Wort zum Wort zum Sonntag: Welt gewinnen – Seele verlieren

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Wort zum Wort zum Sonntag: Welt gewinnen – Seele verlieren, verkündigt von Alfred Buß (ev.), veröffentlicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen am 19.8.2016 von ARD/daserste.de

[…] Die olympischen Idee hat ihre Seele verloren.*

Nach wie vor gibt es keine allgemein verbindliche Definition, was mit „Seele“ überhaupt gemeint sein soll. Denn dieses Wort kann die unterschiedlichsten Bedeutungen haben.

Während „Seele“ oft gleichbedeutend mit Psyche verwendet wird, stellt man sich aus christlicher Sicht unter der Seele etwas anderes vor: Eine Art menschliche Identität, die aber zudem auch unabhängig vom Körper und sogar noch über dessen Tod hinaus existieren könne.

Natürlich erscheint diese Vorstellung aus heutiger Sicht lächerlich, weil außer diesbezüglichen menschlichen Phantasien praktisch nichts für, jedoch alle seriösen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Beobachtungen gegen die Behauptung ein solches Human-Backups sprechen. Selbst wenn es eine Art „Kollektivbewusstsein“ geben sollte, würde sich daraus keine Seele konstruieren lassen, wie sie im Christentum behauptet wird.

Ohne Seele keine Erlösung – ohne Erlösung keine christliche Heilslehre

Gibts wahrscheinlich nicht: Menschliche Seele
Gibts wahrscheinlich nicht:
Menschliche Seele

Die Seele wird aber in der christlichen Lehre dringend gebraucht. Weil man sonst ja kaum darstellen könnte, wie Menschen nach ihrem Tod belohnt (ewige himmlische Herrlichkeit), bestraft (Hölle) oder zur Belohnung gezwungen (Fegefeuer) werden können. Einem toten Körper kann ja kein Schmerzen mehr zugefügt werden.

Und dass sich Atome links und rechts des himmlischen Herren gruppieren, lässt sich weder beobachten, noch beweisen und auch nur schwer vorstellen. Beobachten lässt sich allerdings, dass alle Bausteine wieder zurück in den irdischen Kreislauf gelangen. Und so wieder als Baustoffe für neues Leben zur Verfügung stehen.

Deshalb ist die Vorstellung einer Seele unerlässlich für die gesamte christliche Erlösungs-„Logik.“ Dass allein schon die Vorstellung einer Seele völlig unplausibel und unlogisch wäre, stört gläubige Christen nicht. Man ignoriert den Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit einfach.

Oder man beauftragt theologische Pseudowissenschaftler damit, auch diesen Angriff auf Vernunft und Verstand mit salbungsvollen, nebulösen Worten bis zur Unkenntlichkeit zu verundeutlichen.

Was aber meint Herr Buß, wenn er sagt, die olympische[n] Idee habe ihre Seele verloren? Wahrscheinlich eher nicht das, was nach christlicher Vorstellung mit „Seele“ bezeichnet wird. Sondern wohl das, was für ihn Olympia ausmacht, was das Besondere daran ist. Oder war.

Kein Wort zum Sonntag ohne Bibelverweis

[…] Die Botschaft an die Olympioniken ist klar: Klappe halten – oder ihr fliegt raus. Was hülfe es dem Menschen – so fragte Jesus, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? The show must go on.

Je nachdem, welche Version der Bibel man zu Rate zieht, unterscheidet sich dieses angebliche Jesuszitat. In der Lutherbibel (LUT) heißt die Stelle:

  • Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? (Quelle: Mt 16,26 LUT)

Während zum Beispiel in der Einheitsübersetzung (EU) gar nicht von einer Seele, sondern vom Leben die Rede ist. Insofern ist schon mal allein aus übersetzungstechnischer Sicht nicht wirklich klar, was damit überhaupt gemeint sein soll: Was ist der Unterschied zwischen Seele und Leben? Inwiefern ändert sich dadurch diese Aussage?

Noch anders fällt die Formulierung in der „Neuen Genfer Übersetzung (NGÜ)“ aus:

  • Was nützt es einem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen, wenn er selbst dabei unheilbar Schaden nimmt? Oder was kann ein Mensch als Gegenwert für sein Leben geben? (Quelle: Mt 16,26 NGÜ)

Ganz offensichtlich sind sich die Bibelübersetzer nicht wirklich sicher, was genau hier eigentlich gemeint sein soll. Ob es um eine Seele, das Leben oder einen nicht näher definierten, unheilbaren Schaden geht. Natürlich kann man sich auch in 1000 Jahren noch die Köpfe darüber zerbrechen, was Mythen- und Legendenschreiber vor knapp 2000 Jahren vielleicht gemeint haben könnten oder auch nicht.

