Weltpolitik in Kinderhand – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Sternsinger

Lesezeit: ~ 4 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Weltpolitik in Kinderhand, Originalbeitrag zur Sternsinger-Aktion verkündigt von Gereon Alter, veröffentlicht am 7.1.2017 von ARD/daserste.de

Eigentlich müssten jetzt Kinder hier stehen. Denn das, wovon ich Ihnen nun erzähle, ist eine Angelegenheit der Kinder.*

Nein, ist es nicht. Jedenfalls nicht vorrangig. Denn vorrangig ist es eine Angelegenheit der Kirche, die Kinder dazu bringt, für sie Geld einzusammeln. Oder noch genauer: Die Eltern dazu bringt, ihre Kinder dazu zu bringen, für die Kirche Geld zu erbetteln.

Dass dies immer weniger werden, darüber berichten die Medien schon seit mehreren Jahren. Und deshalb verkleiden sich inzwischen auch Erwachsene als Könige. Oder man greift auf die verbliebenen evangelischen Christenkinder zurück, was sich dann gleich noch als Beitrag zur Ökumene verkaufen lässt. Gott ist auch das mal wieder völlig einerlei.

Sternsinger: Werbewirksame Kulisse für Politiker

Kaum ein Politiker lässt sich die Chance entgehen, sich zum Jahresbeginn zusammen mit ein paar verkleideten Kindern werbewirksam ablichten zu lassen.

Es ist die mit Abstand größte, von Kindern getragene Hilfsaktion in Deutschland. Ich spreche von der Sternsinger-Aktion.

Die Sternsinger machen ernst mit dem, was politisch seit langem gefordert wird: sie helfen, die Lebensbedingungen in anderen Ländern zu verbessern, damit Menschen ihre Heimat erst gar nicht verlassen müssen und uns als „Flüchtlingslawine“ überrollen. Das ist Politik in Kinderhand.

Nein. Das ist Politik in Kirchenhand. Denn die Entscheidung darüber, was mit dem erbettelten Geld geschieht, trifft die Kirche. Dies als „Weltpolitik in Kinderhand“ darzustellen ist schäbig, heuchlerisch und soll wohl genau von diesem Umstand ablenken.

Oder auch von der Frage, warum die Kirche Kinder überhaupt betteln schickt, wo sie doch mit einem vorsichtig auf 200 Milliarden Euro geschätzten Gesamtvermögen schon selbst so viele Möglichkeiten hätte, etwas gegen die befürchtete Überrollung durch eine „Flüchtlingslawine“ wirksam zu unternehmen.

Wer fällt noch am ehesten auf christliche Heilsversprechen herein?

Natürlich ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, für Bedürftige zu spenden. Den Menschen, denen geholfen wird, dürfte es herzlich egal sein, wer das Geld gespendet hat und warum. Ob die Spender noch an einen Schöpfergott glauben und deshalb spenden, weil sie dessen angebliche Schöpfung bewahren möchten (das diesjährige Motto lautet: „Gemeinsam für Gottes Schöpfung – in Kenia und weltweit“), spielt für sie keine Rolle. Ebensowenig die Frage, wie groß der Spendenanteil ist, der eben nicht zur tatsächlichen Verbesserung ihrer Situation, sondern für ihre Missionierung abgezweigt wird.

Und der Kirche ist es sehr wohl bewusst, wo sie noch Menschen findet, die für etwas zu essen oder eine sonstige noch so kleine Verbesserung ihrer Situation gerne bereit sind, jeden beliebigen Quatsch zu glauben, den man ihnen als wahr unterjubelt. Dieses System hatte sich ja schon über mehrere hundert Jahre gut bewährt.

