Fragen an Prof. Dr. Harald Lesch

Lesezeit: ~ 3 Min.

Guten Tag Herr Prof. Dr. Harald Lesch,

schon seit vielen Jahren fasziniert mich Ihr Bemühen, die noch so kompliziertesten Sachverhalte so darzustellen, dass man auch als Laie zumindest eine Vorstellung davon bekommen kann, wie sie funktionieren. Vielen Dank für dieses Engagement!

Besonders in letzter Zeit fällt mir auf, dass Sie vermehrt im weitesten (manchmal auch im engeren) Sinne religiöse Ansichten vertreten. Das hat mich schon immer erstaunt, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie Sie bei Ihrem umfangreichen Wissen über die Beschaffenheit und Zusammenhänge der Wirklichkeit (einschließlich natürlich des Nichtwissens) noch das Wirken von Göttern annehmen können.

Wenn ich Sie in der gestrigen nacht:sicht-Sendung richtig verstanden habe, dann scheint Ihre Schöpfungsvorstellung darauf zu beruhen, dass Sie sich die höchst unwahrscheinliche Existenz des Seins nicht anders erklären können als durch einen Schöpfungsakt. Entspricht dies nicht einem „argumentum ad ignorantiam“ – „Ich weiß es nicht, deshalb muss es Gott gewesen sein?“

Nun sprechen Sie nicht direkt von Gott, sondern von einem „schöpferischen Prinzip im Universum.“

Leider ging für mich aus Ihren Beiträgen nicht hervor, wie Sie sich das konkret vorstellen, zum Beispiel:

…für mich persönlich ist es die einzig plausible Erklärung, weil dieses Schöpfen in dem, was da ist, die Optionen, dauernd neue Optionen anzubieten, das ist ja vor allem in der biologischen Evolution ganz offensichtlich – die Natur ist pausenlos dabei, ständig was neu auszuprobieren, ohne zu wissen, was gewinnen wird – also das finde ich einfach ein sehr, sehr starkes Argument für so ein schöpferisches Prinzip im Universum. (Prof. Dr. Harald Lesch in der Sendung nacht:sicht im br vom 13.3.2017)

Würden Sie sich als einen Befürworter des „Intelligent Design“ bezeichnen? Wenn Sie ein schöpferisches Prinzip im Universum annehmen, wer ist Ihrer Meinung nach der Schöpfer? Und was hat dieser mit den Göttern zu tun, wie sie von Religionen, zum Beispiel dem Christentum behauptet und verehrt werden?

Herr Prof. Lesch, was hat Ihr schöpferisches Prinzip mit Jahwe zu tun?

Wäre es aufgrund der völlig unklaren Bedeutung des Begriffes „Gott“ nicht enorm wichtig, ein solches angenommenes Schöpfungsprinzip deutlich von den Gottesvorstellungen zu unterscheiden, wie sie etwa das Christentum propagiert und für wahr hält?

Deren Gott Jahwe soll ja nicht nur Schöpfer, sondern zum Beispiel auch Richter über die Menschheit und Verwalter einer jenseitigen Ewigkeit (nach seinen eigenen Maßstäben belohnend oder bestrafend) sein. Mit einem Faible für innerfamiliäre Menschenopfer und allerlei Eigenschaften, die sich gegenseitig ausschließen. Und die sich schon gar nicht mit der natürlichen Wirklichkeit in Einklang bringen lassen.

Religiös gläubige Menschen könnten Ihre Äußerungen so interpretieren, dass Sie deren jeweils imaginierten Gott für wahr halten, weil Sie ja auch von einem „schöpferischen Prinzip“ sprechen. Bleiben Sie an dieser Stelle bewusst so theologisch-nebulös, um eben diese Interpretation zu ermöglichen? Oder gibt es neben dem von Ihnen vermuteten Schöpfungsakt noch weitere Gemeinsamkeiten mit dem biblisch-christlichen Wüstengott Jahwe?

Religionsvertreter neigen dazu, ähnliche Aussagen von anderen Wissenschaftlern als Bestätigung der Existenz ihrer jeweils behaupteten Götter zu instrumentalisieren. Nur dass sie diesen übernatürlichen Wesen (wo auch immer übernatürlich sein soll) noch beliebige andere, mitunter höchst frag- und kritikwürdige Eigenschaften und Absichten zuschreiben. Und eben nicht mit Theorien, sondern mit Behauptungen und Dogmen arbeiten.

Wer schöpfte den Schöpfer?

Herr Prof. Harald Lesch, sicher sind Ihnen die zahlreichen Probleme bekannt, die die Annahme eines Schöpfers implizieren würde. Allen voran: Wer schöpfte den Schöpfer? Wäre nicht die redlichere Aussage: „Was ich über das Universum weiß, versetzt mich in großes Staunen, aber ob es sich dabei um ein göttliches Schöpfungswerk handelt, lässt sich nur rein hypothetisch behaupten.“ ?

Sie sprechen ja mit klug gewählten Worten nicht direkt von einer Schöpfung oder von einem Schöpfer, sondern von „einem sehr, sehr starken Argument für so ein schöpferisches Prinzip im Universum.“ Für einen Wissenschaftler wäre eine weniger vage Aussage auch kaum vertretbar.

Das Erstaunen über die unvorstellbar große Unwahrscheinlichkeit des Seins haben ja auch schon andere Wissenschaftler ähnlich beschrieben. Aber was ist mit den zahlreichen anderen Eigenschaften des früheren Wüsten-, Berge-, Wetter-, Kriegs- und heute lieben Gottes?

Herr Prof. Lesch, konkret gefragt: Was hat Ihre Vorstellung von einem schöpferischen Prinzip mit den von Religionen behaupteten Göttern und deren Eigenschaften zu tun? Welche Argumente liefern Religionen für die Annahme eines solchen Prinzips?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

PS:

Sie sagten u. a. auch: „Tote Materie und – zack – dann passiert was. […] So halb-lebendig gibts nicht.“

Wie siehts mit Viren aus? Diese haben sowohl Eigenschaften von belebter, als auch von unbelebter Materie.

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