Fest steht nur, dass es sich bei dieser angeblichen wörtlichen Rede von Jesus nicht um eine solche handelt. Von Jesus sind keine historisch belegbare, zeitgenössische Aufzeichnungen überliefert.

Wer im Glashaus sitzt,…

Das mag ja alles vielleicht trotzdem interessant sein, trägt aber kaum dazu bei, in Zukunft Verstöße gegen vereinbarte Spielregeln zu verhindern. Einem Vertreter einer Institution, deren Ideologie in grundlegenden Punkten nicht den heutigen ethischen Standards entspricht, steht es nicht gerade gut zu Gesicht, sich über Regelverstöße und unfaires Verhalten anderer Organisationen zu beschweren.

Denn den Zeigefinger könnte man ohne Weiteres ganz genauso gegen die christlichen Kirchen erheben, wenn es um Gleichberechtigung, Fairness und respektvollen Umgang auch mit Un- und Andersgläubigen geht.

[…] Als er [Muhammad Ali] jetzt im Juni starb, verneigte sich die Welt vor ihm. Zehntausende säumten die Straßen von Louisville, als sein Leichnam durch seine Heimatstadt gefahren wurde. Die Menschen spürten: Hier hatte sich einer geweigert, seine Seele preiszugeben, zeitlebens. Auch Jesus hatte wohl seine Freude an ihm.

Ist wahrscheinlich lecker: Schwäbische Seele
Ist wahrscheinlich lecker:
Schwäbische Seele

Auch Jesus hatte wohl seine Freude an ihm? Jesus von Nazareth? Der ist schon seit rund 2000 Jahren tot, falls er je gelebt haben sollte. Der biblische Jesus Christus ist eine literarische Kunstfigur. Über eine solche kann man alles Beliebige behaupten, was immer einem in den Sinn kommt. Und es findet sich garantiert auch für jede beliebige Behauptung eine Bibelstelle, die das scheinbar eindeutig genau das belegt, was man sich wünscht.

Der biblische Jesus Christus hatte sicher keine Freude an einem Moslem. Denn Jesus scherte sich nicht um Un- und Andersgläubige. Der jüdische Rabbi bezeichnete sich als „nur zu den Bewohnern des Hauses Israel“ geschickt. Alle Heilsversprechen galten ausschließlich denen, die denselben Gott verehrten wie er.

Für den Tatbestand des Un- oder Andersglaubens drohte er unmissverständlich und mehrfach zeitlich unbegrenzte physische und psychische Folter in Form von Höllenqualen an. Die Vorstellung, der biblische Jesus sei ein toleranter, fairer Menschenfreund gewesen, ist eine naive Wunschvorstellung, die sich mit biblischen Quellen nicht belegen lässt. Und andere als diese gibts nun mal nicht.

Jesus: Sein größter Irrtum

Direkt nach der zitierten Stelle findet sich in der Bibel übrigens ein Beleg dafür, dass sich Jesus ganz offensichtlich bei seiner Verkündigung grundlegend geirrt hatte. Denn da steht:

  • Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen. Amen, ich sage euch: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie den Menschensohn in seiner königlichen Macht kommen sehen. (Quelle: Mt 16,27-28 EU)

Bis heute jedenfalls ist diese Vergeltung, auch als das „Jüngste Gericht“ oder „Apokalypse“ bezeichnet, nicht eingetreten. Obwohl Jesus es für die direkt bevorstehende Zeit, also noch zu Lebzeiten einiger seiner Anhänger angekündigt hatte. Nachdem nichts passierte und auch Jahre später noch kein Gott erschienen war, machte man die Not zur Tugend und Jesus zum Gott.

Wie die Junfrau zum Kinde

Aus dem Verkünder wurde der Verkündete. Zu dieser Ehre kam er sozusagen wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde. Wobei das in diesem speziellen Falle leicht für Verwirrung sorgen könnte.

Jesus hätte sich sicher im Grabe herumgedreht wenn er gewusst hätte, dass man ihn als streng monotheistisch gläubigen jüdischen Rabbi einfach zum zweiten Drittel eines dreiteiligen Gottes gemacht hatte.

Seltsamerweise habe ich diese Stelle bis jetzt noch in keiner religiösen Verkündigung gehört oder gelesen. Es wäre auch ziemlich aufwändig, wenn man begründen wollte, warum diese Stelle nicht doch das sein soll, was sie un mal ist: Der biblische Beleg dafür, dass Jesus sich ganz offensichtlich grundlegend und mit seiner ganzen Mission geirrt hatte. Und zwar bis heute, bis ins 21. Jahrhundert.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag.

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