Dein Weihbischof Ansgar: Verliebt in Gott

Lesezeit: ~ 7 Min.

Dein Weihbischof Ansgar*** ist offenbar verliebt in Gott. In seiner Verkündigung vom 26. September 2017 erklärt er, dass Beten quasi eine Liebeserklärung an Gott sei:

Quelle: Youtube / domradio.de*/**

Verliebt in Gott?

Zunächst mutet es immer seltsam an, wenn absichtlich zölibatär lebende ältere Männer über Themen wie Liebe und Verliebtheit sprechen. Auch wenn die katholische Kirche meint, sich in die intimsten Angelegenheiten aller Menschen einmischen zu dürfen, geht es diesmal aber nicht um Themen wie Verhütung oder Sex vor der Ehe.

Sondern darum, dass das mit dem Verliebt-sein genauso auch mit einem bestimmten Wüstengott funktionieren würde, den sich Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten:

Für Verliebte ist es leicht zu verstehen, was Beten ist. […]

Ganz offensichtlich pflegt dein Weihbischof Ansgar also zu seiner persönlichen Gottesvorstellung eine Liebesbeziehung. Das kann man natürlich machen, besonders dann, wenn man meint, auf Liebesbeziehungen zu Menschen aus religiösen Gründen verzichten zu müssen.

Andere, Außenstehende finden nix an diesem Typ. Aber der, der verliebt ist, findet alles an ihm.

Das scheint allerdings auch auf die Liebesbeziehung von deinem Weihbischof Ansgar zuzutreffen. Mit dem kleinen Unterschied, dass Gott kein „Typ“ ist. Sondern bis zum Beweis des Gegenteils nur eine menschliche Fiktion. Das scheint deinen Weihbischof Ansgar aber nicht weiter zu stören.

Schließlich funktionieren die biochemischen Vorgänge beim Verliebt-sein auch, wenn diese Liebe gar nicht erwidert wird. Entweder, weil das „Objekt der Begierde“ vielleicht gar nichts von der Liebe weiß oder nicht wissen will. Oder weil es schlicht nicht oder nur in der Phantasie dessen existiert, der in es verliebt ist.

Es mag skurril erscheinen, wenn ein erwachsener, ansonsten vermutlich aufgeklärt denkender Mensch im 21. Jahrhundert eine Liebesbeziehung zu einem Phantom pflegt. Nochmal: Das sei ihm natürlich gegönnt. Verliebt sein ist etwas sehr Schönes. Nur: Was bewegt deinen Weihbischof Ansgar dazu, die Welt an seinen Fiktionen und Illusionen teilhaben zu lassen?

Das Herz liebevoll auf Gott ausrichten

Gebet ist: Das Herz liebevoll auf Gott ausrichten.

Nutzlos: GebeteVorab: Gebet ist: Sich einzubilden, es gäbe einen Gott, auf den man das Herz liebevoll ausrichten könne.

Als katholischer Weihbischof meint Ansgar mit „Gott“ vermutlich den biblischen Monogott Jahwe. Um auf die Idee zu kommen, sein Herz ausgerechnet auf diesen Gott auszurichen, muss man die Worthülse Gott so gefüllt haben, dass dabei ein liebenswerter Charakter herauskommt. Das wäre, wenn der biblische Gott mit den ihm dort zugeschriebenen Eigenschaften tatsächlich existieren würde, kaum möglich.

Nimmt man die biblischen Mythen und Legenden ernst, ist „God: The Most Unpleasant Character in All Fiction.