Missionierung, getarnt als Bildung

Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn man sich diese „Hilfe“ genauer betrachtet? Worin besteht diese? Was versteht die Kirche überhaupt unter Hilfe? Dazu ein Zitat aus einem Artikel des hpd (Hervorhebung von mir), in dem es hier um die österreichische Sternsinger-Aktion 2014 ging:

  • […] Das darf man keineswegs als Unterstützung diesseitiger Bedürfnisse wie dem Recht auf Ernährung interpretieren, dem die Aktion selbst in ihren Grundlagen „höchste Priorität“ einräumt.
  • Eigendefinition der Dreikönigsaktion: „In unserer Arbeit mit kirchlichen Partnerorganisationen im Süden steht die befreiende Botschaft des Evangeliums im Zentrum, die auf die ganzheitliche Entwicklung der Menschen abzielt. Auch in der pastoralen Zusammenarbeit gilt Kindern und Jugendlichen unsere besondere Aufmerksamkeit.“
  • Eine nette und beinahe ehrliche Umschreibung für Missionierung. Polemisch formuliert: Das vermeintliche Seelenheil von Kinder in Entwicklungsländern ist der Dreikönigsaktion wesentlich mehr Geld wert als deren Ernährung. (Quelle: hpd.de)

Wie dem Artikel des hpd zu entnehmen ist, geht ein nicht unerheblicher Teil der Spenden in die Verbreitung des Glaubens. Also in die Missionierung. Gerne getarnt als „Bildung.“

Christoph Baumgarten kommt in seinem hpd-Artikel zu diesem Schluss:

  • Eine – bewusste oder unbewusste – Verschleierung, die wahrscheinlich auch gegenüber den Kindern und Jugendlichen betrieben wird, die Jahr für Jahr für die Aktion sammeln gehen. Die glauben wirklich, das Geld käme vorwiegend einer Million Notleidender zugute. Und nicht zu einem erheblichen, wenn nicht zum größten Teil den Bedürfnissen der katholischen Kirche. (Quelle: hpd.de)

Aquise im Schulunterricht

Vor diesem Hintergrund erscheint das Vorgehen der Sternsinger-Organisatoren noch frag- und kritikwürdiger:

  • „Wir gehen schon im November in die Schulen, hängen Plakate auf und lassen die Kinder im Religionsunterricht ansprechen“, so Müller. Außerdem motiviere auch der evangelische Pfarrer Gerd Kirchner seine Schützlinge zum Mitmachen – als soziales Projekt zur Konfirmation. (Quelle: Mainpost.de: Den Sternsingern gehen die Könige aus)

Eine Organisation aquiriert also Kinder im Schulunterricht, damit diese für sie Geld einsammeln, das zu einem nicht unerheblichen Teil dazu verwendet wird, unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe die frag- und kritikwürdige Ideologie dieser Organisation zu verbreiten?

Da kann es nur hoffnungsvoll stimmen, dass immer weniger Kinder (bzw. deren Eltern) bereit sind, dieses Spiel mitzuspielen.

Völlig absurd: Ein allmächtiges Wesen um etwas bitten

[…] Eigentlich sind es die Anfangsbuchstaben eines kleinen lateinischen Satzes: „Christus mansionem benedicat“ – „Christus segne dieses Haus“.

Segen soll auf dem Haus und seinen Bewohnern ruhen. In diesem kleinen Wort „Segen“ steckt alles drin, was Menschen sich wünschen: Gesundheit, Liebe, Gerechtigkeit, Friede …

Auch dieses Jahr wird es wieder alles geben: Gesundheit, Liebe, Gerechtigkeit, Friede… …und genauso das Gegenteil von allem. Mit dem, was auf der Erde (oder auch sonst) geschieht, lässt sich kein Kausalzusammenhang zu einem behaupteten überidrischen Wesen herstellen.

Daran ändert sich auch nichts, wenn man Kinder dazu anstiftet, dies zu verkünden. Weder bei dem, was Menschen positiv empfinden, noch bei negativen Geschehnissen hat der imaginäre Freund oder sein ebenso imaginärer Gegenspieler seine Finger oder was auch immer im Spiel.

Ganz abgesehen davon ist es völlig absurd und widersinnig, ein angeblich allmächtiges, allgütiges Wesen um irgendetwas zu bitten. Es glaubt doch wohl niemand ernsthaft, dass dieses angebliche Wesen seinen allgütigen Allmachtsplan ändert, weil jemand drei Buchstaben mit Kreide an die Tür gemalt hat?

Wer einen Beitrag zur Entwicklungshilfe leisten möchte, sollte an eine nicht-kirchliche Hilfsorganisation spenden. Statt die Kirche bei ihrer Strategie zur Verbreitung ihrer Lehre zu unterstützen.

Weitere Beiträge des hpd zum Thema Sternsinger gibts hier.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
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