Das Wort zum Wort zum Sonntag: Der Wert des Humors (ft. Paulus)

Lesezeit: ~ 6 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Der Wert des Humors (am Beispiel von Paulus), gesprochen von Dr. Wolfgang Beck (kath.), veröffentlicht am 24.09.2016 von ARD/daserste.de

Paulus und Humor?
Humorige Gottheit

Im ersten Teil vom heutigen „Wort zum Sonntag“ geht es darum, dass Humor das zwischenmenschliche Miteinander erleichtern kann. Eine wahrlich bemerkenswerte Erkenntnis. Humor funktioniert sogar über alle möglichen Arten von Grenzen hinweg: Sprache, Ethnienzugehörigkeit, Wohnort…

Grenzen, die sich auch mit Humor oft nur schwer überwinden lassen, sind die Grenzen, die Religionen zusätzlich zu den schon bestehenden Grenzen künstlich schaffen. Denn gerade monotheistische Religionen leben von der Abgrenzung: Die Zugehörigen werden erhöht, Un- und Andersgläubige werden erniedrigt. Das ist den meisten religiösen Verkündigern oft so unangenehm, dass sie diese grundlegende Eigenschaft ihrer Religion am liebsten einfach verschweigen.

Betrachtet man sich zum Beispiel die Gesamtaussage des biblischen „Wort Gottes“, so belegt diese unmissverständlich die unschöne, trennende Eigenschaft der christlichen Lehre. Zusammenfassend bei Markus so auf den Punkt gebracht (Hervorhebung von mir):

  • Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. (Mk 16,16 LUT)

Heimlich, still und leise sind religiöse Verkündiger immer öfter dazu übergegangen, den zweiten Teil dieser Aussage zu verschweigen.

Das gesamte Bestrafungskonzept mit Höllenqualen und Beschränkung des Heilsversprechens auf diejenige, die sich Gott bedingungslos unterwerfen, lässt sich nicht mal mit allergrößten Verbiegungen und Verrenkungen mit unseren heutigen ethischen Standards redlicherweise in Einklang bringen.

Allerdings finden sich auch noch (bzw. wieder) erschreckend viele Fundamentalisten, für die der dogmatisch verordnete Glaube an zeitlich unbegrenzte Höllenqualen mindestens genauso real und zentral ist wie der Glaube an ihren lieben Gott.

Ausgerechnet Paulus…

Kein „Wort zum Sonntag“ ohne das „Wort Gottes“ – ein bisschen Bibelbezug muss offenbar immer sein in der Verkündigungssendung der christlichen Kirchen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. So auch heute:

[…] Auch in der Bibel gibt es die Einsicht, dass genau diese Buntheit auch ein Zeichen dafür sein kann, dass sich spannende Entwicklungen ergeben. Der Apostel Paulus etwa reist vor 2000 Jahren von einer Hafenstadt rund um das Mittelmeer zur nächsten. Er erlebt dabei eine große Vielfalt von Kulturen, Religionen und Prägungen.*

Für weniger biblisch bewanderte Zuschauer sollte bei solchen Aussagen ergänzt werden, dass es sich bei dem „Apostel Paulus“ um eine in mehrfacher Hinsicht äußerst fragwürdige Gestalt handelt. Und zwar nicht nur in Bezug auf dessen historische Wurzeln. Die sich, wie bei Jesus auch, im Dunkeln verlaufen.

Mit anderen Worten: Es ist alles andere als sicher, ob es diesen Paulus je gegeben hat. Fest steht, dass er, sollte er gelebt haben, Jesus nicht persönlich kennengelernt hatte. Und dass er, ebenso wie Jesus, zu seiner Zeit keine größere Rolle gespielt haben dürfte. Denn keine außerbiblischen Quellen berichten von ihm.

Fragwürdige Glaubensgründer

Die moderne Bibelforschung kann recht schlüssig belegen, dass die angeblich von Paulus verfassten Briefe überwiegend Fälschungen sind. Und von anonymen Verfassern unter dem Pseudonym „Paulus“ zu Papyrus gebracht worden waren. Paulus gilt als der eigentliche Gründer des Christentums.

Einen nicht unbeträchtlichen Teil des belastenden Erbes, an dem die Theologen bis heute noch schwer zu tragen haben, geht auf die Ideen von Paulus zurück.

Zu diesen Glaubensgründern und -gestaltern zählen noch einige weitere, nicht weniger fragwürdige Gestalten. Wie zum Beispiel Augustinus oder Thomas von Aquin.

Hauptsächlich deren verquere, weltfremde Ideen sind es, die die christliche Lehre bis heute zu einer schwer- bzw. unverdaulichen Kost gemacht haben.

Zur großen Freude der Theologen. Die damit ihr Geld verdienen, eben diesen Ideen irgendeinen Sinn abringen zu wollen. Oder wenigstens irgendeine Bedeutung.

Wer mehr über den biblischen Paulus, der hier als Beispiel für Weltoffenheit herhalten muss, erfahren möchte, findet dazu umfassende Literatur.

