maria Ehrenberg

Ein Erlebnis, das wieder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit völlig ohne das Zutun überirdischer Götter, Geister, Gottessöhne und -mütter stattgefunden hat. Die Hirnforschung belegt, dass selbst A- und sogar Antitheisten zu den eindrucksvollsten religiösen Empfindungen fähig sind, wenn man nur die dafür zuständige Hirnregion stimuliert.

Weder eine besondere Atmosphäre, noch ein spirituelles Erlebnis in der Wallfahrtskirche Maria Ehrenberg macht die Existenz überirdischer Wesen auch nur einen Hauch wahrscheinlicher oder plausibler.

Und noch unwahrscheinlicher als unwahrscheinlich ist es, dass ein ganz bestimmter Provinzial-Wüstengott, den sich ein kleines Hirtenvolk in der Bronzezeit ausgedacht hatte, hier seine Finger oder was auch immer im Spiel hatte.

Was gläubige Christen natürlich nicht davon abhält, genau dieses anzunehmen. Und in ihrem spirituellen Erlebnis einen weiteren vermeintlichen Beweis für die Existenz nicht nur irgendeines transzendenten Wesens, sondern ihres biblischen Jahwe erkannt haben zu wollen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

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