Das Gottesbild im Alten Testament des von Gott geoffenbarten (wahlweise auch nur inspirierten) Wortes ist katastrophal, wie Heinz-Werner Kubitza in seinem Buch „Der Glaubenswahn“ ausführlich aufgearbeitet hat:

  • Der Gott des Alten Testaments ist ein Problem. Denn der biblische Jahwe ist nicht der friedliebend barmherzige Vater, als den ihn die Kirchen gerne verkünden. Stattdessen tritt er – für Gläubige irritierend – immer wieder als Kriegsgott auf, als gnadenloser Rachegott und übler Ausländerfeind, ja sogar als Massenmörder oder sexueller Gewalttäter. Ein Gott mit fast schon faschistoiden Zügen. Bei seinen Expeditionen in die Untiefen des Alten Testaments und die moderne Forschungslage liefert Heinz-Werner Kubitza Antworten auf die Frage, wer diesen Gott so grausam gemacht hat. Und macht plausibel, dass die von den Kirchen wie Helden verehrten Propheten als die ersten historisch greifbaren Vertreter eines religiösen Extremismus gelten müssen. Kubitza zeigt: Kirchen und Gläubige blenden mit den dunklen Seiten ihres Gottes im Alten Testament auch die Anfänge des religiösen Extremismus aus. (Quelle: tectum-verlag.de)

Aber es gilt doch das Neue Testament…!

GebetslogikIm Neuen Testament wird aus dem eifersüchtigen Wüsten-Berge-Kriegs-Rachegott Jahwe dann ein Gott, der nur vordergründig betrachtet als lieber Gott bezeichnet werden kann. Denn lieb ist dieser Gott wenn überhaupt nur zu denen, die bereit sind, sich ihm bedingungslos und vollständig zu unterwerfen („Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“).

Auf alle anderen wartet eine detailliert beschriebene, zeitlich unbegrenzte posthume Dauerbestrafung durch Höllenqualen. Also sogar nochmal eine Steigerung gegenüber der Grausamkeit des Kriegsgottes aus dem Alten Testament, der seine Feinde nur einfach vernichtete. Oder sie von seinen Anhängern vernichten ließ.

Für Katholiken gibts noch ein Zusatzlevel: Das Fegefeuer. Hier werden Menschen nur so lange gequält, bis sie dann doch bereit sind, in Gott verliebt zu sein oder sich zumindest vollständig von Gott lieben zu lassen.

Christen führen oft an, dass Gott den Menschen seine Liebe doch dadurch gezeigt hätte, dass er sich seinen eigenen Sohn für sich selbst als Menschenopfer zur Vergebung der von ihm zuvor aufgebrummten „Sünden“ temporär zu Tode hatte foltern lassen.

Die Frage, was der angebliche Kreuzestod von Jesus tatsächlich konkret bewirkt haben soll, liefert jedoch ein schillerndes Potpurri an unterschiedlichsten Antworten. Interessanterweise scheint hier keinerlei Konsens zu bestehen, jedenfalls soweit ich das aus zahlreichen Gesprächen mit Gläubigen beurteilen kann. Vielleicht klärt dein Weihbischof Ansgar ja mal bei Gelegenheit darüber auf.

Verliebt in einen Gott? Theodizee tut auch diesmal weh

Wie es um die moralischen Standards des Christengottes bestellt ist, zeigt sich auch daran, dass er trotz angeblicher Allmacht, Allgüte und Allwissenheit keine weniger leid- und schmerzvolle Welt als diese erschaffen konnte oder wollte.

TheodizeeEntweder war Gott dazu nicht in der Lage (dann wäre er allerdings nicht allmächtig). Oder Leid und Elend gehören zu seinem Allmachtsplan. Dann wäre er allerdings kaum als „allgütig“ zu bezeichnen. Sondern eher als sadistischer Psychopath. Oder er bekommt von irdischem Leid und Elend nichts mit – dann wäre er nicht allwissend. Die Lösung ist so einfach wie einleuchtend: Ein solcher Gott existiert nicht.

Wie man es dreht und wendet: Der biblische Christengott hat nicht nur angebliche Eigenschaften, die sich logisch gegenseitig ausschließen (Allmacht, Allwissenheit und Allgüte), sondern er kann auch nicht der „liebe Gott“ sein, den sich die meisten Christen doch so sehr wünschen.

Göttern hingegen scheint es völlig einerlei zu sein, wie Menschen sich sie ausdenken, welche Eigenschaften sie ihnen zuschreiben und welche Absichten sie ihnen unterstellen.

