Ein Beitrag von Volker Dittmar aus der Abteilung Diskurswerfen: Es gibt drei Wege, die Religion zu verteidigen:
1. Meine Religion ist wahr.
Es gibt aber keine Antwort auf die Frage, warum sie wahr sein sollte, und die Religiösen sind hier argumentativ enorm ins Hintertreffen geraten.
Jetzt lautet die Verteidigung: Meine Religion ist unlogisch, korrespondiert nicht mit den Fakten, ist aber trotzdem wahr – eine unhaltbare Position.
2. Religion ist nützlich.
Da stehen den Religiösen schwere Zeiten ins Haus, denn auch diese Position lässt sich kaum noch gegen die Fülle an Erkenntnissen aus der Psychologie verteidigen. Der Nutzen ist zum größten Teil eingebildet und Teil des Glaubens. Kurz, Religion hat denselben Nutzen wie Homöopathie.
Das hängt damit zusammen, dass Religion ein Epiphänomen unserer Evolution ist: Sie hat keinen eigenen Nutzen, sondern ist nicht mehr als ein Trittbrettfahrer, der von kognitiven Defiziten profitiert.
3. Atheismus schadet der Gesellschaft.
Diese Position ist empirisch falsch, und man kann sie nicht sinnvoll verteidigen – das bloße Wiederholen uralter Vorurteile und Polemiken ist wenig überzeugend.
Wenn ich sage „Religion“, meine ich damit die „monotheistische Religion“. Niemand braucht den Monotheismus. Deswegen musste sich dieser auch gegen den Willen der Leute durch Gewalt ausbreiten.
Die Verbreitung des Monotheismus folgt der Spur militärischer Eroberungen. Und in China spielt der Monotheismus keine Rolle, weil China nicht von Christen oder Muslimen erobert wurde. In Japan spielt der Monotheismus keine Rolle, weil Japan nicht erobert wurde.
In Südamerika spielt der Monotheismus eine Rolle, weil das Land von Christen erobert wurde. Dasselbe in Nordamerika, dort gibt es den Monotheismus nur, weil Christen die Ureinwohner fast ausgelöscht haben und sich dort ausbreiteten. In Afrika finden wir den Islam nur dort, wo Araber die Länder erobert haben.
Das Judentum hat sich nicht ausgebreitet, obwohl es monotheistisch ist – es gibt nur 15 Millionen Juden, weil sie keine militärischen Eroberungen durchgeführt haben. Abgesehen von Israel. Ob es mehr als 15 Millionen Christen oder Muslime gäbe, wenn sich deren Religionen friedlich ausgebreitet hätten, darf man bezweifeln.
Vielleicht gäbe es ohne die Kriege so viele Christen wie Buddhisten, weil auch der Buddhismus kaum auf militärischer Eroberung basiert: 400 Millionen Buddhisten gibt es.
Der wahrscheinlichste Grund für dein religiöses Bekenntnis
Man kann fast generell sagen: Du bist Monotheist, weil Deine Vorfahren mit Feuer und Schwert dazu gezwungen wurden. Wenn man dann erst mal die Kinder indoktrinieren kann, dann erhält man später Generationen, die meinen, freiwillig Monotheisten zu sein.
Was aber so etwas wie eine Lebenslüge ist – kaum ein Monotheist wählt sich seine Religion, indem er unter den vorhandenen Religionen auswählt. Sondern man übernimmt die Religion der Vorfahren, ohne eine Kenntnis der Alternativen zu haben.
Was genau verteidigen? Gekaperte Rituale
Es sind nicht „Religionen“, die allgegenwärtig sind. Sondern: Jede Kultur, jedes Individuum, hat Rituale. Diese Rituale wurden von den Religionen gekapert.
Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Religion“ lautet nicht „Rückbindung“, sondern „Sorgfalt“. Wie Cicero es definierte: Religion ist die sorgfältige Einhaltung der Rituale.
Da es überall Rituale gibt – aus psychologischen Gründen – und da wir heute Rituale generell mit Religion assoziieren, entsteht der falsche Eindruck, es gäbe ein Bedürfnis der Menschen nach Religion. Das ist falsch, was es gibt, ist ein Bedürfnis nach Ritualen.
Dort, wo die Rituale von Religionen dominiert werden, sieht es dann so aus, als gäbe es ein allgemein menschliches Bedürfnis nach Religionen. Was dann ganz falsch wird, wenn man behauptet, es gäbe ein Bedürfnis nach monotheistischer Religion.
Die braucht niemand, die ursprünglichen, primären Religionen sind heidnische Naturreligionen, der Monotheismus ist eine sehr späte Entwicklung und eine sekundäre Religion.
Jedes Argument, das man anführen kann, warum Menschen Religion brauchen, kann sich daher nur auf primäre, aber nicht auf sekundäre Religionen beziehen, weil letztere „von oben herab“ den Völkern aufgezwungen wurden.
Letztlich sagt man: Der Mensch braucht Rituale, aber keine Religion im sekundären Sinn.
*Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors Volker Dittmar.
Aha - Frau Kiess redet sich ein, Ihr Gott meine es gut mit "uns". Schon mal was von der Theodizee-Problematik…