David gegen Goliath… Gedanken zu Nachgedacht 211

Lesezeit: ~ 7 Min.

David gegen Goliath… Nachgedacht 211, Originalartikel verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 22.01.17 von Osthessennews

Achtung: Dieser Beitrag enthält brutale, gewaltverherrlichende Bibelstellen, die auf nicht religiös indoktrinierte und immunisierte Menschen verstörend (oder gestört) wirken könnten.

Neugierig verfolgte ich in den vergangenen Tagen die Nachrichten: Der Amtseintritt von Donald Trump ist nun einmal ein Kuriosum, das auch nachdenklich macht.*

Auch nachdenklich? Was an dem Donald Trump, der sich selbst als den „besten Präsidenten, den Gott je erschaffen hat“ bezeichnet, macht denn nicht nachdenklich? Oder eher bedenklich? Oder meinten Sie, dass Sie auch noch andere Dinge nachdenklich machen?

[…] Zahlreiche kleine schwarze ameisengleiche Körper bewegten sich geschäftig, liefen aufgeregt auf einem riesigen weißen Klotz umher, die Körper so klein, der weiße Hintergrund so gefährlich groß.

Alles genau so und nicht anders erschaffen vom lieben Gott. Jedenfalls nach christlicher Auffassung. Das Lawinenunglück in Farindola in einen Bezug zu einem allmächtigen, allgütigen Gott zu bringen, könnte einmal mehr die Theodizee-Frage aufwerfen: Wie kann ein allmächtiger, allgütiger Gott so etwas zulassen? Also lieber ein anderes Thema:

Der Kampf David gegen Goliath

Der Kampf zwischen David und Goliath ist in Italien in den letzten Tagen ausgefochten worden und wird zur Stunde wahrscheinlich weitergehen.

Die biblische Legende von David und Goliat wird immer dann gerne zitiert, wenn dargestellt werden soll, dass eine kleine, scheinbar chancenlose Kraft einen übermächtigen Gegner besiegen kann.

Die grausamen Details der Geschiche und vor allem die eigentliche Aussage werden dabei verständlicherweise genauso gerne meist weggelassen. Stattdessen reduziert man die Legende lieber auf ein Beispiel für „Schwach besiegt Stark.“ Wie unfassbar brutal, gewaltverherrlichend und widersprüchlich die Story tatsächlich ist, lässt sich in jeder Bibel nachlesen. Hier einige Auszüge:

  • Sie sagten: Habt ihr gesehen, wie dieser Mann [Goliat] daherkommt? Er kommt doch nur, um Israel zu verhöhnen. Wer ihn erschlägt, den wird der König sehr reich machen; er wird ihm seine Tochter geben und seine Familie wird er von allen Steuern in Israel befreien.**

Der Held der Geschichte hatte also schonmal handfeste Gründe, sich etwas einfallen zu lassen. Und zwar zu seinem eigenen, persönlichen Vorteil. Sicherheitshalber erkundigte er sich aber erst nochmal, wie die Belohnung genau aussehen würde:

  • David fragte die Männer, die bei ihm standen: Was wird man für den Mann tun, der diesen Philister erschlägt und die Schande von Israel wegnimmt? Wer ist denn dieser unbeschnittene Philister, dass er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnen darf? Die Leute antworteten ihm dasselbe: Das und das wird man dem tun, der ihn erschlägt.

Dieser unbeschnittene Philister

Nebenbei bemerkt: Aus heutiger Sicht erscheint es völlig absurd, dass Männer damals offenbar danach unterschieden wurden, ob sie eine amputierte Vorhaut haben oder nicht. Das klingt wie ein bizarres Märchen aus längst vergangener Zeit. Was damit zu tun haben könnte, dass es ja auch genau das ist. Für den Konflikt David gegen Goliath schien dieses Kriterium aber von größter Bedeutung gewesen zu sein.

Und trotzdem gibt es bis heute Menschen, die Menschen danach unterscheiden, ob ihr Penis vollständig ist. Oder ob er aus religiösen Gründen verstümmelt wurde. Meist schon im Kleinkindalter und ohne die Zustimmung des Betroffenen. Unglaublich, aber wahr.

Aber weiter im Text:

  • Der Philister sagte zu David: Bin ich denn ein Hund, dass du mit einem Stock zu mir kommst? Und er verfluchte David bei seinen Göttern.

Ob eine Verfluchung auch dann wirksam ist, wenn der Verfluchende dazu seine eigenen Götter anruft? Obwohl der Verfluchte doch an einen anderen Gott glaubt? Man weiß es nicht. Und wird es nie wissen. Wie auch immer, die Verfluchung scheint unwirksam gewesen zu sein. 1:0 für Jahwe im Kampf David gegen Goliath.