Die Frau ist des Mannes Abglanz

Besonders die Zuschauerinnen der christlichen Verkündigungssendung sollten jedoch nicht vergessen, dass Paulus u. a. auch ein leidenschaftlicher Frauenhasser gewesen sein muss. Neben seinem Lieblings-Dauerthema „Genitalverstümmelung bei Männern“ spielen Frauen ebenfalls eine wichtige, wenn auch unrühmliche Rolle in seinen Texten. Hier nur ein paar Beispiele:

  • Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz. Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann. Und der Mann ist nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen. (1. Kor 11, 7-9 LUT)
  • Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in der Gemeindeversammlung; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so sollen sie daheim ihre Männer fragen. Es steht der Frau schlecht an, in der Gemeinde zu reden. (1. Kor 14,34 LUT)
  • Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still. Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung verführen lassen.
    Sie wird aber selig werden dadurch, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleiben mit Besonnenheit im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung. (1. Tim 2,11-15 LUT)
  • Wovon ihr aber geschrieben habt, darauf antworte ich: Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren. Aber um Unzucht zu vermeiden, soll jeder seine eigene Frau haben und jede Frau ihren eigenen Mann. (1. Kor 7,1 LUT)

…ohne zu provozieren

Diese Frauenfeindlichkeit könnte mit der gestörten Persönlichkeit des Verfassers zusammenhängen, dessen Sexualität unter seiner vermutlich vorliegenden Epilepsie gelitten haben könnte. Einmal mehr sei daran erinnert, dass alles, was in der Bibel steht, nach wie vor als wortwörtlich von Gott persönlich geoffenbarte Wahrheit gilt.

Diese Orte sind deshalb für Paulus auch der Ernstfall dafür, mit Andersdenkenden über den Glauben ins Gespräch zu kommen ohne zu provozieren. Das ist für ihn, etwa in Athen, auch mit Frust verbunden.

Kein Wunder. Aus vielen Bibelstellen kann man schließen, dass dieser Paulus wohl ein unbeherrschter, aufbrausender Hitzkopf gewesen sein muss. Von „ohne zu provozieren“ kann bei Paulus wahrlich keine Rede sein.

Und auch die heutigen Vertreter der christlichen Lehre beschränken ihre Gesprächsbereitschaft am liebsten auf Andersgläubige. Den Dialog mit Andersdenkenden, zum Beispiel mit Vertretern der realen, natürlichen, irdischen Wirklichkeit scheuen sie meist wie der sprichwörtliche Teufel das sprichwörtliche Weihwasser.

So betreibt zum Beispiel die evangelische Kirche eine Webseite, auf der angeblich Fragen zu Glauben und Religion beantwortet werden. Manche Fragen, deren Beantwortung sicher etwas Licht ins christliche Dunkel bringen könnte, werden dort jedoch weder beantwortet, noch veröffentlicht.

Dialog – aber bitte nicht mit der Realität

Auch meine Einladungen an die „Wort-zum-Sonntag-Verkündiger“, meine Fragen zu beantworten, die sich aus den Verkündigungen oft ergeben, bleiben in aller Regel unbeantwortet. Mit der Realität möchte man lieber nicht konfrontiert werden. Wohl aber Aussagen verkünden, die in der Realität gelten sollen.

Update: Herr Dr. Beck war so freundlich, meiner Bitte zu folgen und hat mir einige Gedanken zu meinen Gedanken geschickt. Vielen Dank dafür!

Wer nicht bereit ist, die religiöse Scheinwirklichkeit als wahr anzuerkennen, scheidet als Gesprächspartner aus. Ganz im Sinne von Jesus. Der ja erklärt hatte, dass er nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel auf die Erde geschickt worden war. Erst Paulus machte die Lehre des jüdischen Verkünders kompatibel zu anderem, damals verbreiteten „heidnischem“ Aberglauben.

Viele interessieren sich gar nicht erst für ihn.

Auch das ist kann nicht verwundern. Schon zu dieser Zeit gab es jede Menge selbsternannte Weltverbesserer, Propheten aller Art und Sektengründer. Die alles Mögliche und Unmögliche versprachen oder androhten. Da war es sicher nicht gerade ein leichtes Spiel, Menschen von einer weiteren, neuen Religion zu überzeugen. Noch dazu, wenn es sich um eine solche wie das Christentum handelt.

Paulus, das „Genie im Hass“

Wohl nichts in der Geschichte der Menschheit hatte solch gravierend negative Folgen für die Menschheit wie die Tatsache, dass es trotzdem (wem letztendlich auch immer) gelungen war, aus einer jüdischen Endzeitsekte eine Staatsreligion zu kreieren.

[…] Aber der Gewinn des Miteinanders ist für alle offenbar größer, als es der Rückzug in kulturelle Einheitlichkeit sein könnte.

Könnte der „Gewinn des Miteinanders“ nicht sogar noch größer sein, wenn sich Menschen nicht in ihre jeweiligen religiösen Scheinwelten zurückziehen würden? Und sich als von ihrem Wüstengott auserwählt und Un- und Andersgläubigen gegenüber bevorzugt wahrnehmen?

Ist es nicht geradezu paradox, wenn sich ausgerechnet dualistisch angelegte Ideologien wie monotheistische Religionen um einen interkulturellen Dialog bemühen? Wo doch die meisten aktuellen Konflikte einen direkten oder indirekten Bezug zu Religionen haben?

Mit Paulus lässt sich deshalb sagen: Auf geht’s, mitten rein ins Getümmel, auch wenn das manchmal verunsichert oder Missverständnisse mit sich bringt. Den dafür nötigen Humor wünsche ich Ihnen und einen guten Start in die neue Woche.

Wer ernsthaft den biblischen Paulus mit Humor in Verbindung bringt, hat ganz offensichtlich die von diesem Paulus verfassten Texte nicht gelesen. Oder eine sehr sehr seltsame Vorstellung von „Humor.“

Wohl kaum jemand (abgesehen vielleicht vom eifersüchtigen Berge-Wüsten-Kriegsgott Jahwe aus der Bronzezeit) war so unlustig wie ausgerechnet Paulus, „der Gegensatz-Typus zum »frohen Botschafter«, das Genie im Haß, in der Vision des Hasses, in der unerbittlichen Logik des Hasses.“ (Quelle: Friedrich Nietzsche: Der Antichrist, S. 41)

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag, abgerufen am 24.09.2016.
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