Wie schafft man es jetzt aber, sich ausgerechnet in einen solchen „Typ“ zu verlieben? Noch dazu als Angestellter der katholischen Kirche, die Homosexualität ja nach wie vor als nicht Gottgefällig ablehnt? Und deshalb auch Menschen wegen derer sexuellen Orientierung diskriminiert?

Dass Gott zumindest vom Artikel her männlich ist, stört männliche Gläubige jedenfalls offenbar nicht. Und natürlich ist „Liebe“ auch ein so dehnbarer Begriff, dass dann eben aus der erotisch-leidenschaftlichen Liebe von Verliebten, wie sie dein Weihbischof Ansgar zu Beginn seines Clips schildert eine unverfängliche, asexuelle Gottesliebe wird. Wie’s eben gerade am besten passt.

Aufforderung zum fehlerhaften Denken

Wenn du durch eine wunderschöne Landschaft spazieren gehst, wenn du die Geheimnisse der Biologie entdeckst, wenn du die Geschichte deines Lebens verstehst
und hinter den Fakten auf einmal merkst, dahinter steckt ja ein liebevoller Gott,
dann fängst du an zu staunen und zu sagen: „Hey, Gott! Du bist meine große Liebe! Dich bewundere ich! Dich will ich besser kennen lernen!“

Hey, mein Weihbischof Ansgar! Wenn ich durch eine wunderschöne Landschaft spazieren gehe, dann staune ich, was Geotektonik und Evolution hervorgebracht haben.

Und wenn ich die Geheimnisse der Biologie entdecke, dann bewundere ich die Menschen, die diese Geheimnisse aufgedeckt haben.

Wenn ich die Geschichte meines Lebens verstehe, dann ist mir bewusst, dass dies immer nur ein vorläufiger Erkenntnisstand ist.

Würde ich tatsächlich merken, dass hinter den Fakten ein liebevoller Gott steht, dann würde ich lediglich über mich selbst staunen. Genauer: Ich würde an meinem Verstand und an meiner intellektuellen Redlichkeit zweifeln.

Denn nichts, keine Landschaft, keine Geheimnisse der Biologie und auch nicht eine menschliche Biographie lassen sich redlicherweise mit übernatürlichen Götterwesen in einen ursächlichen Zusammenhang bringen.

Confirmation bias ft. non sequitur

Was dein Weihbischof Ansgar hier wortreich schildert, ist in Wirklichkeit eine Beschreibung des so genannten, altbekannten Bestätigungsfehlers (confirmation bias):

  • Ein Bestätigungsfehler (engl. confirmation bias) ist in der Kognitionspsychologie die Neigung, Informationen so auszuwählen, zu ermitteln und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen (bestätigen). (Quelle: Wikipedia)

Denn was wird aus dem göttlichen Loverboy, wenn man durch eine Landschaft spaziert, die gerade von einem Wirbelsturm, Tsunami, Erdbeben oder Vulkanausbruch in Schutt und Asche gelegt wurde? Wenn die biologischen Geheimnisse hinter Seuchen und Epedemien eben noch nicht entdeckt werden konnten? Wenn du die Geschichte deines Lebens zwar verstehst, diese Geschichte aber ein einziges Trauerspiel voller Not, Leid und Elend ist? Und zwar alles völlig unabhängig davon, ob du den hier behaupteten Gott anerkennst oder nicht?

Trotz wunderschöner Landschaften und allen sonstigen positiven, angenehmen Aspekten des Daseins: Die irdische Wirklichkeit sieht so gar nicht danach aus, als sei sie von einem liebevollen Gott extra genau so für eine bestimmte Trockennasenaffenart eingerichtet worden. Denn die Wirklichkeit ist nicht nur wunderschön und lebenswert, sondern sie kann auch unfassbar leidvoll, ungerecht und lebensfeindlich sein.

Dies alles gilt es nach Möglichkeit auszublenden, wenn man sich in Gott verlieben möchte. Denn natürlich wird der Allmächtige gleich viel sympathischer, wenn er ursächlich nur für alles Positive verantwortlich sein darf.