Ich werde dich erschlagen und dir den Kopf abhauen

  • Er rief David zu: Komm nur her zu mir, ich werde dein Fleisch den Vögeln des Himmels und den wilden Tieren (zum Fraß) geben.
  • David antwortete dem Philister: Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heere, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast.
  • Heute wird dich der Herr mir ausliefern. Ich werde dich erschlagen und dir den Kopf abhauen. Die Leichen des Heeres der Philister werde ich noch heute den Vögeln des Himmels und den wilden Tieren (zum Fraß) geben.

Und dann kommt die eigentliche Aussage dieser ganzen Geschichte:

  • Alle Welt soll erkennen, dass Israel einen Gott hat.

Offenbar war der Gott der Israeliten damals noch nicht sehr etabliert. Und augenscheinlich hatten sogar damals schon die Menschen Probleme, Götter zu erkennen. Besonders die, an die sie selbst nicht glauben.

Die ganze Legende von David und Goliath soll nur eines zum Ausdruck bringen: Dass das kleine, benachteiligte Volk Israel von einem sehr mächtigen Gott supportet wird. Damals wünschte sich dieses Volk offenbar einen starken Kriegsgott. Und so stellten sie sich ihren Gott eben als Kriegsgott vor:

  • Auch alle, die hier versammelt sind, sollen erkennen, dass der Herr nicht durch Schwert und Speer Rettung verschafft; denn es ist ein Krieg des Herrn und er wird euch in unsere Gewalt geben.

Erst erschossen, dann geköpft – zur Ehre Gottes

Und dann gehts ans Eingemachte:

  • Er griff in seine Hirtentasche, nahm einen Stein heraus, schleuderte ihn ab und traf den Philister an der Stirn. Der Stein drang in die Stirn ein und der Philister fiel mit dem Gesicht zu Boden.
  • So besiegte David den Philister mit einer Schleuder und einem Stein; er traf den Philister und tötete ihn, ohne ein Schwert in der Hand zu haben.

Wie nobel! Aber sicher ist sicher. Und schließlich braucht man ja auch einen Beweis, dass der Mord tatsächlich sachgerecht durchgeführt wurde.

  • Dann lief David hin und trat neben den Philister. Er ergriff sein Schwert, zog es aus der Scheide, schlug ihm den Kopf ab und tötete ihn. Als die Philister sahen, dass ihr starker Mann tot war, flohen sie.

Gerade hatte es noch geheißen, dass David Goliath getötet habe, ohne eim Schwert in der Hand zu haben. Jetzt heißt es plötzlich, dass er ihn doch mit dem Schwert tötete.

Das Ganze musste freilich auch irgendwie passend zu der Behauptung von David gemacht werden, dass der Herr nicht durch Schwert und Speer Rettung verschafft.

Mit Logik und Kohärenz scheint es damals noch nicht so weit her gewesen sein. Zur Not behauptet man einfach mal alles und ignoriert die sich daraus ergebenden Widersprüche. Und verlässt sich darauf, dass die Verkünder dann schon das herauspicken werden, was ihnen gerade am besten in den Kram passt.

So war das aber nicht abgemacht!

  • Die Männer von Israel und Juda aber griffen an, erhoben das Kriegsgeschrei und verfolgten die Philister bis nach Gat und bis vor die Tore von Ekron. Von Schaarajim bis nach Gat und Ekron lagen die erschlagenen Philister am Weg.

Nanu? So war das aber nicht vereinbart gewesen! Den Deal, den Goliath angeboten hatte, war nämlich ein Zweikampf anstatt eines Vernichtungskrieges:

  • [Goliath:] Wählt euch doch einen Mann aus! Er soll zu mir herunterkommen. Wenn er mich im Kampf erschlagen kann, wollen wir eure Knechte sein. Wenn ich ihm aber überlegen bin und ihn erschlage, dann sollt ihr unsere Knechte sein und uns dienen.
Saul und die Männer Israels hielten sich nicht an die vorher getroffene Vereinbarung. Sondern schlachteten, ermutigt durch den hinterlistigen Mord durch David, gleich mal alle Philister ab. Doch damit nicht genug:
  • Nach der Verfolgung kehrten die Israeliten zurück und plünderten das Lager der Philister.
    David nahm den Kopf des Philisters und brachte ihn nach Jerusalem.

Die Message ist klar: Wenn du an den richtigen Gott glaubst, hast du auch als Underdog eine Chance gegen einen übermächtigen Feind. Und Gott schenkt dir nicht nur den Sieg. Er ermöglicht dir gleich einen ganzen Vernichtungskrieg einschließlich Plünderung. Was kann man noch mehr erwarten von einem lieben Gott!

Wer braucht heute noch solche Geschichten?

Es ist kaum vorstellbar, dass diese brutal grausame, widersprüchliche und widerwärtige Geschichte bis heute von Menschen für außerordentlich bedeutsam gehalten wird. So bedeutsam, dass sie sie sogar schon Kleinkindern vermittelt werden muss.

Wobei meistens gar nicht die eigentliche Aussage im Vordergrund steht. Sondern nur die Tatsache, dass eine scheinbare Übermacht auch von einem scheinbar Unterlegenen besiegt werden kann.

Auch in der heutigen NACHGEDACHT-Verkündigung  wurde versucht, diese düstere Legende irgendwie „passend zu machen.“

Nach biblischer Logik konnte David seinen Leuten die einmalige Chance zur Massenvernichtung des gehassten Feindes mit den unverstümmelten Penissen ermöglicht, weil es dem Willen und der Absicht Gottes entsprochen hatte.

Man kann sich den Triumph von Saul und seinen Leuten bildlich vorstellen: „Seht her, unser Gott ist so mächtig, mit ihm an der Seite vernichten wir sogar Feinde, die uns haushoch überlegen sind! Wir haben keine Vorhaut und wir sind Gottes auserwähltes Volk!“

Dabei war es in Wirklichkeit (soweit man bei Narrativen aus der Bronzezeit von Wirklichkeit sprechen kann) die Hinterlist Davids und der anschließende „Vertragsbruch“ der Gotteskrieger, die diesen Vernichtungskampf ermöglichten.

Hoffnung Mensch

Ausgerechnet eine solche Geschichte als Beispiel für Hoffnung in einer scheinbar aussichtslosen Situation zu wählen, erscheint mir reichlich abstrus:

Und eine scheinbar kleinere Kraft zeigt uns damit, dass das Unglück einen bedeutenden Gegenspieler haben kann: die Hoffnung.

David brauchte im Grunde gar nicht zu hoffen. Er konnte sich ja vollkommen  sicher sein, dass ihn sein beleidigter, rach-, kriegs- und eifersüchtiger Gott nicht im Stich lassen würde, wenn er in dessen Namen einen Gegner durch Hinterlist vernichtet.

Die Hoffnung, in dem von der Lawine verschütteten Hotel noch Überlebende zu finden, bestand, anders als bei David und Goliath, nicht aus Gottesvertrauen. Durch die unerwartete Rettung eines Kindes hatte sich die Situation schlagartig verändert. War die Hoffnung, noch Lebende zu bergen, von Stunde zu Stunde immer weiter gesunken, konnte man nun wieder davon ausgehen, doch noch auch weitere Überlebende rechtzeitig zu befreien.

Das scheint ja auch die Autorin so interpretiert zu haben. Dann stellt sich mir jedoch die Frage, warum sie diese Geschichte mit einer so widerlichen biblischen Legende in Verbindung bringt.

Es waren Menschen, die die Verschütteten mit großem Einsatz befreit haben. Kein Gott hat sie dabei unterstützt. Auch wenn das möglicherweise manche der Helfer oder der Geretteten behaupten könnten. Die Helfer konnten und mussten sich auf ihre eigenen Fähigkeiten und ihre Ausdauer verlassen.

Theodizee tut Christen weh

In ihrem heutigen NACHGEDACHT – David gegen Goliath hat die Autorin einen direkten Gottesbezug vermieden. Da wird aus „Spirit“ lieber „Tatendrang“ oder „neue Motivation“, statt von „Gottvertrauen“ ist von einer „Hoffnung“ die Rede.

Es wäre auch nicht einfach gewesen, in dieser Geschichte einen lieben Gott unterzubringen. Denn schließlich lässt sich eine Naturkatastrophe heutzutage nur noch unter allergrößter Verbiegung zum Beispiel als Strafe Gottes für irgendetwas darstellen. Besonders dann nicht, wenn man „liberal-theologisch“ und nicht religiös-fundamentalistisch eingestellt ist.

Statt sich zum Beispiel der unangenehmen Frage zu stellen, warum der liebe Gott Naturkatastrophen einfach so geschehen lässt, ist das Thema durch die Umdeutung der biblischen Legende „David gegen Goliath“ vermutlich einfacher zu bewältigen.

Bei der Rettungsaktion und den erfreulichen Erfolgen der Retter handelte es sich nicht um einen Kampf „David gegen Goliath.“ Sondern um einen Kampf von engagierten Helfern gegen die Zeit. Von Menschen, die trotz ständig sinkender Wahrscheinlichkeit, eisiger Temperaturen und sicher auch trotz steigender Erschöpfung nicht aufgaben. Und weiter nach Überlebenden suchten.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
**Die Bibelzitate stammen aus 1. Samuel 17 der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart.

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