…aber unsere Liebe nicht

Verliebt in Gott
Verliebt in Gott. Quelle: Paradies:Glaube****

Betrachten wir den Vergleich von (menschlicher) Verliebtheit mit der Liebe zu Gott, dann erkenne ich hier tatsächlich Parallelen. In der Phase der ersten Verliebtheit neigen Menschen dazu, den Partner oder die Partnerin zu überhöhen. Negative Eigenschaften werden ausgeblendet, die Wahrnehmung der positiven (Schokoladen-)Seiten ist verstärkt. Nicht umsonst sagt man der Liebe nach, sie mache blind.

Erst im Lauf der Zeit „normalisiert“ sich diese Wahrnehmung üblicherweise wieder. Dazu kommt, dass sich Menschen ein Leben lang ja auch verändern können.

Wer einen Gott lieben möchte, muss dafür sorgen, dass die Phase der Verliebtheit nicht endet.

Denn Götter „existieren“ nur so lange, wie sie noch jemand als existent anerkennt.

Und genau das ist der Knackpunkt, wenn dein Weihbischof Ansgar das Bild von der menschlichen Liebe auf seine Vorstellung von Liebe zu Gott zu übertragen versucht.

Denn sobald man feststellt, dass hinter den Fakten eben kein Gott und schon gar kein liebevoller Gott steckt, sobald sich also Wahrnehmung und Denken wieder von Verliebt-irrational-vernebelt auf realistisch-rational umstellen, bleibt von der zunächst vielleicht irgendwie als hoffnungsvoll empfundenen Illusion nichts mehr übrig.

Und wer ehrlicherweise anerkennt, dass die Welt eben nicht wie die gelungene Schöpfung eines liebevollen allmächtigen Gottes aussieht, der kann einen solchen Gott konsequenterweise schon deshalb nicht länger für wahr halten.

Deshalb muss ein Gläubiger wie dein Weihbischof Ansgar peinlich genau darauf achten, niemals die religiöse rosa Brille abzulegen. Denn anders als in menschlichen Beziehungen, wo man gemeinsam an eben dieser arbeiten kann, ist man bei der Beziehung zu Gott letztlich völlig auf sich allein gestellt. Sobald man aufhört, sich diese Liebe einzubilden, endet die eingebildete und ausschließlich einseitige, göttliche Liebesbeziehung. Und damit auch die Blindheit für die Wirklichkeit, die Voraussetzung für die Liebe zu Phantasiewesen erfordert.

Selbst-Ent-Täuschung

Diese Ent-Täuschung mag zunächst unangenehm oder sogar nur sehr schwer zu ertragen sein. So ähnlich, wie wenn der 16jährige Teenie irgendwann doch einsieht, dass ihr Boygroup-Star, in den sie unsterblich verliebt war, doch nichts von ihr wissen will. Unterschied: Den Star gibts tatsächlich.

Aber ist nicht ein wirklichkeitskompatibles Weltbild einer eingebildeten Liebesaffäre mit einem übernatürlichen Wesen mit mehr als fragwürdigem Charakter vorzuziehen? Am Schönen und Guten kann man sich jedenfalls genauso erfreuen, wenn man nicht in Götter verliebt ist.

Und das Beste: Auch wenn sich der biblische Gott selbst als äußerst eifersüchtig bezeichnet: Es spielt keine Rolle. Götter sind nicht nachtragend. Man kann die Verliebtheit in Götter, anders als in der irdischen Wirklichkeit, jederzeit folgenlos beenden, also ohne einen Rosenkrieg befürchten zu müssen.

*Der Videoclip und die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Videoclip auf Youtube, veröffentlicht am 26.9.2017 von domradio.de.
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***Natürlich duze ich mir nicht persönlich bekannte Menschen wie Herrn Ansgar Puff nicht; da er mich aber als „Dein Weihbischof Ansgar“ anspricht gehe ich davon aus, dass dies in Ordnung geht.
****Quelle: Youtube, Screenshot aus dem Trailer zu: Paradies Glaube von Ulrich Seidl (2012)

 

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